Vor Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil über Ausgabe von Pentobarbital als Mittel zur Selbsttötung erwartet

Veröffentlicht:

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig will am Dienstag sein Urteil zum Zugang schwerstkranker Menschen zu einem Selbsttötungsmittel verkünden. Die Kläger verlangen vom Staat die Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital. Sie berufen sich auf ihr verfassungsrechtlich zugesichertes Persönlichkeitsrecht, das auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließe.

Politik und Justiz hatten zuvor sehr unterschiedlich auf die Frage des Zugangs zu Selbsttötungsmitteln reagiert. Bereits 2017 hatte dasselbe Bundesverwaltungsgericht das Recht von schwerstkranken Patienten auf einen selbstbestimmten Tod gestärkt. Der Staat dürfe in „extremen Ausnahmefällen“ den Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel nicht verwehren.

BfArM lehnte ab

Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn lehnte jedoch bislang alle Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels ab. Der Staat dürfe nicht über die Vergabe von Tötungsmitteln entscheiden, hieß es. Eingegangen sind bislang 244 Anträge. 166 wurden abgelehnt, 8 zurückgezogen und 34 Verfahren sind noch offen. 36 Verfahren wurden nach Bekanntwerden des Todes der Antragstellerin oder des Antragstellers eingestellt.

Die gegen die Ablehnung erhobenen Klagen wiesen das Verwaltungsgericht Köln im Dezember 2020 und das Oberverwaltungsgericht Münster im Februar 2022 ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster erklärte zur Begründung, das Betäubungsmittelgesetz erlaube nur die Herausgabe von Medikamenten, die eine heilende oder lindernde Wirkung hätten. Ein todbringendes Mittel widerspreche dem Zweck des Gesetzes. Durch dieses Verbot werde auch das „legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention“ geschützt und der staatlichen Schutzpflicht für das Leben entsprochen.

Zugleich betonten die Münsteraner Richter, dass Suizidwillige auch jetzt schon die Möglichkeit hätten, ihr Recht auf Selbsttötung wahrzunehmen. Es gebe Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschrieben und andere Unterstützungshandlungen vornähmen. Auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe seien wieder verfügbar.

Die Kölner Richter hatten das Begehen der Kläger ebenfalls abgelehnt, allerdings deutliche Zweifel daran geäußert, ob ein generelles Erwerbsverbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Auch sei eine Inanspruchnahme von Sterbehilfeorganisationen „nach wie vor problematisch“, da es an einer staatlichen Überwachung fehle und die Tätigkeit intransparent erfolge. Das sei aber zumutbar, bis der Gesetzgeber ein Schutzkonzept für Sterbehilfe und die Verwendung von Betäubungsmitteln vorlege.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt und ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert. Zugleich betonte Karlsruhe, die Politik solle den genauen Rahmen festlegen und Konzepte gegen einen möglichen Missbrauch erarbeiten. Bislang hat der Bundestag noch kein Gesetz zur Suizidbeihilfe verabschiedet. (KNA)

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend