Asymptomatische Aortenstenose

Plötzlicher Herztod häufiger als gedacht

Eine asymptomatische schwere Aortenstenose ist oft nicht so harmlos, wie es die Leitlinien-Empfehlungen suggerieren mögen. Plötzliche Herztode waren in einer Registerstudie häufiger als gedacht. Manche Patienten könnten von einem frühen Klappeneingriff profitieren.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Stenose der Aortenklappe: In Leitlinien wird bei asymptomatischen Patienten zum „watchful waiting“ geraten.

Stenose der Aortenklappe: In Leitlinien wird bei asymptomatischen Patienten zum „watchful waiting“ geraten.

© Prof. M. Weyand, Uniklinikum Erlangen

KYOTO. Eine höhergradige Aortenstenose sollte nach den Leitlinien erst dann behandelt werden, wenn Beschwerden auftreten, die Auswurffraktion unter 50 Prozent liegt oder die Stenose als "kritisch" einzustufen ist (nach ESC: bei maximaler Flussgeschwindigkeit über der Klappe, Vmax > 5,5 m/s). Bei allen anderen asymptomatischen Patienten wird zu einem sogenannten "watchful waiting" geraten, also zu einem Abwarten bis Beschwerden evident werden.

Diese Empfehlung wird unter Experten aber nicht ganz unkritisch gesehen, da sich immer mehr herauskristallisiert, dass die Prognose der betroffenen Patienten in der Realität oft nicht so gut ist, wie es von den Leitlinien-Verfassern angenommen wurde.

Beispielsweise wird das Risiko für einen plötzlichen Herztod bei beschwerdefreien Patienten als recht gering eingeschätzt; die Inzidenz lag in früheren Untersuchungen bei unter 1 Prozent pro Jahr.

5-Jahres-Inzidenz von 7,2 Prozent

Eine Analyse des japanischen CURRENT-AS-Registers deutet nun allerdings an, dass ein plötzlicher Herztod in der heutigen Zeit auch bei asymptomatischen Patienten gar nicht so selten ist (J Am Heart Assoc 2018; online 18. Mai).

Die kumulative 5-Jahres-Inzidenz betrug hier 7,2 Prozent, was eine jährliche Inzidenz von 1,4 Prozent ergibt. Bei den symptomatischen Patienten lag die kumulative 5-Jahres-Inzidenz für einen plötzlichen Herztod bei 9,2 Prozent (jährliche Inzidenz: 1,8 Prozent).

Nach Ansicht der japanischen Studienautoren um Dr. Tomohiko Taniguchi von der Universität in Kyoto könnte es daher sinnvoll sein, bei manchen Patienten einen frühen operativen oder interventionellen Klappeneingriff anzustreben.

Kriterien für frühes Eingreifen

Folgende Kriterien scheinen nach der aktuellen Registeranalyse für ein solches frühes Eingreifen zu sprechen:

  1. Hämodialyse (Hazard Ratio; HR: 3,63),
  2. Herzinfarkt in der Vorgeschichte (HR: 2,11),
  3. Body Mass-Index (BMI) < 22 kg/m2 (HR: 1,51),
  4. Vmax = 5 m/s (HR: 1,76),
  5. Linksventrikuläre Auswurffraktion < 60 Prozent (HR: 1,52).

Generell gilt bei der Indikationsstellung, das prozedurale Risiko mit den sich dadurch ergebenden potenziellen Vorteilen im Langzeitverlauf aufzuwiegen. Bei Hochrisikopatienten könnte der langfristige Nutzen einer frühen Intervention überwiegen, spekulieren die Studienautoren um Taniguchi. "Watchful waiting" zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes erscheint ihnen hier wenig effektiv.

Klarheit über die optimale Strategie für Patienten mit asymptomatischer Aortenstenose werden allerdings erst die Ergebnisse der noch laufenden EARLY-TAVR-Studie liefern (Evaluation of Transcatheter Aortic Valve Replacement Compared to Surveillance for Patients With Asymptomatic Severe Aortic Stenosis).

Heute sind Patienten deutlich älter

Zwischen 2003 und 2011 wurden in dem CURRENT-AS-Register insgesamt 3815 Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose (definiert als Vmax > 4 m/s, mittlerer Druckgradient > 40 mmHg oder Klappenöffnungsfläche < 1,0 cm2) eingeschlossen; 1808 Studienteilnehmer waren zum damaligen Zeitpunkt beschwerdefrei. Das Durchschnittsalter der Registerpatienten lag bei 78 Jahren und damit höher als in vergangenen Untersuchungen, was den Autoren zufolge das erhöhte Herztodrisiko erklären könnte.

Unklar ist, ob der plötzliche Herztod in allen Fällen der Aortenstenose angelastet werden kann. Darüber hinaus ist die Einteilung in "symptomatisch" und asymptomatisch" gerade bei älteren Patienten oft nicht einfach, da Begleiterkrankungen die herzspezifischen Beschwerden wie Angina und Dyspnoe verschleiern können.

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