Tag des Cholesterins

Eine geballte Dosis Fakten gegen die "Cholesterin-Lüge"

Das Märchen von der "Cholesterin-Lüge" wird immer wieder neu erzählt. Wissenschaftler setzen Daten aus 200 Studien mit mehr als zwei Millionen Teilnehmern, über 20 Millionen Personenjahren sowie 150.000 kardiovaskulären Ereignissen dagegen.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Böses Cholesterien? Naheaufnahme von Lipidpartikeln.

Böses Cholesterien? Naheaufnahme von Lipidpartikeln.

© Amgen GmbH / obs / picture-alliance

Zufall oder nicht? Seit 15 Jahren wird im Juni der "Tag des Cholesterins" begangen. Und 15 Jahre ist es her, dass ein emeritierter Professor der Chirurgie sein Buch von der "Cholesterin-Lüge" auf den Markt brachte.

Das Buch hat es – in offenbar unbearbeiteter Form – zum Evergreen in x-ter Auflage geschafft, die griffige Vokabel aus dem Titel ebenso. Insofern setzt der von der Lipid-Liga (Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen, DGFF) ausgerufene "Tag des Cholesterins" alljährlich einen Kontrapunkt zum in Publikumsmedien immer und immer wieder aufgewärmten Märchen von der "Lüge".

Konsenspapier der EAS

In diesem Jahr fällt das Datum außerdem zusammen mit der Veröffentlichung eines Konsenspapiers der Europäischen Atherosklerose-Gesellschaft (EAS): Ein international zusammengesetztes Autorenteam trägt darin die geballte Evidenz der vergangenen Dekaden zum Kausalzusammenhang zwischen LDL-Cholesterin und der Entwicklung atherosklerotisch bedingter kardiovaskulärer Krankheiten zusammen: 200 Studien mit mehr als zwei Millionen Teilnehmern, über 20 Millionen Personenjahre sowie 150.000 kardiovaskuläre Ereignisse umfassend (Eur Heart J 2017, online 24. April).

In einem zweiten Papier, das noch nicht erschienen ist, sollen die Erkenntnisse eingeordnet werden in das heutige Verständnis der Pathophysiologie der Atherosklerose und ihrer Folgen. Wird das die Skeptiker überzeugen? Wohl nur jene, die offen sind für Argumente.

"Die Zusammenhänge sind jenseits jeden Zweifels", macht Professor Peter Grützmacher vom Vorstand der Lipid-Liga im Gespräch mit "Springer Medizin" klar und verweist auf epidemiologische Studien, randomisierte genetische Studien und randomisierte Interventionsstudien.

"Je höher das LDL-Cholesterin im Blut ist, desto höher ist auch die Ereignis- und Komplikationsrate bei Herzkreislauf-Erkrankungen", erklärt der Lipidologe aus Frankfurt am Main.

Die Autoren der EAS-Publikation um Dr. Brian Ference von der Wayne State University in Detroit im US-Staat Michigan führen unter anderem an, dass in allen untersuchten Säugetierspezies die experimentell induzierte Erhöhung des Plasma-LDL und anderer ApoB-haltiger Lipoproteine zur Atherosklerose geführt habe.

Eindeutig sind auch die Zusammenhänge bei Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie, also genetisch bedingt stark erhöhten LDL-Cholesterin-Werten: Unbehandelt treten sehr früh im Leben kardiovaskuläre Ereignisse auf.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen mit Loss-of-Function-Mutationen im PCSK9-Gen, sie haben sehr niedrige LDL-Cholesterinkonzentrationen im Blut, ihr kardiovaskuläres Risiko ist klein.

LDL zu senken nützlich

Werden Menschen mit erhöhtem LDL-Cholesterin behandelt, sinkt das Risiko umso mehr, je stärker es gelingt, das LDL zu senken. Diese Dosisabhängigkeit spricht ebenfalls für Kausalität.

In epidemiologischen Studien wurde der lineare Zusammenhang zwischen absoluter LDL-Exposition und dem Ausmaß des kardiovaskulären Risikos über lange Zeiträume sichtbar gemacht. In Studien mit Mendelscher Randomisierung gibt es einen kumulativen Effekt dauerhaft erhöhten LDL-Cholesterins.

Kurz: Wenn es so etwas wie konsistente Evidenz gibt, dann beim Zusammenhang zwischen LDL-Erhöhung und Atherosklerose. Das LDL-Cholesterin sei "nicht bloß ein Biomarker", schlussfolgern Ference und Kollegen, es sei tatsächlich ein Kausalfaktor.

Angesichts der Fülle von Beweismaterial fragt es sich, warum dazu in der Öffentlichkeit und zum Teil selbst in Fachkreisen noch Unklarheiten bestehen. Grützmacher erklärt dies damit, dass in der Vergangenheit dem Cholesteringehalt in der Ernährung eine zu große Bedeutung für die Therapie beigemessen wurde: "Das Frühstücks-Ei löst noch keine atherosklerotische Erkrankung aus.

"Wesentlich entscheidender sei, wie der Körper das aufgenommene Nahrungs-Cholesterin verstoffwechselt. Darüber hinaus standen bis Mitte der 90-iger Jahre nur wenig potente Medikamente mit geringerem Cholesterin-senkenden Effekt, aber erheblichem Nebenwirkungspotential zur Verfügung.

"Dieses Bild hat sich deutlich gewandelt, stehen doch in der modernen Therapie hochwirksame, meist sehr gut verträgliche Medikamente zur Verfügung", so Grützmacher. Damit ließen sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.

Problem: Cholesterin-Entsorgung

Unverändert ist dagegen das Stoffwechselpotential des im Nahrungsüberfluss lebenden Industriemenschen: Es entspricht dem des Neandertalers. Unser Körper ist auf eine sehr knappe Nahrungscholesterin-Zufuhr eingestellt. Nahezu jede Zelle unserer Körpers kann selbst Cholesterin produzieren und damit die Eigenversorgung decken, ohne auf Nahrungscholesterin angewiesen zu sein.

Grützmacher: "Unser Problem ist Cholesterin los zu werden, wenn wir es im Überfluss haben." Während Triglyceride im Fettgewebe gespeichert werden können, muss überschüssiges Cholesterin über die Leber entsorgt werden. Letzteres ist problematisch, daher zirkuliert es lange im Blut und richtet Schäden in den Gefäßen an.

"Ein Gesamtcholesterin von 120 mg/dl ist unproblematisch, ein LDL-Cholesterin von 60 mg/dl völlig ausreichend", sagt der Lipidologe. Diese Konzentrationen oder sogar deutlich weniger finden sich bei Kindern, bei Naturvölkern und bei Säugetieren.

Und zwar ohne dass Mangelzustände auftreten. "Wenn wir etwas in den vergangenen Jahren gelernt haben, dann wie wenig Cholesterin im Blut der Mensch wirklich braucht."

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 23.06.201712:33 Uhr

Fakten gegen die "Cholesterin-Lüge"

Fakten gegen die "Cholesterin-Lüge
1. Zum emeritierten Professor der Chirurgie mit seinem Buch von der "Cholesterin-Lüge" schreibt WIKIPEDIA:
"Neben seiner Tätigkeit als Chirurg beschäftigte sich Hartenbach noch mit anderen Bereichen des medizinischen Umfeldes. So begann er 1980 mit der Auswertung von tausenden von Bildern straffälliger Personen und analysierte dabei die Ohrenstrukturen. 1993 veröffentlichte er darüber ein sehr umstrittenes, pseudowissenschaftliches Buch über seine „Methodischen Charakteranalysen anhand der Ohrstrukturen“. Er behauptete darin, dass die Ohrformen die wichtigsten Wesenszüge eines Menschen verraten würden. Im gleichen Jahr kam sein ebenfalls sehr umstrittener „Gesundheitsfahrplan“ auf den Markt. 2002 veröffentlichte der inzwischen 88-jährige Hartenbach das ebenfalls sehr kontrovers aufgenommene Buch Die Cholesterin-Lüge. Die darin aufgestellten Behauptungen wurden in der Folgezeit weitgehend entkräftet. In diesem Buch stellte Hartenbach unter anderem die These auf, dass zwischen Rauchen und Krebs kein Zusammenhang bestehe."
https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Hartenbach

