Ausnahmestudie REDUCE IT vorgestellt

Spezielles „Fischöl“-Präparat verblüfft mit sensationellen Ergebnissen zum Herzschutz

Die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren hat in der beim AHA-Kongress präsentierten REDUCE IT-Studie eine erstaunliche Wirkung entfaltet. In der dort ebenfalls vorgestellten Studie VITAL war der Effekt einer solchen Intervention gleich Null. Das ist nicht so widersprüchlich, wie es den Anschein hat.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Immer wieder kontrovers diskutiert: der mögliche Herzschutz durch die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren. Die beim AHA-Kongress präsentierte REDUCE IT-Studie hat nun für eine Überraschung gesorgt.

Immer wieder kontrovers diskutiert: der mögliche Herzschutz durch die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren. Die beim AHA-Kongress präsentierte REDUCE IT-Studie hat nun für eine Überraschung gesorgt.

© Schlierner/ stock.adobe.com

CHICAGO. Die einen jubeln, die anderen schütteln ungläubig den Kopf. Eine Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren hat in der REDUCE IT-Studie tatsächlich eine protektive Wirkung entfaltet, und die war sogar ziemlich beeindruckend: Die Studienteilnehmer, die alle erhöhte Triglyzerid-Werte hatten, profitierten unter dieser Therapie von einer deutlichen Reduktion tödlicher und nicht-tödlicher kardiovaskulärer Ereignisse.

Die von Professor Deepak Bhatt aus Boston aktuell bei einer Late-Breaking-Sitzung des Kongresses der American Heart Association (AHA) vorgestellte randomisierte Placebo-kontrollierte Studie wurde zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ publiziert (NEJM 2018; online 10. November).

War das Urteil zu voreilig?

Ihre Ergebnisse gleichen einer Sensation. In den letzten Jahren gingen den Verfechtern einer kardiovaskulären Prävention mit Fischöl-Kapsel nämlich allmählich die Argumente aus. In vielen Studien hatte sich die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren als wirkungslos herausgestellt, so auch in der erst kürzlich beim ESC-Kongress in München vorgestellten ASCEND-Studie. Nicht wenige Experten haben die Omega-3-Säure-Supplementierung daraufhin endgültig abgeschrieben. „Es gibt keine einzige Rechtfertigung für die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren“, lautete damals das Fazit der ASCEND-Studienautorin Dr. Louise Bowman.

War dieses Urteil zu voreilig?

Der US-amerikanische AHA-Herzkongress könnte nun als Wendepunkt für die Omega-3-Fettsäure-Supplementierung in die Medizingeschichte eingehen – wäre da nicht eine weitere Studie, die in derselben Sitzung wie REDUCE IT präsentiert wurde: die VITAL-Studie (NEJM 2018; online 10. November). Vitaler waren die Teilnehmer dieser Studie jedenfalls nicht, wenn sie Omega-3-Fettsäuren eingenommen hatten: Der Effekt dieser Intervention war gleich Null.

Präparat mit EPA in reiner Form

Wenn man sich beide Studien jedoch genauer anschaut, sind die Ergebnisse nicht so ambivalent, wie sie auf dem ersten Blick erscheinen mögen.

In der REDUCE IT-Studie wurde ein spezielles Omega-3-Fettsäure-haltiges Präparat namens Vascepa® in hoher Dosis (2 × 2 g täglich) getestet. Das verschreibungspflichtige Präparat enthält Eicosapentaensäure (EPA) in reiner Form (Icosapent Ethyl), also nicht wie in anderen Fischöl-Präparaten üblich in Kombination mit Docosahexaensäure (DHA). Studiensponsor war der Hersteller Amarin.

Eingeschlossen wurden 8179 Patienten mit erhöhten Triglyzerid-Werten (> 150 bis < 500 mg/dl) und recht niedrigem LDL (41 bis 100 mg/dl). Alle Patienten hatten Statine eingenommen, viele hatten eine kardiovaskuläre Erkrankung oder Diabetes in Kombination mit mindestens einem weiteren Risikofaktor. Die Intervention zielte also auf eine Sekundär- wie auch Primärprävention ab, wobei letztere Patientengruppe mit 30 Prozent vertreten war.

Nach im Mittel 4,9-jähriger Therapie war bei 17,2 Prozent der mit EPA und bei 22 Prozent der mit Placebo Behandelten ein Ereignis des primären kombinierten Endpunktes aufgetreten (kardiovaskulär verursachter Tod, nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina oder koronare Revaskularisation): Die EPA-Zufuhr hatte eine signifikante Risikoreduktion um 25 Prozent bewirkt (95%-KI: 0,68–0,83; p < 0,001). Das entspricht einer NNT (Number Needed to Treat) von nur 21.

Die Rate für den wichtigsten sekundären Endpunkt – kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Infarkt oder Schlaganfall – wurde signifikant um 26 Prozent gesenkt (11,2 Prozent vs. 14,8 Prozent; 95%-KI: 0,65–0,83; p < 0,001). Hier betrug die NNT 28. Kardiovaskuläre Todesfälle waren mit EPA ebenfalls seltener (4,3 vs. 5,2 Prozent; Hazard Ratio, HR: 0,80; 95%-KI: 0,66–0,98; p =0,03). Die Herzinfarktrate wurde relativ um 31 Prozent (6,1 vs. 8,7 Prozent), die Schlaganfallrate um 28 Prozent (2,4 vs. 3,3 Prozent) reduziert – beides ebenfalls signifikante Unterschiede.

Im Gegensatz zur REDUCE IT-Studie zielte die VITAL-Studie nur auf Primärprävention ab. Die 25.871 über 50-jährigen Teilnehmer entsprachen also eher dem Durchschnittsbürger, der in den Glauben an eine kardioprotektive Wirkung herkömmliche Fischöl-Kapseln im Supermarkt kaufen würde. Die in VITAL verwendeten 1 Gramm-Fischöl-Kapseln enthielten 840 mg Omega-3-Fettsäuren und zwar EPA (460 mg) und DHA (380 mg). Laut Angaben der Studienautoren entspricht dies der von der AHA für KHK-Kranke empfohlenen Dosis.

In dieser Studie hatte die Omega-3-Säure-Supplementierung keinen Einfluss auf den primären Endpunkt – Herzinfarkte, Schlaganfälle und kardiovaskulärer Tod – gehabt (386 vs. 419 Ereignisse; HR: 0,92; 95%-KI: 0,80–1,06; p=0,24). Und auch invasive Krebsarten (ein weiterer primärer Endpunkt) waren nicht seltener als in der Placebo-Gruppe (820 vs. 797 Ereignisse, HR: 1,03; 95%-KI: 0,93–1,13; p=0,56). Einzig hinsichtlich eines sekundären Endpunktes, der Häufigkeit von Herzinfarkten, gab es ein Signal für einen möglichen Nutzen (HR: 0,72; 95%-KI: 0,59–0,90).

Die Ergebnisse würden die Frage aufwerfen, ob eine Omega-3-Fettsäure-Supplementierung in der Primärprävention anders wirke als in der Sekundärprävention, kommentieren die Studienautoren um Dr. Joann Manson das neutrale Ergebnis.

Es wäre ein großer Fehler, die positiven REDUCE-IT-Ergebnisse nun als Begründungn zu nutzen, herkömmliche Fischöl-Präparate ais Drugstore zu empfehlen.

Professor Deepak Bhatt, Boston, Autor der Studie REDUCE IT

REDUCE-IT-Autor Bhatt und seine Kollegen vermuten, dass vor allem zwei Faktoren – die höhere Dosierung (4 g täglich) und die in REDUCE IT verwendete spezifische Formulierung (hochgereinigt) – dafür verantwortlich sind, dass die Studie im Gegensatz zu anderen Studien einschließlich VITAL positiv ausgegangen ist. Metabolische Daten würden belegen, dass Formulierungen mit DHA zu einem Anstieg der LDL-Cholesterin-Spiegel führen; bei EPA-haltigen Präparaten sei dies nicht der Fall.

Studienergebnisse übertragbar?

