vdek kritisiert Ärzte

Werden IGeL zu aggressiv beworben?

Der Verband der Ersatzkassen prangert unhaltbare Zustände beim Vermarkten von Leistungen jenseits des GKV-Leistungskataloges an. Die Datenbasis ist fragwürdig.

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Den Igel finden alle putzig, doch an IGeL scheiden sich die Geister.

Den Igel finden alle putzig, doch an IGeL scheiden sich die Geister.

© April Cat / fotolia.com

BERLIN. Im Vorfeld es 116. Deutschen Ärztetages in Hannover weist der Verband der Ersatzkassen (vdek) auf weiterhin angeblich unhaltbare Zustände in deutschen Vertragsarztpraxen hin, wenn es um Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) geht.

"Leider beschweren sich immer mehr Patienten darüber, dass ihnen in der Arztpraxis IGeL, manchmal auch mit aggressiven Methoden, angeboten werden", zitierte die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer Montags-Ausgabe vdek-Chefin Ulrike Elsner.

Wie die Zeitung weiter ausführt, beruft sich der vdek auf Auswertungen seines "Arztlotsen" im Web.

Bei dem haben sich Patienten zwischen August 2011 und März 2013 in 15.012 Fällen mittels Freitextbemerkungen zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Selbstzahler-Angeboten in Vertragsarztpraxen geäußert. Insgesamt gab es 160.000 Einträge.

IGeL ist vdek offenbar Dorn im Auge

Wie Recherchen der "Ärzte Zeitung" beim vdek ergaben, basiert die mediale IGeL-Tirade auf der Auswertung der Freitexte nach Stichworten, wie zum Beispiel "Privat" (1661 Nennungen), "Kosten" (667), "Geld" (612) oder "Rechnung" (418).

Dass dem vdek wie auch der Tageszeitung privat zu zahlende Angebote anscheinend ein Dorn im Auge sind, ergibt sich nicht nur aus dem Tenor der Berichterstattung: "Zugleich werden viele Ärzte gelobt, weil sie keine Selbstzahlerleistungen an den Patient zu bringen versuchen."

Komplementiert wird diese Textpassage mit einem radikalen Schlusszitat der vdek-Chefin Elsner: "Wir brauchen keine IGeL-Leistungen." (maw)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wie ein Stehaufmännchen

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Kommentare
Patric Gremmel-Rohwer 30.05.201309:31 Uhr

IGeL: In 2012 wurde jedem vierten Patienten eine Zusatzbehandlung empfohlen

Nach einer aktuellen und repräsentativen Forsa-Umfrage, die im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit durchgeführt wurde, sind im Jahr 2012 26 Prozent aller Patienten ein- oder mehrmals sog. IGeL-Leistungen von ihrem Arzt empfohlen worden. Dabei erhielten deutlich weniger Männer als Frauen diese Empfehlungen.
Laut der Forsa-Umfrage lehnten zwar 31 Prozent die empfohlene IGeL-Leistung ab, weil sie den medizinischen Nutzen in den meisten Fällen nicht erkannt hatten.
Die Umfrage belegt aber auch, dass eine große Mehrheit der Patienten (immerhin 84 Prozent) sehr damit zufrieden ist, wie sie ihr Arzt über die Art der Behandlung aufklärt und sie in die Entscheidung über die Behandlungsmethode einbindet.

Dr. Thomas Georg Schätzler 28.05.201316:32 Uhr

Von populistischer IGeL-Kritik zur Fata Morgana der Heilkunde-Erlaubnis

Der Artikel in der "WELT" vom 27.5.2013 lautet im Original wie folgt:

"Über 350 Zusatzleistungen soll es geben. Die IGeL-Einnahmen werden auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr geschätzt. Die Palette reicht von der Glaukomfrüherkennungsuntersuchung (Grüner Star) über Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und Krebsfrüherkennung bis zur Schönheitsoperation für einige 1000 Euro. Die medizinische Notwendigkeit solcher Extraleistungen ist nicht nachgewiesen und so fehlen sie im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. "Wir brauchen keine IGeL-Leistungen", sagte vdek-Chefin Elsner der "Welt". "Alles, was medizinisch notwendig ist, wird auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt." (Zitat Ende)

