Hoher Krankenstand beklagt

Tesla-Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern sind wohl rechtmäßig

Der Leiter des Tesla-Werks in Grünheide verteidigt die umstrittenen Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern. Diese dürfen allerdings im Regelfall sehr wohl das Haus verlassen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Tesla-WerksleiterAndré Thierig beklagt hohe Krankenstände und verteidigt die Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern. (Archivfoto)

Tesla-WerksleiterAndré Thierig beklagt hohe Krankenstände und verteidigt die Hausbesuche bei krankgeschriebenen Mitarbeitern. (Archivfoto)

© Soeren Stache/dpa

Grünheide/Erfurt/Kassel. Mit Hausbesuchen bei krankgeschriebenen Mitarbeitern im Tesla-Werk Grünheide macht der Autobauer derzeit bundesweit Schlagzeilen. Dies sei auch bei anderen Unternehmen nichts Ungewöhnliches, sagte der Leiter des Tesla-Werks in Grünheide bei Berlin, André Thierig, der Nachrichtenagentur dpa. Die Gewerkschaft IG Metall spricht von einer „abwegigen Aktion“ und wirft Tesla vor, kranke Beschäftigte unter Druck zu setzen.

Rechtswidrig dürfte dies nicht oder jedenfalls nicht immer sein. Vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt gibt es bislang zwar keine Urteile zu Hausbesuchen durch den Arbeitgeber selbst, wohl aber eine gefestigte Rechtsprechung zum Einsatz von Detektiven. Danach dürfen Arbeitgeber krankgeschriebenen Mitarbeitern nachspionieren lassen, wenn es handfeste Hinweise auf einen möglichen Betrug gibt, die sich anders nicht aufklären lassen.

Manchmal müssen Arbeitnehmer sogar Detektivkosten bezahlen

Bereits 1998 hatte das BAG entschieden, dass unberechtigt blaumachende Arbeitnehmer gegebenenfalls sogar die Detektivkosten tragen müssen, wenn sich ein „begründeter Verdacht“ bestätigt. In dem damaligen Fall hatten die Detektive einen angeblich kranken Kraftfahrer in einem Laster eines anderen Fuhrunternehmens erwischt. Obwohl er ohnehin bereits gekündigt hatte, verdonnerte ihn das BAG, die Detektivkosten von 7.000 Mark (3.580 Euro) zu übernehmen. Auf die Verhältnismäßigkeit komme es hier nicht an.

Offen blieb bislang, ob Detektive bei ihren Observationen nur Fotos machen oder sogar auch Videos drehen dürfen. Jedenfalls kann dies die Schmerzensgeldpflicht seitens des Arbeitgebers auslösen, wenn kein ausreichender Verdacht bestand.

Auch wenn ein vermeintlich kranker Arbeitnehmer sich mit Kellnern ein Zubrot verdient, muss er zumindest mit einer Kündigung rechnen. Der häufige Glaube, kranke Arbeitnehmer müssten sich zu Hause aufhalten, ist aber falsch.

IG Metall fordert bessere Arbeitsbedingungen

Im Fall Tesla hilft insofern die Feststellung wenig, dass zahlreiche der besuchten Arbeitnehmer offenbar nicht zu Hause waren. Denn in der Regel dürfen sie ihre Wohnung verlassen. So dürfen sie sich natürlich mit den notwendigen Lebensmitteln versorgen und je nach Krankheit auch einen Spaziergang machen, sofern dies der Genesung nicht schadet. Und dem Arbeitgeber die Tür öffnen müssen sie ohnehin nicht.

Der Autobauer hatte seine Aktion mit hohen Krankenständen bis zu 15 Prozent begründet. Freitags und bei Spätschichten sei die Zahl der Krankmeldungen besonders hoch und bei Festangestellten deutlich höher als bei Leiharbeitnehmern. 200 der 12.000 Beschäftigten würden immer wieder neue Krankmeldungen einreichen, sagte Thierig der dpa. Bei zwei Dutzend davon habe es Hausbesuche gegeben. In der Belegschaft komme dies gut an. Mehrfach habe es Unmut über die häufigen Krankmeldungen von Kolleginnen und Kollegen gegeben.

Die IG Metall dagegen fordert Tesla auf, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die noch Gesunden würden bei Personalmangel mit zusätzlicher Arbeit be- und überlastet, was zu einem Teufelskreis führe. (mwo)

BAG-Urteil vom 19. Februar 2015, Az.: 8 AZR 1007/13 (nur bei handfestem Verdacht, Video offen, Schmerzensgeld vom Arbeitgeber)

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