Pilotprojekt

Telemedizin hilft nach Gelenkersatz auf die Beine

Premiere in der Reha: Kassen zahlen für den Einsatz telemedizinischer Lösungen im Bereich Gelenkersatz. Im Heimtraining können Patienten weiter auf Klinikpersonal zurückgreifen. Im Alltag hilft die telemedizinische Unterstützung auch, Kosten einzusparen.

Von Annette Tuffs Veröffentlicht:

FREIBURG. An Pilotprojekten zur Telemedizin mangelt es in Deutschland nicht. Oliver Schenk, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, sprach vor Kurzem beim Freiburger eHealth Forum gar von einer "Pilotitis", die seit Jahren, allerdings vom selbst Gesetzgeber initiiert, grassiere.

Doch in die Regelversorgung übernommen worden seien bislang nur wenige Projekte. Besonders chancenträchtig sei die Rehabilitationsmedizin.

Das erste durch Kostenträger finanzierte Projekt sorgt dafür, dass Patienten nach Gelenkersatz wieder auf die Beine kommen. Mittlerweile gibt es weitere Indikationen.

Die Nürnberger Firma EvoCare, eine Genossenschaft von Telemedizin-Anbietern, bietet IT-Lösungen, personelle und technische Unterstützung für ambulante Reha nach orthopädischen Eingriffen, Schlaganfall sowie bei kardiologischen und psychosomatischen Erkrankungen an.

Fast 20 Jahre Entwicklungsarbeit

"Telemedizin wird oft falsch verstanden: Sie ist nicht der Einsatz von elektronischen Geräten und Software, sondern eine besondere Behandlungsform", sagte der Geschäftsführer Dr. Achim Hein beim Freiburger Symposium.

Dieses Verständnis sieht er als Erfolgsrezept der genossenschaftlich organisierten Firma, die im Juli 2013 nach 16 Jahren Entwicklungsarbeit ihre erste Kassenzulassung erhielt. Wichtig sei zudem, dass die Evaluierung des Reha-Verfahrens von den Kostenträgern in Auftrag gegeben und bezahlt werde.

Außerdem würden die Patienten vor ihrer Klinikentlassung gut geschult und beim Heimtraining weiterhin durch das vertraute Klinik-Team angeleitet.

Der Patient erhält nach Einführung in der Klinik ein Leihgerät, an das sein Physiotherapeut individuelle Übungsanweisungen übermittelt; zudem gibt es Übungsvorlagen als Video. Eine in das Gerät integrierte Kamera übermittelt dem Therapeuten Bilder des Patienten, die von ihm überprüft werden können. Die Datenübertragung erfolgt online; ein Internetanschluss des Patienten ist nicht erforderlich.

Das Sparpotenzial für die Kostenträger ist groß: Rund 600 Euro statt 3000 Euro pro Fall koste die mehrwöchige Reha mit täglichen Übungseinheiten, die den medizinischen Leitlinien folgen, so Hein. Vor allem Personalkosten können eingespart werden, da ein Physiotherapeut mehrere Patienten gleichzeitig betreuen kann.

In einem EvoCare-Therapiezentrum werden Physiotherapeuten und Logopäden (zur Behandlung nach Schlaganfall) zu Teletherapeuten ausgebildet. Zudem richtet EvoCare Tele-Reha-Abteilungen in den Kliniken ein und übernimmt Patienten-Rückfragen, wenn beispielsweise sonntags kein Therapeut im Haus ist.

Laut Evaluierungsstudien ist die Tele-Reha der intensiven Reha nach Gelenkersatz medizinisch ebenbürtig. Arbeitsausfall und Frühberentung seien zudem nach der Reha zu Hause seltener; die Eingliederung in den Arbeitsprozess erfolge früher, berichtet Hein.

Für einige Rentenversicherer und eine Krankenkasse (AOK) sei dies Argument genug für einen Vertragsabschluss. Mittlerweile beteiligen sich 14 Kliniken in Deutschland und Österreich an dem Programm; rund 40.000 Patienten wurden bislang von ihnen zusammen mit dem Telemedizin-Anbieter betreut.

Insultpatienten hoch motiviert

Wie wird das Heimtraining angenommen? Nach einer Hüftoperation sind es etwas mehr als die Hälfte der Patienten, die fleißig unter Anleitung und Überwachung trainieren, berichtete Hein.

Beim Schlaganfall, wo es um die Wiedererlangung grundlegender Fähigkeiten wie das Sprechen gehe, sei die Motivation der Patienten dagegen weit höher und liege bei rund 90 Prozent.

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