2. Eine weitere Außenseiter-Theorie, die offensichtlich Ursache und Wirkung verwechselt bzw. zwei gleichsinnig wirksame Risikofaktoren und Patho-Mechanismen gegeneinander ausspielen will: „Nicht Fette aus dem Blut, sondern Versorgungsstörungen an der Gefäßaußenwand sollen einer neuen Theorie zufolge zu Arterienverkalkung führen. Der Herzchirurg Axel Haverich hat für diese These zur Entstehung von Arteriosklerose nach eigenen Angaben jahrelang Belege gesammelt. Seine Überlegungen veröffentlichte der Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in der Fachzeitschrift "Circulation" (2017;135:205-207). Haverich ist überzeugt, dass das Cholesterin, das sich an den Gefäßwänden anlagert, gar nicht aus dem Blut, sondern von abgestorbenen Zellen aus der mittleren Wandschicht stammt. Sterben dort winzige Blutversorgungsgefäße, Vasa vasorum genannt, ab, komme es zu einem Infarkt in der Arterienwand.“
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/fettstoffwechsel-stoerungen/article/927685/neue-erkenntnisse-blutfette-nicht-ursache-arteriosklerose.html

3. Irreführend falsche Cholesterin-Informationen im TV-Medium kamen im Zusammenhang mit der Sendung "Cholesterin, der große Bluff" auf ARTE:

Dort hatte der französische Arzt und Forscher Dr. Michel de Lorgeril, Wissenschaftler am Centre national de la recherche scientifique (CNRS), Université Joseph-Fourier, Grenoble, als Kardiologe über die angeblich völlig fehlenden Beteiligungen von Cholesterin bei der Entstehung von Herz-
und Hirn-Infarkten als Kronzeuge berichtet. Er reihte sich damit in den naiven Empirismus und vorwissenschaftlichen Naturalismus der Heilpraktiker-Szene ein.

Mit ideologischem Eifer verfolgt de Lorgeril geradezu besessen seine Außenseiter-Positionen und legt eine Fülle pseudowissenschaftlicher Publikationen vor. Er zerschlägt nach eigenen Angaben den Cholesterol-Mythos, geißelt die missbräuchliche Verschreibung von Cholesterinsenkern und setzt dagegen auf mediterrane Lebens- und Ernährungs-Interventionen, körperliche Ertüchtigung, Omega 3 Fettsäuren, Immunitäts-fördernde Ernährung und Diabetes-Prävention ["Cardiologue et chercheur au CNRS, il met en pièces le mythe du cholestérol et dénonce la prescription abusive des médicaments anticholestérol. Il préconise le régime méditerranéen et l''exercice comme agents ...?Cholestérol et Statines · ?Acides gras oméga-3 · ?Nutrition et immunité · ?Diabètes"].

Punkt 3. wiederum ist genau der Ansatz, der durch besonders strikte und gezielte Cholesterinsenkung durch mediterrane Kost, Öle, Nüsse und moderatem Weinkonsum nachweislich in einer Interventionsstudie eine Reduzierung des kardiovaskulären Risikos erreicht hatte:
PREDIMED-Ausgangsstudie von R. Estruch et al.: "Primary prevention of cardiovascular disease with a Mediterranean diet" im NEJM 201

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