IGeL

Sind die Verbraucherzentralen nur auf Krawall gebürstet?

IGeL sind Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Mit dem Beschwerdeportal IGeL-Ärger.de schießt der Verbraucherzentrale Bundesverband nun aber den Vogel ab. Eine klare Absage an einen ernsthaften Dialog mit Ärzten.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Werden Patienten zur Annahme von IGeL in Arztpraxen gedrängt? Manche Einträge auf IGeL-Ärger legen diesen Eindruck nahe.

Werden Patienten zur Annahme von IGeL in Arztpraxen gedrängt? Manche Einträge auf IGeL-Ärger legen diesen Eindruck nahe.

© SP-Pic / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Manchmal ist der Name eines Projektes schon Programm und gibt die Richtung vor, unter der eine bestimmte Sache laut Initiatoren gesehen werden soll. Genau so verhält es sich mit der Online-Beschwerdeplattform IGeL-Ärger.de des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Unter www.igel-aerger.de sind alle Patienten nach Ansage des vzbv aufgerufen, ihren "Frust und Verdruss" über Selbstzahlerleistungen loszuwerden. Bei der Inauguration des Meckerportals von Verbraucherzentralen Gnaden gab der vzbv die Prämisse klar vor: "Missstände rund um die Extras in Arztpraxen und Kliniken aufzudecken und abzustellen - so lauten die Ziele des Internetforums", hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung.

Und in der Tat scheint der IGeL-Alltag in deutschen Vertragsarztpraxen voll zu sein von hinterlistigen Versuchen seitens der Ärzte, medizinisch sinnlose Leistungen teuer an den Mann respektive die Frau zu bringen.

Diesen Eindruck vermittelt zumindest ein Blick auf die "Beschwerde-Pinnwand". Dort hat jeder Patient die Gelegenheit, in anonymisierter Form seine IGeL-Negativerlebnisse darzustellen - sortiert nach Fachdisziplin und häufigen Selbstzahlerangeboten.

Glaukom und vaginaler Ultraschall dominieren

Wenig überraschend korreliert die Beschwerdehäufigkeit bei einzelnen IGeL-Posten mit dem oft vor allem in Publikumsmedien werbewirksam inszenierten Verriss konfliktträchtiger Offerten. So gibt es beim IGeL-Ärger auffällig viele Beschwerdeeinträge zur Glaukom-Früherkennung sowie die Früherkennung auf Ovarial-Ca mittels vaginalem Ultraschall.

Beide genießen ihren schlechten Ruf spätestens, seit vor drei Jahren ein Health Technology Assessment (HTA) des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) jeweils eine negative Beurteilung aussprach. Ausschlaggebend für dieses Urteil war, dass das DIMDI keine randomisierten kontrollierten Studien finden konnte, die einen Nutzen eindeutig belegen.

Wer erwartet, tiefgreifende Erkenntnisse aus den Patientenbeschwerden zu gewinnen, die dazu dienen könnten, eventuelle Missstände strukturiert an der Wurzel des Übels anzupacken und zu bekämpfen, wird in den meisten Fällen enttäuscht. Denn die meisten insinuierenden Kurzbeiträge sind eher narrativen denn analytischen Charakters.

Ein Beispiel: "Nachdem ich ein Jahr vorher bei einer Krebsvorsorgeuntersuchung einer Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter aus der Fülle der drei Seiten langen IGeL-Angebote zugestimmt hatte (wurde überrumpelt), wurde ich im Jahr darauf wieder dazu gedrängt, was ich aber diesmal ablehnte. Daraufhin kam die Ärztin meiner Bitte nach einer Überweisung zu einer Darmspiegelung (nach zehn Jahren) nicht nach."

Auch in Sachen Glaukom findet sich ein ähnlich deskriptives Beispiel: "Ich spürte die Animositäten des Arztes und der Arzthelferin (AH) gegen mich, als ich die IGEL-Leistungen ablehnte. In etwa: Diese Querulantin wollen wir so schnell wie möglich wieder loswerden."

Bemühen der Ärzteschaft bleibt unerwähnt

Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte besonders düpierend dürfte die Patientenaufklärung über IGeL auf dem genannten Portal sein.

In gewohnt edukatorischer Manier wird Patienten quasi mit erhobenem Zeigefinger zur Vorsicht in der Arztpraxis gemahnt. Ärztliche Aufklärungspflicht, Schriftlichkeitszwang beim IGeL-Behandlungsvertrag etc. - alles findet zu Recht seinen Platz.

Aber: Audiatur et altera pars? Fehlanzeige! Völlig unbeleuchtet lassen die Verbraucherschützer die umfassenden Bemühungen der Ärzteschaft zum korrekten Umgang mit Patienten in Sachen IGeL.

Weder die zehn IGeL-Grundsätze, die der Ärztetag 2006 in Magdeburg verabschiedet hat, noch der gemeinsame IGeL-Ratgeber von KBV und BÄK für Ärzte finden eine Erwähnung.

Unter diesen Voraussetzungen dürfte es für Ärzte schwer sein, in einen konstruktiven Dialog mit den Verbraucherschützern zum Umgang mit IGeL in den Praxen zu kommen.

 

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