Anlagen-Kolumne
Wenn in China ein Sack Reis umfällt
Anleger sollten stets die Entwicklungen im Land der Mitte im Auge haben. Schwächelnde Kurse bieten gute Gelegenheit zum Einstieg.
Veröffentlicht:Einst schien China so unbedeutend, dass ein umgefallener Reissack im Land zur Metapher geriet: Es interessierte nirgendwo auf der Welt, was in der 1,4 Milliarden Einwohner zählenden Volksrepublik geschah. Das ist inzwischen anders, wie die Börsen zu Beginn dieser Woche gezeigt haben.
Der deutsche Leitindex Dax brach am Montag zeitweise um mehr als 2,2 Prozent ein. Unter Druck gerieten auch die Aktienmärkte im übrigen Europa und den USA. All dies, weil das kommunistisch regierte, aber kapitalistisch ausgerichtete China seine Wirtschaftspolitik reformiert. Staatspräsident Xi Jinping hat die Initiative „Gemeinsamer Wohlstand“ ausgerufen.
Alle Chinesen sollen künftig stärker am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben. Der kann sich sehen lassen: Das Bruttoinlandsprodukt, die Summe aller gefertigten Waren und erbrachten Dienstleistungen, soll sich dieses Jahr nach der Prognose des Internationalen Währungsfonds auf 26.656,8 Milliarden US-Dollar belaufen, damit wäre China die größte Wirtschaftsnation der Welt. Xi will nun Vermögende stärker besteuern, um höhere Sozialleistungen für Geringverdiener zu finanzieren.
Sorge vor höheren Steuern
Das sorgt für Unsicherheit, wie das Beispiel Evergrande zeigt. Der zweitgrößte Immobilienkonzern des Landes hat zuletzt weit weniger neu errichtete Eigentumswohnungen verkauft als erwartet. Denn Familien mit überdurchschnittlichen Einkommen haben aus Sorge vor höheren Steuerzahlungen Immobilienkäufe aufgeschoben. Evergrandes Aktienkurs brach daraufhin massiv ein.
Die Sorge vor höheren Steuern könnte auch den Absatz von BMW und Daimler drücken, die in China den Markt der Luxusmobile dominieren. Diese Gemengelage ließ nun die westlichen Börsen beben, nachdem im Fernost-Staat die Aktienmärkte bereits in der Vorwoche auf Talfahrt gegangen waren.
Die Geschehnisse zeigen, dass Anleger China nicht länger ignorieren können. Und sie werfen die Frage auf, ob private Investoren nicht gut beraten sind, einen Teil ihres Geldes über China-Fonds langfristig in Aktien dortiger Unternehmen zu investieren. Peking will stabiles Wachstum und hat schwächelnde Konzerne immer gestützt. Der Rückschlag an Chinas Börsen kann eine gute Einstiegsgelegenheit sein.
Richard Haimann ist freier Wirtschaftsjournalist in Hamburg. Er schreibt über Finanzthemen für in- und ausländische Publikationen.