Ihrer Ansicht nach darf man die Ergebnisse von REDUCE IT deshalb nicht auf freiverkäufliche Nahrungsergänzungsmittel und Fischöl-Kapseln übertragen, die eine Mixtur von Omega-3-Fettsäuren enthalten. Es wäre ein großer Fehler, die positiven REDUCE IT-Ergebnisse in gutem Glauben an die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren nun als Begründung dafür zu nutzen, Patienten herkömmliche Fischöl-Präparate aus dem Drugstore zu empfehlen, betonte Bhatt vor Journalisten: „Das Geld dafür können Sie sich sparen!“

Prinzipiell erscheint es auch den Studienautoren der VITAL-Studie plausibel, dass eine Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren einen Herzschutz bietet. In experimentellen Studien hätten die Fettsäuren antithrombotische, antiinflammatorische und blutdrucksenkende Effekte entfaltet und Triglyzeride gesenkt. In der Studie REDUCE IT wirkte die EPA-Gabe aber selbst dann kardioprotektiv, wenn die Triglyzeride nach einem Jahr weiterhin hoch waren – sprich, die lipidsenkende Wirkung kann nicht der alleinige Grund für die erreichte Risikoreduktion sein.

Dafür, dass Omega-3-Fettsäuren antithrombotisch wirken, spricht auch, dass zumeist leichte Blutungskomplikationen in der REDUCE IT-Studie in der Interventions-Gruppe tendenziell häufiger aufgetreten waren als in der Placebo-Gruppe; generell waren solche Ereignisse aber eher selten (2,7 vs. 2,1 Prozent; p=0,06).

Weitere Infos zur Kardiologie auf www.springermedizin.de

Fakten zu Vascepa®

  • In der REDUCE IT-Studie wurde das Omega-3-Fettsäure-haltige Präparat Vascepa® in hoher Dosis (2 × 2 g täglich) getestet.
  • Das verschreibungspflichtige US-Präparat enthält Eicosapentaensäure (EPA) in reiner Form (Icosapent Ethyl), also nicht wie in anderen Fischöl-Präparaten üblich in Kombination mit Docosahexaensäure (DHA). In Deutschland gibt es keine Monokapseln mit EPA, sondern immer nur als Fischöl mit mindestesn EPA + DHA – macnhmal noch weiteren Omega-3-Fettsäuren.
  • Vascepa® ist von der FDA zugelassenals Diätzusatz zur Senkung erhöhter Triglyzerid-Werte bei Patienten mit schwerer Hypertriglyeridämie (= 500 mg/dl).
  • Der Hersteller Amarin weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesen Kapseln nicht um Fischöl handele. Der enthaltene Wirkstoff werde aber durch ein von der FDA geprüftes komplexes Verfahren aus Fisch isoliert. (vsc)
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Risikoreduktion nachgewiesen

Typ-2-Diabetes: SGLT2-Hemmer fürs Herz wohl besser als DPP4-Hemmer

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

47. Deutscher Krankenhaustag

Ärztliche Vollzeitstellen in Kliniken: Zehn Prozent Differenz zwischen Ist und Soll

Leitartikel zum Kompromiss von SPD und Union

Frühere Neuwahlen – vernünftig und ein Hoffnungsschimmer

Lesetipps
Der Deutsche Krankenhaustag ist Teil des Programms der Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf.

© Messe Düsseldorf / ctillmann

47. Deutscher Krankenhaustag

Klinikreform: Klinikverbände hoffen auf den Vermittlungsausschuss

Wie geht es nach der Neuwahl des Bundestages in der Gesundheitspolitik weiter? Der Virchowbund macht Vorschläge, die heftige Debatten auslösen könnten.

© New Africa / stock.adobe.com

Zukunft des Gesundheitswesens

Freie Arztwahl soll für Patienten teurer werden

Steine stapeln in der Natur kann für Stressgeplagte ein entspannendes Ritual sein.

© Igor / stock.adobe.com / KI-generiert

Stressmediziner im Interview

Kollege gibt Tipps: Das hilft Ärzten bei Stress