Start ins Neue Jahr

2017 kann's mit den guten Vorsätzen klappen – dank SMART

"Jetzt soll's wirklich anders werden!", nehmen sich viele Bundesbürger zum Jahreswechsel vor: Mehr Sport, gesünderes Essen, weg mit den Zigaretten. Wäre da bloß nicht der Innere Schweinehund!

Dr. Marlinde LehmannVon Dr. Marlinde Lehmann Veröffentlicht:

REGENSBURG / KÖLN. Wie jedes Jahr starten auch jetzt wieder viele Menschen mit guten Vorsätzen ins Neue Jahr. Lieb gewonnene Dinge wie die Schokolade als Betthupferl sollen – der Gesundheit wegen – vom Tagesplan gestrichen werden, ewig Hinausgeschobenes wie das Aufräumen des verstaubten Dachbodens soll endlich in Angriff genommen werden.

Ja, das eigene Verhalten muss geändert werden, und zwar im Falle der Schokolade das Verhalten, sich dieser zu nähern, oder im Fall des staubigen Dachbodens das Verhalten, diesen zu meiden! Psychologen sprechen hier von Änderungen des Annäherungsverhaltens und des Vermeidungsverhaltens.

Was fällt leichter?

Was fällt leichter? Der Verzicht auf die Schokolade oder die Überwindung, mit Putzeimer und Müllsack auf den Dachboden zu gehen?

Nach einer neuen Studie von Psychologen aus Regensburg werden auf Basis dieser beiden Vorsätze – Schokolade und Dachboden – im kommenden Jahr in Deutschland wohl viele Dachböden gereinigt werden, bei der Schokolade wird öfters der Innere Schweinehund siegen. Denn Vermeidungsgewohnheiten lassen sich danach leichter verändern als Annäherungsgewohnheiten (Journal of Experimental Psychology: General, 145, 1438–1447).

Zwei Experimente zu Annäherungs- und Vermeidungsverhalten

In der erwähnten Studie geht es natürlich nicht um Schokolade und Dachböden. Christof Kuhbandner, Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg, hatte gemeinsam mit seiner Kollegin Julia Haager folgende Idee: In zwei Experimenten sollte das Entstehen und anschließende Verändern von Gewohnheiten bei Annäherungs- und Vermeidungsverhalten untersucht werden.

Ihre Studie wird in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie so beschrieben: Versuchspersonen sahen vor sich auf einem Bildschirm zum einen eine kleine Figur (die die Versuchspersonen selbst repräsentieren sollte) und zum anderen das Foto eines bestimmten Objekts. Ihre Aufgabe war, sich – also die Figur – über entsprechende Tasten auf der Computertastatur zu manchen Objekten hinzubewegen und von anderen Objekten wegzubewegen.

Ein freundliches oder wütendes Gegenüber

Im ersten Experiment wurden dabei Fotos von Alltagsobjekten gezeigt, etwa von Möbelstücken, im zweiten Experiment Fotos von Personen, die entweder freundlich oder wütend dreinschauten.

Die Versuchspersonen trainierten nun zunächst in einer ersten Phase, sich wiederholt bestimmten Objekten oder Personen anzunähern oder aber diese zu vermeiden, bis eine starke Verhaltensgewohnheit geformt war. In einer zweiten Phase sollten sie dann genau diese Verhaltensgewohnheit verändern. Anstatt mit Annäherung mussten sie jetzt mit Vermeidung reagieren und umgekehrt.

Mehr Fehler beim Verändern von Annäherungsreaktionen

Das Forscherteam analysierte die Leistung der Versuchspersonen in beiden Phasen des Experiments. Ihre Beobachtung: Beim Verändern von Gewohnheiten wurden deutlich mehr Fehler gemacht, wenn Annäherungsreaktionen verändert werden sollten. Beim Wechsel von Vermeidungs- zu Annäherungsreaktionen hingegen unterliefen den Versuchspersonen insgesamt weniger Fehler.

Es scheint also tatsächlich schwerer zu sein, ab sofort nicht mehr aus Gewohnheit zur Schokolade als Betthupferl zu greifen als endlich den Dachboden von Staub, Spinnweben und Müll zu befreien.

Annäherungsverhalten wird schnell ausgelöst

In der ersten Phase des Gewohnheitserwerbs zeigte sich außerdem, dass selbst nach sehr intensivem Training Annäherungsreaktionen deutlich schneller gezeigt wurden als Vermeidungsreaktionen.

Das Forscherteam sieht hier eine mögliche Erklärung für die Unterschiede in der Leichtigkeit der Gewohnheitsveränderung: da Annäherungsverhalten – wir springen gedanklich wieder zur Schokolade als Betthupferl – offenbar sehr schnell ausgelöst wird, fällt es schwerer, entsprechende Impulse durch gezielte Kontrolle zurückzuhalten.

Der Innere Schweinehund, das Gewohnheitstier

Bleibt die Frage: Sind Vorsätze wie das Verzichten auf die Schokolade als Betthupferl also mehr oder weniger für die Katz, wenn sowieso ständig der Innere Schweinehund knurrt?

Vielleicht nicht ganz, folgt man den Tipps von Professor Katja Mierke, Diplom-Psychologin und Dozentin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius in Köln im Wissenschaftsblog adhibeo.de.

Mierke hat Verständnis, warum das Durchhalten bei lockender leckerer Schokolade so schwierig ist, wenn der Innere Schweinhund drängt: "In Ihnen wohnen nicht nur Sie selbst, sondern auch dieses Gewohnheitstier, das Sie sich gern bildhaft ausmalen dürfen, zum Beispiel als klein, aber zäh, zottelig, irgendwie niedlich, aber auch fies. Und dieses Gewohnheitstier will natürlich keinen Platz machen für Neues, sondern sein Territorium verteidigen", wird sie in einer Mitteilung der Hochschule Fresenius zitiert.

" ,Nie wieder Schokolade' ist nicht besonders realistisch"

Dass man den kleinen zotteligen Gesellen durchaus erfolgreich loswerden kann, dafür liefere die psychologische Forschung zahlreiche Erkenntnisse. So sei die Visualisierung von Zielen ein wichtiges Thema oder auch die smarte Formulierung von Vorsätzen. "Gute Vorsätze sollten nicht allzu radikal verfasst sein, weil sie uns dann dauerhaft zu viel Selbstkontrolle abverlangen, so viel nämlich, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist", erklärt Mierke.

"Nie wieder Schokolade" ende viel eher damit, dass man irgendwann eine Tafel am Stück vernichte und den Vorsatz komplett über Bord werfe. Die bessere Formulierung sei zum Beispiel "pro Tag nicht mehr als einen Riegel". "Gute Ziele, so wissen wir aus der Organisationpsychologie, sind SMART. Das Akronym steht für Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Termingebunden. ,Nie wieder Schokolade' ist für die meisten Menschen nicht besonders realistisch."

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