Medizinstudium

Warum Sachsen den Hausarzt-Nachwuchs nach Ungarn schickt

20 Studenten zahlt die KV Sachsen pro Jahrgang ein Medizinstudium an der Universität Pécs in Ungarn. Die 22 Jahre alte Krystin Mielke ist eine von ihnen. Ein Einblick in ihr Leben im östlichen Nachbarland.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Medizinstudentin Krystin Mielke will gerne Hausärztin werden.

Medizinstudentin Krystin Mielke will gerne Hausärztin werden.

© Privat

Pécs. Krystin Mielke hatte ihr Abitur vor drei Jahren mit einem sehr guten Einser-Schnitt abgelegt: 1,5. Dennoch sah sie zunächst keine Möglichkeit, unmittelbar nach der Schulzeit mit einem Medizinstudium starten zu können. „Mit meiner Abiturnote hatte ich in Deutschland eigentlich keine Chance, direkt nach dem Abitur anfangen zu können“, erinnert sie sich. Sie hatte sich schon damit abgefunden, in der Wartezeit auf einen Studienplatz zunächst eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin zu beginnen.

Doch dann sahen ihre Eltern im Internet Informationen über das Programm der KV Sachsen, bei dem 20 Studenten pro Jahrgang im ungarischen Pécs studieren können – und die KV die Studiengebühren übernimmt. Mielkes Großeltern lasen zusätzlich in der Zeitung davon und ermunterten zusammen mit den Eltern die damalige Gymnasiastin aus der Nähe von Annaberg-Buchholz im Erzgebirge dazu, sich auf das Programm zu bewerben.

Sie hatte damit Erfolg, wurde von der KV ausgewählt und konnte ihr Studium direkt nach dem Abitur in Pécs beginnen, ohne Wartezeit und ohne Überbrückung durch eine vorherige Ausbildung. Inzwischen ist sie 22 Jahre alt, hat die Hälfte ihres Studiums hinter sich und wird es voraussichtlich 2021 abgeschlossen haben.

Unterricht auf Deutsch

Die Unterrichtssprache ist deutsch, die Studiengebühren liegen laut der Internet-Seite der Universität Pécs bei knapp 15.000 Euro pro Jahr – die nicht Mielke zahlen muss, sondern die KV nach Ungarn überweist. Die Gelder stammen aus dem Strukturfonds zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in Sachsen, der je zur Hälfte von der KV und den Krankenkassen in Sachsen getragen wird.

Das Studium ist „natürlich auch hier sehr anspruchsvoll“, sagt Mielke, „aber es wird versucht, mit vielen Übungen in der Praxis und zahlreichen Patientenkontakten das theoretisch Gelernte bei selbst durchgeführten Untersuchungen anzuwenden, um so die verschiedensten Fachrichtungen kennenzulernen“.

In Pécs, einer Stadt mit rund 150.000 Einwohnern im Süden Ungarns nahe der kroatischen Grenze, gefällt es ihr gut – „außer zu den Prüfungszeiten“, wie sie ergänzt, „aber das geht wohl jedem Studenten so“. Es gebe eine schöne Altstadt, einige schöne Restaurants und in der Nähe einen Badesee.

Dennoch bedauert sie „es schon etwas, nicht in Deutschland studieren zu können“. Es sei schade, „über eine so große Entfernung die meiste Zeit des Jahres von meiner Familie und Freunden zu Hause getrennt zu sein und in schönen Momenten wie an Geburtstagen oder Ähnlichem nicht dabei sein zu können“ sagt sie und ergänzt: „Oder die Vorweihnachtszeit und Weihnachten ohne Prüfungsstress genießen zu können.“

Patenpraxis in der Heimat

Zu dem Programm der KV, mit dem das Studium in Pécs finanziert wird, gehört auch, dass die Studenten eine Patenpraxis in Sachsen haben, bei der sie jährlich zwölf Tage hospitieren. Bei Mielke ist es die Praxis des MVZ der Kliniken Erlabrunn in Sosa im Erzgebirge. Die Hausarztpraxis in der 2000-Einwohner-Gemeinde wird von Medizinerin Heike Stepponat geleitet. Dort gefällt es Mielke sehr gut. „Ich bekomme so einen guten Einblick in die Aufgaben, die ein Hausarzt hat und kann den Umgang mit den ver-schiedensten Patienten beobachten und auch selbst üben“, erläutert die Studentin. „Es ist wirklich schön zu hören, wie die Patienten sich freuen, wenn man ihnen sagt, dass man Hausarzt werden möchte.“

