Hintergrund

IGeL: Nutzen oder Patienten-Abzocke?

Das DIMDI kritisiert zwei Top-IGeL: Die Glaukom-Früherkennung und der vaginale Ultraschall bringen Patienten nichts. Während die Augenärzte mit Unverständnis reagieren, stimmen die Gynäkologen der DIMDI-Beurteilung zu.

Von Michael Hubert Veröffentlicht:
Die Messung des Augeninnendrucks beim Besuch des Augenarztes ist eine der häufigsten Privatzahlerleistungen.

Die Messung des Augeninnendrucks beim Besuch des Augenarztes ist eine der häufigsten Privatzahlerleistungen.

© Berufsverband der Augenärzte

Ein Health Technology Assessment (HTA) des DIMDI hat sich mit dem Thema individuelle Gesundheitsleistungen befasst.

Zwei IGeL-Angebote wurden dabei genauer aufs Korn genommen: Die Messung des Augeninnendrucks zur Glaukom-Früherkennung und die Früherkennung auf Ovarial-Ca mittels vaginalem Ultraschall (VUS). Die Beurteilung beider Methoden durch das HTA fällt negativ aus.

Die Begründung beider Einschätzungen lässt sich knapp zusammenfassen: Das DIMDI konnte keine randomisierten kontrollierten Studien finden, die einen Nutzen eindeutig belegen.

Evidenz zum Nutzen fehlt

Im Falle der Augeninnendruckmessung heißt es, dass die uneinheitliche Krankheitsdefinition und der fehlende Referenzstandard für die Diagnose den Vergleich der Studien und die Nutzenbewertung erschwerten.

"Eine belastbare Evidenz zum Nutzen von Glaukom-Screening fehlt", so das DIMDI. Ein Screening auf Glaukom könne daher nicht empfohlen werden.

Augenärzte sind von der Methode überzeugt

Dabei gab es gerade beim Glaukom-Screening immer wieder Initiativen, die Untersuchung in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen.

Zumindest die Augenärzte sind so sehr von der Methode überzeugt, dass manche sich von ihren Patienten unterschreiben lassen, diesen die Augeninnendruckmessung angeboten zu haben - als Absicherung, falls ein Grüner Star unentdeckt bleibt.

Dementsprechend fällt die Stellungnahme des Berufsverbands der Augenärzte (BVA) aus. BVA-Sprecher Dr. Georg Eckert teilt auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" mit: "Das Glaukom ist eine gut behandelbare und früh erkennbare Erkrankung. Da die Krankheit für Betroffene weitgehend symptomlos und in der Regel schmerzfrei verläuft, wird diese häufig zu spät diagnostiziert. Ohne rechtzeitige spezifische Therapie ist ein Sehverlust bis zur Erblindung möglich."

Sehverlust ist bei frühem Therapiestart vermeidbar

In jeder augenärztlichen Praxis fänden sich zahlreiche Patienten, die durch das Glaukom einen massiven Sehverlust hinnehmen mussten, so Eckert. "Ein solcher ist jedoch bei frühem Therapiestart vermeidbar."

Es sei ein Anachronismus, wenn in einem hochentwickelten Land wie Deutschland mit entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten Bürger an den Folgen eines nicht rechtzeitig erkannten und damit nicht behandelten Glaukom erkrankten.

VUS-Screening könne nicht ausreichend bewertet werden

Das VUS-Screening wiederum könne nicht ausreichend bewertet werden, schreibt das DIMDI auf seiner Homepage. Die Daten zur Diagnostik zeigten, dass durch das Screening ein hohes Maß an Überdiagnose mit invasiven Eingriffen erzeugt werde, kritisiert das DIMDI.

Hierzu Professor Barbara Schmalfedt, Koordinatorin der gültigen S2-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Ovarialkarzinoms: "Der HTA-Bericht stellt eine ausgewogene Beurteilung dar, berücksichtigt die entscheidenden Screeningstudien zur Erkennung des Ovarialkarzinoms und gibt die bisher vorliegenden Daten und Kenngrößen (falsch positiv Rate, positiver Vorhersagewert) korrekt wieder."

Bisher gebe es keine Evidenz, dass durch die Vaginalsonografie die Früherkennung des Ovarialkarzinoms möglich ist, noch durch das Screening eine Senkung der Ovarialkarzinom-Mortalität erreicht wurde.

"Nicht als Methode zur Früherkennung des Ovarialkarzinoms zu empfehlen"

"Für die frauenärztliche Praxis ist der vaginale Ultraschall nicht als Methode zur Früherkennung des Ovarialkarzinoms oder gar zur Senkung der Mortalität am Ovarialkarzinom den Patientinnen zu empfehlen", so Schmalfeldt.

Die Vaginalsonografie könne aber andere mögliche positive Effekte haben, diese wurden aber bisher nicht untersucht oder belegt.

Vaginalsonografie als Ergänzung des Tastbefundes

So kann es von Vorteil sein, von dem Vorhandensein einer blanden Ovarialzyste zu wissen oder bei einem Uterus myomatosus die Myomgröße zur Verlaufskontrolle zu kennen. Durch Kenntnis von gutartigen Befunden könnten auch unnötige Operationen vermieden werden.

Schmalfedts Fazit: Die Vaginalsonografie dürfe derzeit nicht zur Früherkennung des Ovarialkarzinoms angeboten werden, sondern als Ergänzung des Tastbefundes, um Größe Lage und Beschaffenheit von Uterus und Ovarien genauer zu beschreiben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das IQWiG für IGeL sind Patienten

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