Prävention
Mit Polypille weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle
Die Polypille kann offenbar das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen mindern. In der bisher größten, randomisierten Studie senkte das Kombinationspräparat die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse deutlich.
Veröffentlicht:TEHERAN. Das Konzept der Polypille erblickte vor über 15 Jahren das Licht der Welt. Eine Polypille kombiniert ASS, ein Statin und zwei Antihypertensiva, meist einen RAAS-Hemmstoff und ein Diuretikum, in jeweils niedriger Dosis in einer einzigen Tablette.
So soll die medikamentöse kardiovaskuläre Prävention sowohl kostengünstiger, als auch – dank besserer Compliance ,– effektiver werden.
Polypillen werden primär als Mittel für eine auf die breite Bevölkerung zielende Prävention in Schwellenländern angesehen, wo kardiovaskuläre Erkrankungen derzeit stark zunehmen.
PolyIran-Studie veröffentlicht
Jetzt wurden die Ergebnisse der PolyIran-Studie veröffentlicht, an der 6838 Menschen ab 50 Jahren im ländlichen Iran teilnahmen (Lancet 2019; online 23. August).
Überwiegend handelte es sich um Menschen ohne (diagnostizierte) kardiovaskuläre Erkrankung. Bei etwa jedem zehnten Studienteilnehmer war eine kardiovaskuläre Erkrankung bekannt, drei von vieren in dieser Subgruppe wurden deswegen auch medikamentös therapiert.
In der PolyIran-Studie wurde eine einfach gehaltene Lebensstilintervention, die aus wiederholten Beratungsgesprächen im Hinblick auf Ernährung, Sport und andere kardiovaskuläre Risikofaktoren bestand, verglichen mit Lebensstilintervention plus Polypille.
Die Polypille enthielt 81 mg ASS, 12,5 mg HCT, 20 mg Atorvastatin und 5 mg Enalapril. Wer einen Reizhusten entwickelte, wurde umgestellt auf eine analoge Polypille mit 40 mg Valsartan statt Enalapril. Andere Medikamente wurde ganz normal weitergenommen.
Primärer Endpunkt der Studie waren schwere kardiovaskuläre Ereignisse, breit definiert als tödlicher oder nicht tödlicher Myokardinfarkt beziehungsweise Schlaganfall, plötzlicher Tod jeglicher Ursache sowie Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz oder wegen Revaskularisation eines Koronargefäßes. Die Randomisierung erfolgte nicht auf Basis von Personen, sondern als Cluster-Randomisierung auf Basis ganzer Dörfer.
Studie dauerte fünf Jahre
Neben der hohen Teilnehmerzahl ist die Studiendauer bemerkenswert: Sie betrug fünf Jahre. Über diesen Zeitraum erlitten 8,8 Prozent der Probanden in der Gruppe mit Lebensstilberatung ein kardiovaskuläres Ereignis.
In der Gruppe mit zusätzlicher Polypille waren es 5,9 Prozent, eine relative Risikoreduktion von 34 Prozent beziehungsweise eine Numberneeded-to-treat (NNT) über fünf Jahre von 34.
Wurden nur Studienteilnehmer mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung ausgewertet, betrug die relative Risikoreduktion 20 Prozent, in absoluten Häufigkeiten 21 Prozent in der Kontrollgruppe und 17 Prozent in der Gruppe mit Polypille. In der Primärpräventionssubgruppe, die die große Mehrheit der Studienteilnehmer stellte, betrug die relative Risikoreduktion 40 Prozent.
Die Effekte wurden nach Adjustierung für andere kardiovaskuläre Medikamente zwar etwas kleiner, blieben aber statistisch signifikant.
Zusammenhang Compliance und Effekt
Die Wissenschaftler um Professor Reza Malekzadeh, Universität Teheran, fanden auch einen klaren Zusammenhang zwischen Polypille-Compliance und der Effektgröße: Wer über 70 Prozent seiner Tabletten korrekt eingenommen hatte, bei dem betrug die relative Risikoreduktion im Vergleich zur Kontrollgruppe 57 Prozent, in absoluten Häufigkeiten 4 Prozent gegenüber 9 Prozent. Das entspricht einer NNT von zwanzig über fünf Jahre.
All das ging nicht einher mit einer signifikant niedrigeren Mortalität, allerdings war die Studie auch nicht auf Sterblichkeit angelegt.
In der Studiengruppe starben im 5-Jahres-Zeitraum 5,9 Prozent der Patienten, in der Kontrollgruppe 6,5 Prozent. Bei diversen unerwünschten Ereignissen – darunter intrakranielle Blutungen, peptische Ulzera und obere gastrointestinale Blutungen – gab es ebenfalls keinen Unterschied.
Insgesamt sei die Polypille damit auch angesichts ihrer geringen Kosten ein sehr vielversprechender Ansatz, die kardiovaskuläre Gesundheit auf Bevölkerungsebene zu verbessern, sagte Co-Autor Dr. Nizal Sarrafzadegan von der Universität Isfahan.
Dies gelte umso mehr, als mehr als drei Viertel aller Menschen mit kardiovaskulären Erkrankungen in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen lebten.