Denn mit dem Programm, das es seit 2013 gibt, will die KV den Mangel an Hausärzten in ländlichen Regionen Sachsens mindern. Die Studenten müssen sich verpflichten, sich nach dem Studium in Pécs in Sachsen zum Allgemeinmediziner weiterbilden zu lassen und danach mindestens fünf Jahre als Hausarzt auf dem Land in Sachsen zu arbeiten. Dafür übernimmt die KV für sechs Jahre die Studiengebühren in Pécs, solange dauert die Regelstudienzeit.

KV-Chef Dr. Klaus Heckemann erinnerte auf der Vertreterversammlung daran, dass „unsere Forderung nach Erweiterung der Anzahl der Medizinstudienplätze in Deutschland als eine wesentliche Maßnahme zur Reduzierung des Ärztemangels lange ungehört blieb, weshalb wir uns zu diesem Modellprojekt veranlasst fühlten“. Er fügte an, dass „wir hier aber ganz bewusst einen Stein ins Wasser geworfen haben, und die verursachten Wellen haben schon eine Wirkung gezeigt.

Mehr Studienplätze in Deutschland sind mittlerweile kein No-Go mehr, und vielleicht haben wir daran auch einen kleinen Anteil.“ Das Projekt der KV hat somit zwei Ziele: Den Mangel an Hausärzten auf dem Land in Sachsen zu verringern und den Druck auf Gesundheitspolitiker zu erhöhen, dass es mehr Studienplätze in Deutschland für Medizin gibt.

Wunsch nach Landleben

Mielke will gern Hausärztin werden, „weil es mich freut, Menschen nicht nur für eine kurze Zeit im Krankenhaus zu betreuen, sondern für eine lange Zeit und möglicherweise das ganze Leben – und auch nicht nur jeden Patienten einzeln, sondern auch oft die ganze Familie“. Sie findet, dadurch habe sie „eine viel persönlichere Beziehung zu den Patienten als im Krankenhaus und das erleichtert es Patienten, über alles zu sprechen“.

Außerdem möchte sie „gerne Hausärztin auf dem Land werden, da ich hier aufgewachsen bin und gerne auf dem Land wohnen und arbeiten möchte“, wie sie sagt: „Dort genieße ich die ruhige Umgebung und die Möglichkeit, viel in der Natur zu sein.“

Für ihre Weiterbildung zur Allgemeinärztin hat sie sich schon die Kliniken Erlabrunn ausgesucht, danach will sie zunächst entweder in einem MVZ oder einer Gemeinschaftspraxis arbeiten, „um mit allen Abläufen vertraut zu werden und an Sicherheit zu gewinnen – und auf jeden Fall in der Region bleiben“.

Medizinstudium in Pécs

  • Die KV Sachsen bietet Studienwilligen die Möglichkeit, im ungarischen Pécs Medizin zu studieren – ohne Wartezeit und mit einem Abischnitt von bis zu 2,6. KV und Krankenkassen zahlen die Studiengebühren.
  • Im Gegenzug verpflichten sich die künftigen Studierenden, ihre fachärztliche Weiterbildung in Sachsen zu absolvieren und anschließend fünf Jahre als Hausarzt in Sachsen tätig zu sein.
  • Das Studium wird in Ungarn in deutscher Sprache absolviert und dauert zwölf Semester. Der Abschluss wird in Deutschland „eins zu eins anerkannt“.
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gastbeitrag

Österreich bleibt für deutsche Medizinstudierende attraktiv

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Porträt

Felix Michl: Unternehmer, Jurist und Medizinstudent

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Lesetipps
Arzt injiziert einem älteren männlichen Patienten in der Klinik eine Influenza-Impfung.

© InsideCreativeHouse / stock.adobe.com

Verbesserter Herzschutz

Influenza-Impfraten erhöhen: So geht’s!