Medizinstudium

Wartezeitverkürzung? Lasst Euch nicht anschmieren!

Manch privater Anbieter lockt potenzielle Medizinstudenten, mit speziellen Programmen die Wartezeit auf den Studienantritt zu verkürzen. Doch das ist Bauernfängerei, warnt Blogger Philipp Humbsch.

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Viele Wegen führen ins Studium – eine Wartezeitverkürzung bei Medizin gibt es aber nicht, so unser Blogger.

Viele Wegen führen ins Studium – eine Wartezeitverkürzung bei Medizin gibt es aber nicht, so unser Blogger.

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Die Wartezeit für das Medizinstudium betrug zum diesjährigen Sommersemester tatsächlich bis zu siebeneinhalb Jahre! Es gibt freie Stellen für Ärzte im ganzen Bundesgebiet, es liegt also nicht daran, dass wir keine neuen Ärzte brauchen.

Philipp Humbsch

Wartezeitverkürzung? Lasst Euch nicht anschmieren!

© privat

Der Medizinstudent, Jahrgang 1991, pendelt für sein Studium jeden Tag 200 Kilometer von Frankfurt (Oder) nach Berlin und zurück.

Er arbeitet im Rettungsdienst im Landkreis Oder-Spree und außerdem als Sprechstundenhilfe bei einem Hausarzt.

 

Viel mehr sparen wir uns die teure Ausbildung und kaufen uns die Mediziner im Ausland ein. Oder wir zwingen Studienwillige zum teuren Studium im Ausland – denn ganz gleich, ob private oder staatliche Unis in Polen, Ungarn oder sonst wo – bezahlen müssen die ausländischen Medizinstudenten (anders als in Deutschland) dort immer.

Ebenso finden sich mittlerweile immer mehr private Anbieter, die mit der staatlich verschuldeten Mangelwirtschaft Geschäfte machen – wie mancher Limonandenhersteller. Oder aber nicht mehr mit einer Kurskorrektur der Kultusminister in den Ländern rechnen und die Studenten gleich an den Kosten beteiligen.

Was genau so viele an dem Wunschberuf Arzt reizt, ist sicherlich ganz unterschiedlich. Aber mal abgesehen von Prestige und sicherem Einkommen sind auch viele dabei, die tatsächlich aus Idealen heraus studieren wollen.

Leider gibt es für menschliches Denken und ethisches Handeln keine guten Noten im Abitur, und obwohl jeder, der Arzt werden will, solche Eigenschaften mitbringen sollte – relevant für das Auswahlverfahren der Hochschulen waren diese bisher meistens nicht.

Fortschritt? Das kann dauern!

Der Masterplan Medizinstudium 2020 sieht so eine Möglichkeit zwar vor, aber da sich für das nächste Jahr erst einmal eine Kommission mit den Kosten der Reform auseinandersetzt, wäre die Erwartung zeitnaher Änderungen wahrscheinlich voreilig.

Viele Universitäten haben Auswahlgespräche in den letzten Jahren sogar abgeschafft. Das war klar eine Fehlentwicklung, denn da wo man die – aufwendigen – Auswahlgespräche durchführt, kann man sehr wohl durch soziales Engagement punkten, sagt zumindest der Studiendekan in Münster. Anders hätte ich meinen Studienplatz in Berlin selbst nie bekommen, oder aber erst nach vielen Jahren.

Die meisten Universitäten setzen lieber auf standardisierte Tests, die blankes Wissen abfragen und kein soziales Denken, keine Empathie oder irgendeine Art von menschlicher Eignung. Diese Jahrzehnte andauernde Fehlentwicklung im Bildungssystem führt für jene ohne überdurchschnittliche Noten oder überdurchschnittliches Einkommen der Eltern zu vielen Hürden auf dem Weg zum Wunschberuf.

Das ist die eine Seite. Dass wir durch diese Prozedere nach fragwürdigen Kriterien eine kritikwürdige Auslese unserer zukünftigen Ärzteschaft forcieren, sollte zumindest zum Nachdenken anregen.

Skrupellosigkeit lässt grüßen

Was aber wirklich "perfide" ist – wie ein Studiendekan das Geschäftsmodell beschrieb – ist, dass wir viele Studienwillige jedes Jahr in die Arme privater Anbieter treiben, die denen dann die Taschen voll lügen.

Das ist schließlich die andere Seite. "Verkürze deine Wartezeit, von Universitäten anerkannt" – gib uns 5000 Euro, und vielleicht studierst du schon in einem Jahr. Das passiert, wenn Skrupellosigkeit auf eine Marktlücke trifft.

Für viele, für die die Wartezeit unerträglich lang wird, die darauf brennen, endlich zu studieren, aber an den Realitäten der Studienplatzvergabe scheitern, ist wahrscheinlich jeder noch so dünne Strohhalm ein Rettungsseil. Sie wollen jenen Raubrittern glauben schenken, die scheinbar einen Weg aus der Wartezeitenhölle weisen.

Aber lasst Euch nicht anschmieren! Die Wartezeit lässt sich seit zehn Jahren nicht mehr verkürzen, Stichtag für das Abitur ist hier der 15. Juli 2007 – nicht mal in Deutschland müsste man so lange warten, weshalb diese Möglichkeit für keinen, der aktuell studieren will, eine praktische Relevanz bringt.

Das sagt nicht nur die Stiftung Hochschulzulassung, aber die erklärt das jedem, der fragt, gern ausführlich. Damals ging das auch nur über eine vor dem Abitur absolvierte Berufsausbildung, ein sinnvoller Bonus für den zweiten Bildungsweg sozusagen.

Vorsemester, egal von welcher Firma, interessieren die Stiftung Hochschulzulassung nicht, nicht den HAM-Nat Test, und eben auch keine deutsche Auswahlkommission. Die Unis, die solche Vorsemester überhaupt nur anerkennen, sind keine deutschen, und das Studium bei diesen betreffenden Unis ist auch nicht billig, und im übrigen bei den meisten ausländischen Anbietern sehr wohl auch ohne ein Vorsemester möglich.

Masterplan – ein Schuss ins Klo

Es wird Zeit – und nun wird's wirklich redundant – das wir endlich zu einer fairen Bildungspolitik zurückkehren. Die 2020-Reform war ein Schuss ins Klo, besonders wegen der fehlenden Finanzierung. Es fehlt nach wie vor am Geld im Bildungssystem, und ohne zusätzliches Geld gibt es keine neuen Studienplätze.

Die Dummen sind jene, die auf dem flachen Land oder kleineren Städten leben und einen Arzt suchen. Aber auch jene, die gerne studieren würden, wenn sie nur könnten, aber einfach nicht die abstrakten Kriterien erfüllen.

Vielleicht sollte man vor der Verdopplung des Wehretats nach NATO-Vorgaben auch mal andere Stellen abklopfen, vielleicht findet man ja ein paar morsche Brücken, undichte Schuldächer – und: leere Arztpraxen.

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