Da fragt man doch, wo sich so manche Medizin-Bildungs-fernen Schichten ihre Meinung BILDen? Denn mittlerweile wissen ja bereits Minderjährige, die sich eine ''Mamma-Augmentation'' oder einen ''Waschbrettbauch'' mittels Liposuktion zum 18. Geburtstag wünschen könnten, aus ihren Bio- und WISO-Leistungskursen, dass für "Schönheitsoperationen" per definitionem keine "medizinische Notwendigkeit" besteht. Und sie sind auch k e i n e IGeL-, sondern p r i m ä r privat-ärztliche Leistungen. Auch die Privaten Krankenversicherungen (PKV) schließen derartige Leistungen satzungsgemäß aus.

Der ziemlich unbedarfte Satz der vdek-Chefin und Juristin Ulrike Elsner, zugleich ehrenamtliche Richterin am Bundessozialgericht, "Wir brauchen keine IGeL-Leistungen". Alles, was medizinisch notwendig ist, wird auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt", belegt ihre krasse Unkenntnis der Leistungsausschlüsse und -einschränkungen des Fünften Sozialgesetzbuches. Zusätzlich sind den meisten Experten/-innen im Sozialrecht auch die umstrittenen Restriktionen des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) bekannt.

Aber auch die EBM-Leistungsinhalte wurden z. T. auf ein erbärmliches Niveau zusammengestrichen: Die Gesundheitsvorsorgeuntersuchung (GESU), schon in ihrer alten Fassung als Ziffer 160 und jetzigen EBM-Nr. 01720, umfasst nur lächerliche zwei Laborparameter Glucose und Gesamtcholesterin plus einem Urinstatus. GGT zum Ausschluss von Leberschäden, KREA zur Nierenfunktionskontrolle, TSH für die Schilddrüse und ein Blutbild, um vom Eisenmangel bis zu Tumorerkrankungen des lymphoretikulären Systems alles sicher ausschließen zu können, f e h l e n. Das früher fakultative EKG fiel dem Rotstift zum Opfer. Von einer Lungenfunktionsprüfung war niemals die Rede.

Alle genannten, zusätzlich sinnvollen Untersuchungsmaßnahmen sind im Rahmen der GESU r e i n e IGeL-Leistungen, die in anderen Zusammenhängen durchaus "medizinisch notwendig" sein könnten und budgetiert "bezahlt" würden. Aber für viele Juristinnen und Juristen, die genauso fernab der ''gesetzlichen Heilkunde-Erlaubnis'' stehen, wie die seit 2012 agierende neue vdek-Vorsitzende, bleiben medizinische Qualifikation, kritische klinische Urteilskraft und ärztliche Kompetenz bzw. zielführende Kooperation mit dem Patienten eine unerreichbare ''Fata Morgana''! Unseriöse, potenziell schädliche und kriminelle IGeL-Praktiken natürlich ausgenommen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Patric Gremmel-Rohwer 28.05.201309:13 Uhr

Es ist Ärztetag und jeder möchte etwas sagen!

So auch mal wieder der vdek. Dieser wird offebar nicht müde, IGeL-Leistungen zu verteufeln. Also die Leistungen, die für den Patienten durchaus sinnvoll und geboten sein können, es aber aus welchen Gründen auch immer, nicht in das Leistungsportfolio der GKV geschafft haben. Stellt sich mit unter die Frage, warum sie es nicht geschafft haben? Hier hilft ein Blick ins SGB V § 2 Abs. 4 Leistungen "Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden." Wirtschaftlich und NUR im notwendigen Umfang! Zwischen notwendig und sinnvoll bzw. angebracht, klaffen oft Welten. Der vdek will also mal wieder, frei nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung", davon ablenken, dass es der G-BA versäumt oder schlicht unterlässt, sinnvolle Leistungen in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen. Ich denke allerdings, die meisten Patienten haben den Braten längst gerochen und wissen, dass die Buhmänner und -Frauen nicht die Ärztinnen und Ärzte sind, sondern ihre Krankenkasse, die ihnen gebotene Leistungen schlichtweg versagt.

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