Geburtshilfe

So lässt sich die Geburt sicherer machen

Auch wenn auf 100.000 Geburten nur sehr wenige Mütter sterben, besteht Handlungsbedarf, findet das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Bei unerwünschten Ereignissen gebe es einfache Hilfsmittel.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Eine alte, aber dennoch weiterhin aktuelle Botschaft: Die Kommunikation im Kreißsaal muss besser werden.

Eine alte, aber dennoch weiterhin aktuelle Botschaft: Die Kommunikation im Kreißsaal muss besser werden.

© Mascha Brichta / picture alliance

Berlin. Am Ende äußerte sich die Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS), Dr. Ruth Hecker, enttäuscht: „Was hier heute zur Sprache kam, haben wir schon vor 20 Jahren diskutiert, aber es hat sich nichts getan! Ich bin auch frustriert!“

Das APS hatte am Welttag der Patientensicherheit eingeladen zur Tagung „Mach dich stark für Patientensicherheit! Sicher vom ersten Atemzug an“. Zusammengefasst war die Botschaft für die Geburtshilfe in der Tat eine alte: bessere Kommunikation im Kreißsaal.

Bei 100.000 Geburten stürben heute in den Industrieländern zwar weniger als vier Mütter und 3,2 Kinder auf 1000 Geburten, so das APS. Gleichwohl bestehe Handlungsbedarf für „die Verbesserung der sicheren Versorgung“.

Stress, Belastung, Geburtstrauma

Unerwünschte vermeidbare Ereignisse hätten auch in Deutschland Langzeitfolgen für Mutter und Kind. 20 bis 50 Prozent der Patientinnen verbinden mit dem Erlebnis der Geburt ihres Kindes Belastungen, großen Stress oder entwickeln gar ein Geburtstrauma, schätzt die Internationale Gesellschaft für prä- und perinatale Psychologie und Medizin (ISPPM).

Dabei könnten medizinische Eingriffe ohne Erklärung und ohne empathische Haltung der Gesundheit schaden. „Es gibt noch viel zu viele Vorkommnisse, die bei einer bestmöglichen Versorgung vermieden werden könnten oder die durch eine kompetente Betreuung weniger belastend wären.“

Wer an der Geburt beteiligt ist, hat je seine eigene Perspektive, erklärte Professor Christoph Scholz, Chefarzt der Münchner Frauenklinik. Es gehe darum, die Ärzte, die Gebärende, den Partner und die Hebamme zusammenzubringen, „das ist die Kunst“, so Scholz. Außerdem empfahl er der Medizin, im Zusammenhang mit Geburten ihre Sprache aufzuräumen.

Vergiftung die Schärfe nehmen

Zentral sei für die werdende Mutter das ruhige Gespräch vor der aufregenden Geburt mit Hebamme und Arzt. „Wir müssen zum Beispiel Begriffen wie „Saugglocke“ oder „Schwangerschaftsvergiftung“ im Gespräch die Schärfe nehmen“, sagte Scholz. Überhaupt sei der salutogenetische Ansatz der Hebammen bei der Geburt der grundsätzlich bessere.

Solange keine Komplikationen auftauchen, sei die Geburt eine physiologische Angelegenheit und keine pathologische, sagte Professor Frank Reister, Leiter der Geburtshilfe an der Uni-Klinik Ulm. Es gehe darum, eine positive Geburtsatmosphäre zu schaffen.

„Ärzte kommen erst zur Geburt hinzu, wenn es Probleme gibt.“ Und dann gelten die Regel guter Teamarbeit – sie müssten aber allen Beteiligten bekannt sein, waren sich die Referenten einig.

Positive Resonanz für „TeamBaby“

Dazu dient zum Beispiel das Projekt „TeamBaby“, initiiert vom APS, dem Uni-Klinikum Frankfurt und der Techniker Krankenkasse, das Professor Frank Louwen vorstellte, Leiter der Geburtshilfe und Pränatalmedizin am Uni-Klinikum Frankfurt. Im Rahmen des Projekts werden das klinische Personal und die werdende Mutter in persönlichen Trainings geschult.

Die werdenden Mütter erhalten eine von Kommunikationsprofis entworfene App, mit der sie von zu Hause aus ihr Kommunikationsverhalten schulen können. Die Resonanz war ausgesprochen positiv. Die Schulung sei hilfreich und unterstützend, lautete das Feedback von geschulten Gebärenden.

In der Tat seien 70 Prozent der Fehler unter der Geburt auf „human factors“ zurückzuführen, also nicht auf medizinisch-handwerkliche Probleme, sagte Laura Tosberg, Leiterin des Institutes für Patientensicherheit und Teamtraining GmbH, also oft auf Fragen der Kommunikation. Um hier besser zu werden, diente bereits 2012 das Projekt „simparteam“, ein Notfalltraining für geburtshilfliche Teams.

Simulationstraining heute üblich

Es habe der Simulation in Deutschland einen höheren Stellenwert eingeräumt, sagte Christoph Scholz. Tatsächlich seien interprofessionelle Simulationstrainings üblicher geworden, „denn um sich gut vorbereitet zu fühlen auf einen Notfall, muss das Training in der gleichen Arbeitssituation und Teamkonstellation stattfinden“, erläuterte Tosberg.

Inzwischen böten viele Krankenhäuser „toll ausgestattete Simulationstrainings, inklusive Skillslabs. Andere Häuser haben das Geld nicht für solche Einrichtungen und machen seltener Trainings. Aber wichtig ist, dass überhaupt etwas passiert!“

Die Grundfrage aber bleibe, so Scholz: „Was sind wir bereit, in einen Aspekt der Daseinsvorsorge zu investieren? Und das ist eine andere Frage, als wir sie in der Logik der Krankenversorgung behandeln sollten. Das muss man politisch diskutieren.“

Dr. Hecker im Gespräch zum Welttag der Patientensicherheit

Hören Sie auch das Gespräch mit Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit, im „ÄrzteTag“-Podcast über die Sicherheit von Müttern und das Forschungsprojekt TeamBaby:

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Podigee Um mit Inhalten aus Podigee und anderen sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Pflanzenzweige in Reagenzgläsern

© chokniti | Adobe Stock

PMS? Phytotherapie!

Evidenzbasierte Phytotherapie in der Frauenheilkunde

Anzeige | Bionorica SE
Packshot Agnucaston

© Bionorica SE

PMS? Phytotherapie!

Wirkmechanismus von Agnucaston® 20 mg

Anzeige | Bionorica SE
Mönchspfeffer Pflanze

© Lemacpro / AdobeStock

Phytotherapie bei PMS

Wissenschaftliche Kurzinformation zu Agnucaston® 20 mg

Anzeige | Bionorica SE
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Prozentualer Anteil der Patientinnen und Patienten pro Gruppe mit den genannten Symptomen zum Zeitpunkt der Visite 1 (Erstvorstellung) und Visite 2 (24–72h nach Erstvorstellung).

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [13]

Akute Otitis media – Behandlungsoptionen in der Praxis

Leitlinienbasierte Therapie für schnelle Symptomverbesserung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Homöopathisches Laboratorium Alexander Pflüger GmbH & Co. KG, Rheda-Wiedenbrück
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP

ADHS und Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Guter Schlaf durch schnell freisetzendes Melatonin

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Deutsche Studie

Metaanalyse: Placebo kann psychische Erkrankungen lindern

„ÄrzteTag“-Podcast

Was bleibt von der Gesundheitspolitik der Ampel, Professor Greiner?

Lesetipps
Dr. Carsten Gieseking

© Daniel Reinhardt

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025