USA
Vorreiter bei der E-Akte
Die elektronische Patientenakte (E-Akte) für alle ist in Deutschland noch Zukunftsmusik. Für einen großen Teil der Ärzte in den USA gehört sie hingegen bereits zum Praxisalltag. Die Gründe dafür: Zuckerbrot und Peitsche.
Veröffentlicht:BERLIN. Geht es um eine einheitliche Telematikinfrastruktur, ist Deutschland wenig weltmeisterlich. Im Fußballerjargon: Deutschland findet nur schleppend ins Spiel.
Gründe dafür sind der Mangel an Visionen, einer klaren Roadmap und nicht zuletzt mangelnde Akzeptanz unter den Ärzten gegenüber der elektronischen Patientenakte (E-Akte).
Zu diesem Schluss kamen Experten auf einem Workshop des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg) in Berlin. Besser machen es die USA, die offensiv zu Werke gehen.
Innerhalb von sechs Jahren ist es den US-Amerikanern gelungen, den Anteil der Ärzte, die die E-Akte tatsächlich aktiv nutzen, von 1,7 (2008) auf 65 Prozent (2014) zu steigern, wie eine aktuelle Rechnung der für den Umstieg auf die E-Akte zuständigen US-Bundesstelle CMS (Centers for Medicare and Medicaid Services) zeigt.
Gegenwind von Freier Ärzteschaft
Diese Ärzte nutzen die Möglichkeiten der elektronischen Akte nicht nur für praxisinterne Aufgaben. Sie tauschen bereits medizinische Daten mit von Patienten autorisierten Instanzen aus oder geben Patienten auf deren Wunsch sogar eine elektronische Kopie ihrer Akte.
Hierzulande verfügen die Ärzte über die IT - nutzen sie aber noch nicht zur Arbeit an der E-Akte über Landes- und Sektorengrenzen hinaus. Ausnahmen bilden einige wenige Leuchtturmprojekte etwa von einzelnen Praxisnetzen. Eine einheitliche bundesweite Telematikinfrastruktur fehlt.
Der politische Diskurs wird geführt, die Umsetzung erfolgt in kleinen Schritten: 2015 geht die Telematikinfrastruktur in den Testbetrieb, erste nationale medizinische Anwendungen sind nach Informationen der gematik für 2020 zu erwarten. Wobei es immer wieder Gegenwind gibt, wie etwa von der Freien Ärzteschaft.
Wer im Vergleich dazu in den USA die e-Akte nicht aktiv als Arzt nutzt, muss mit Geldeinbußen rechnen. Zum einen dadurch, dass der Praxis Fördermittel entgehen.
Die erhält, wer durch Regierungsbehörden zertifizierte Software für die Arbeit nach klar definierten Qualitätskriterien nutzt (insgesamt bis zu 44.000 US-Dollar).
Zum anderen dadurch das denen, die sich verweigern, Sanktionen auferlegt werden - etwa drei Prozent weniger Honorar bei der Abrechnung von Behandlungsleistungen.
Für Experten ist ein fehlendes Anreizsystem jedoch nicht der einzige Grund, warum Deutschland nur schleppend ins Spiel kommt.
"Die Deutschen wollen Perfektion, fokussieren sich auf Details und vergessen darüber oft das große Ziel", sagt Dr. Doug Fridsma, der als federführender Architekt des US-Gesundheitsministeriums die Entwicklung und Umsetzung der nationalen e-Health Strategie der Telematikinfrastruktur verantwortet.
Das ist für ihn eine besser versorgte Bevölkerung unter anderm durch den Einsatz von Gesundheits-IT. In den Staaten werden Lösungen Stück für Stück geschaffen, gibt es Probleme wird nachjustiert. Für Fridsma zählt die Devise: "Lass Perfektion nicht zum Feind des Guten werden."
Mehr Miteinander gefordert
Ginge es nach ihm, sollte die Regierung hierzulande stärker darauf hinarbeiten, aus den mannigfaltigen Interesseninhabern eine arbeitsfähige Gemeinschaft zu bilden und diese zu managen. Durch deren Wirken könnten dann verbindliche Standards für die Telematikinfrastruktur festgelegt und fortentwickelt werden.
Die Gemeinschaft - bestehend etwa aus Ärzten, Industrie und Kostenträgern - sollte dabei als nationale Plattform in alle Prozesse eingebunden sein, damit ein lernendes System entsteht.
Dabei wäre es für Fridsma ein erster wichtiger Erfolg in der Arbeit an der Telematik, "wenn wir aufhören über Standards zu reden und anfangen darüber zu reden, wie wir verhindern das Oma ins Krankenhaus muss."
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Vorsprung durch Technik