Chirurgiemechaniker

So wird präzises Handwerkszeug für Ärzte hergestellt

Chirurgiemechaniker stellen spezielle Instrumente für Operationen aber auch Implantate her. Für ihre Ausbildung gibt es nur eine einzige Berufsschule in Deutschland. Ein Einblick.

Veröffentlicht:
Handwerkliches Geschick, Akribie und Konzentration sind wichtige Voraussetzungen für die Tätigkeit als Chirurgiemechaniker.  Felix Kästle/picture alliance/dpa

Handwerkliches Geschick, Akribie und Konzentration sind wichtige Voraussetzungen für die Tätigkeit als Chirurgiemechaniker. Felix Kästle/picture alliance/dpa

© Felix Kästle/picture alliance/dpa

Tuttlingen. Sehnsüchtig wartet die Weltbevölkerung in der Corona-Pandemie auf ihre Schutzimpfungen gegen das Virus. Dazu braucht es nicht nur genügend Impfstoff und Personal, das den Impfstoff verabreicht. Auch die Instrumente, mit denen geimpft, kontrolliert oder operiert wird, sind entscheidend. Diese herzustellen, lernen Fachkräfte in einer dualen Berufsausbildung.

Pascal Scheu ist stolz darauf, dass er als Chirurgiemechaniker dafür sorgt, dass der Gesundheitsbranche ausgezeichnetes Werkzeug zur Verfügung steht. Der 20-Jährige ist im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, Einsatzgebiet Instrumententechnik. Bei der Aesculap AG in Tuttlingen hat er etwa die Herstellung von Arterienklemmen, Bulldogklemmen und Aneurysmenclips erlernt. Das Unternehmen ist auf die Produktion von Medizinprodukten und -technik für die Chirurgie spezialisiert.

Wundspreizer und Knochenstanzen

Für eine Operation benötigen Chirurginnen und Chirurgen etwa Arterienklemmen, Wundspreizer, Knochenstanzen oder anatomische Pinzetten, die in einem speziell dafür benötigten Sterilcontainer aufbewahrt werden. Neben dem Handwerkszeug für die ärztliche Kunst produzieren Chirurgiemechaniker auch Implantate, etwa Titanschrauben, die eine Bandscheibe stützen. „Wir stellen das Instrumentarium nicht nur her, wir reparieren es auch“, sagt Pascal Scheu. „Wir schweißen, wir schleifen, wir montieren, wir schärfen Instrumente, wir prüfen – unsere Arbeit ist äußerst abwechslungsreich, das finde ich gut.“

Der 20-Jährige hat sich nach seinem Realschulabschluss nach einem Ausbildungsberuf umgesehen, der sowohl handwerkliches Geschick als auch den Umgang mit modernsten Maschinen verlangt. Trotz Entlastung durch CNC-Maschinen, also computergesteuerte Werkzeugmaschinen, geht es zu Beginn der Ausbildung darum, ein Gefühl für Material und Maße zu entwickeln. Die Azubis arbeiten mit Werkstoffen wie Aluminium, Messing und Edelstahl. Sie handhaben traditionell Hammer, Säge und Feilen – allerdings mit Fingerspitzengefühl.

Technisches Verständnis ist wichtigste Voraussetzung für den Job

Während seiner Ausbildungszeit hat Pascal Scheu unterschiedliche Abteilungen durchlaufen, unter anderem auch den Bereich Messtechnik und Kalibration. „Dort dreht sich alles um Messen und Kalibrieren, bis in den Tausendstel-Millimeter-Bereich“, sagt er. „Ab dem zweiten Ausbildungsjahr lernen wir auch das Programmieren, denn bereits heute spielt die Automatisierung in der Produktion eine große Rolle.“

Technisches Verständnis, logisches Denken und eine gute räumliche Vorstellungskraft gehören dem Azubi zufolge zu den wichtigsten Voraussetzungen für den Beruf. Aber auch Akribie und die Fähigkeit zur Konzentration sind laut Vanessa Gfell wichtig. Sie ist Pascal Scheus Lernbegleitung und hat die Ausbildung selbst vor einigen Jahren absolviert. Im Anschluss hat sie sich zur Industriemeisterin für Medizintechnik weitergebildet.

Heute arbeitet sie in der Abteilung Berufsausbildung und gibt dort ihr Fachwissen weiter. Die Fertigung der Instrumente erfordert höchste Präzision, muss bis auf den Zehntelmillimeter genau stimmen. Vanessa Gfell ist es wichtig, dass die Auszubildenden neugierig auf die Aufgaben sind und eine grundsätzliche Lernbereitschaft mitbringen.

Manchen Auszubildenden falle es anfangs schwer, sich auf einen Sieben-Stunden-Arbeitsrhythmus umzustellen und voll konzentriert zu bleiben. Dann steht sie motivierend zur Seite, ermuntert zum Durchhalten. Das gelingt besonders gut, wenn die Azubis selbst etwas herstellen. Denn es ist ein gutes Gefühl, am Ende des Tages ein fertiges Produkt in der Hand zu halten. In der Ausbildung erwerben die angehenden Chirurgiemechaniker auch Kenntnisse in der Anatomie, denn sie müssen ja wissen, wie die Instrumente später eingesetzt werden.

Deshalb steht in der Berufsschule zum Beispiel Instrumentenkunde auf dem Stundenplan und die Schülerinnen und Schüler schauen sich Videos von Operationen an. Auch mit den lateinischen Fachbegriffen aus der Medizin müssen die Azubis etwas anfangen können.

Im Gegensatz zu Azubi-Kollegen aus anderen Bundesländern hat Pascal Scheu die Berufsschule direkt vor der Tür. Denn die Ferdinand-von-Steinbeis-Schule in Tuttlingen ist die einzige Berufsschule für Chirurgiemechaniker in Deutschland. Die Azubis aus anderen Gegenden Deutschlands müssen für den Blockunterricht anreisen.

Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Die Ausbildungsvergütung kann sich je nach Bundesland und Betrieb unterscheiden. Die Bundesagentur für Arbeit gibt zur Orientierung Werte aus den Tarifbetrieben im Metallhandwerk an. Demnach verdienen Azubis im ersten Jahr je nach Bundesland zwischen 525 und 952 Euro, im letzten Ausbildungsjahr beläuft sich die Vergütung auf zwischen 635 und 1122 Euro monatlich brutto.

Grundsätzlich stehen die Chancen gut, nach der Ausbildung übernommen zu werden. Die Medizintechnik gilt als zukunftsfest und hat laut dem Branchenverband Bundesverband Medizintechnologie (BVmed) einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Pascal Scheu will allerdings weiterlernen. „Die Ausbildung ist eine gute Grundlage und bei mir wurde das Interesse an der Entwicklung geweckt, ich möchte nun Maschinenbau studieren“, sagt er. (dpa/tmn)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Vergleichsstudie mit Depressiven

Magnetstimulation schlägt Medikation bei Therapieresistenz

EU-Gesundheitspolitik

EU-Parlament bekommt nun doch eigenen Gesundheitsausschuss

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Maquet Otesus OP-Tischsystem

© Getinge Deutschland GmbH

Unternehmen im Fokus

Flexible und ökonomische OP-Tischsysteme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Getinge Deutschland GmbH, Rastatt
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025