Adipositas-Chirurgie

Sozialgericht: Abnehmen vor bariatrischer Op stellt Indikation nicht infrage

Maßgeblich für die Leistungspflicht der Krankenkasse bei bariatrischer Op ist das Gewicht bei Stellung der Indikation und nicht das Gewicht bei Aufnahme in das Krankenhaus zur Durchführung der Op.

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Darmstadt. Patientinnen und Patienten mit Übergewicht müssen nach der Indikation für eine bariatrische Op ihr Gewicht nicht bis zu dem Eingriff halten. Maßgeblich für die Leistungspflicht der Krankenkasse ist das Gewicht bei Stellung der Indikation und nicht das Gewicht bei Aufnahme in das Krankenhaus zur Durchführung der Operation, wie das Sozialgericht (SG) Darmstadt in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschied.

Danach muss die Kkasse dem klagenden Krankenhaus 7.250 Euro für eine Schlauchmagen-Op bezahlen. Üblich setzt dies voraus, dass vorausgehende konservative Therapien erfolglos waren. Bei einem BMI über 50 kann laut Leitlinie die Indikation zur Op aber sofort gestellt werden. Die 163 Zentimeter große Patientin im Streitfall hatte einen BMI von 50,6, als sie sich in der Adipositassprechstunde des Klinikums vorstellte. Die Ärzte schlugen eine Schlauchmagen-Op vor. Um die Risiken des Eingriffs zu verringern, regten sie zudem bis dahin eine eiweißreiche Flüssignahrung an. Die Patientin hielt sich daran. Bei der stationären Aufnahme fünf Monate später war ihr BMI auf 48,2 gesunken.Wenn sie will, kann sie ja doch abnehmen, meinte eine Gutachterin. Und der BMI habe ja nicht mehr über 50 gelegen, meinte die Krankenkasse.

Das Sozialgericht ließ beide Argumente nicht gelten und gab der Klage des Krankenhauses statt. Für die Primärindikation für eine bariatrische Op komme es auf das Gewicht „bei Stellung der Indikation zur Operation an und nicht auf das Gewicht bei Aufnahme in das Krankenhaus zur Durchführung der Operation“, so der Leitsatz des Darmstädter Urteils.

Gewichtsreduktion als Teil des Eingriffs zu erwarten gewesen

Zur Begründung stützten sich die Richter auf die S 3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolische Erkrankungen“. Danach könne bei einem BMI von mehr als 50 eine Primärindikation zu einem adipositaschirurgischen Eingriff auch ohne vorausgehende konservative Therapieversuche gestellt werden. Maßgeblich sei dabei der Zeitpunkt der Indikation. Dass die Patientin bis zu dem Eingriff ihr Gewicht noch habe verringern wollen, sei glaubhaft und überzeugend. Angesichts des dann geringeren Operationsrisikos sei „eine Gewichtsreduktion vor der Operation als Teil des Eingriffs zu erwarten“.

Die Notwendigkeit des adipositaschirurgischen Eingriffs werde dadurch nicht widerlegt, betonte das Sozialgericht. „Eine derartige Ernährung ist lediglich übergangsweise möglich und wäre im Alltag nicht umsetzbar.“ Bei normaler Ernährung wäre ein entsprechender Gewichtsverlust aber nicht zu erwarten gewesen.

Zudem verwiesen die Darmstädter Richter auf die Planungssicherheit. Würde es auf das Gewicht bei der Aufnahme ankommen, „wäre für die Krankenhäuser als Leistungserbringer nicht kalkulierbar, ob im Ergebnis eine Indikation zur bariatrischen Operation besteht“. (mwo)

Sozialgericht Darmstadt, Az.: S 25 KR 699/21

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