GKV-Ausgaben
WIdO: Innovationen immer teurer
Die AOK warnt vor ungebremster Preisdynamik im patentgeschützten Arzneimittelmarkt. Die Hersteller sehen die Sache ganz anders.
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Die Arzneimittelausgaben der GKV steigen – ob „im Rahmen“ oder „ausufernd“ ist auch eine Frage der Perspektive.
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Berlin. Alle Jahre wieder ist die Innovationskomponente Gegenstand der Kritik. So einmal mehr im jüngst erschienenen Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zum Arzneimittelmarkt der gesetzlichen Krankenversicherung 2019.
Danach sind die Nettoausgaben der gesetzlichen Kostenträger für Arzneimittel um 6,0 Prozent auf 43,9 Milliarden Euro gestiegen; als Nettokosten definiert das WIdO die GKV-Ausgaben für Fertig- und Rezepturarzneimittel abzüglich gesetzlicher Abschläge der Hersteller und Apotheken. Selektivvertraglich vereinbarte Rabatte sind davon noch nicht abgezogen. Diese summierten sich 2019 laut WIdO auf 4,96 Milliarden Euro.
Das Ausgabenwachstum 2019 sei insbesondere auf den „Trend zu hochpreisigen Arzneimitteln“ zurückzuführen, also auf neue, patentgeschützte Präparate. Die Verordnungsmenge hingegen habe nur geringfügig um 1,1 Prozent zugelegt. Mit durchschnittlich 63,55 Euro habe eine Verordnung die Kassen im vorigen Jahr 4,9 Prozent mehr gekostet.
„Neuer Höchststand“
Das WIdO nimmt die aktuellen Marktzahlen zum Anlass, auf „die Entwicklung hin zu immer teureren Patentarzneimitteln“, hinzuweisen. So hätten die GKV-Ausgaben für patentgeschützte Produkte mit 21 Milliarden Euro zuletzt „einen neuen Höchststand“ erreicht.
Das sei nahezu die Hälfte der gesamten Medikamentenausgaben, womit, gemessen nach Tagesdosen (DDD), aber nur 6,5 Prozent der Versorgung gedeckt würden. Vor zehn Jahren konnten mit patentgeschützten Arzneimitteln laut WIdO „immerhin noch 11,8 Prozent der Tagesdosen mit 43,8 Prozent der Nettokosten erreicht werden“.
„Im patentgeschützten Markt werden immer höhere Preise für Arzneimittel zur Versorgung von immer weniger Patientinnen und Patienten aufgerufen. Diese Marktentwicklung ist besorgniserregend“, warnt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, und fordert Berlin zu neuen Kostendämpfungsmaßnahmen auf.
„Der Gesetzgeber sollte angesichts der aktuellen Preisgestaltung der Pharmaindustrie im Patentsegment darüber nachdenken, wie Arzneimittel auch künftig für alle bezahlbar bleiben können.“
Äpfel mit Birnen?
Für die Industrie ließen die Herstellerverbände BPI und vfa umgehend Gegenäußerungen folgen. Wie ein vfa-Sprecher erklärte, habe das BMG „ein neues Buchungskonto im Arzneimittel-Bereich eingeführt, so dass Arzneimittelausgaben aus anderen Konten in das neue Konto ‚zugewandert‘ sind“.
Daher sei ein Vergleich der Arzneimittelausgaben 2019 mit 2018 „in der Form, wie ihn das WIDO macht, irreführend“. Richtig sei vielmehr, „dass in den letzten zehn Jahren die Arzneimittelausgaben nur um durchschnittlich 3,1 Prozent pro Jahr gestiegen sind.“
Der BPI kontert den WIdO-Bericht mit dem Hinweis, dass die GKV-Arzneimittelausgaben „seit Jahren konstant bei rund einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen“. Verbandsgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen: „Eine Kostenexplosion gibt es nicht. Im Übrigen sei daran erinnert, dass die Erstattungspreise für Innovationen mit den gesetzlichen Krankenkassen verhandelt werden.“
Das Beispiel etwa der Pharma-Erfolge gegen Hepatitis C zeige, dass durch innovative Therapien Versorgungskosten an anderer Stelle entfielen. (cw)