Nach HPV-Infektion

Kehlkopfkrebs von der Klarinette

Bei einer 18-jährigen Klarinettenspielerin entdecken Ärzte Kehlkopfkrebs. Wohl ausgelöst durch eine HPV-Infektion – und das, obwohl die junge Frau geimpft war.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Über ausgetauschte Mundstücke dürfte sich die junge Klarinettenspielerin mit HPV infiziert haben, vermuten Ärzte.

Über ausgetauschte Mundstücke dürfte sich die junge Klarinettenspielerin mit HPV infiziert haben, vermuten Ärzte.

© sippakorn / stock.adobe.com

BERN. Viel Pech hatte eine junge Klarinettenspielerin: Möglicherweise über ausgetauschte Mundstücke zog sie sich eine HPV-Infektion zu. Trotz Impfung entwickelte sie ein HPV-assoziiertes Larynxkarzinom.

Immerhin in einem Punkt hatte die junge Frau Glück: Das Plattenepithelkarzinom am rechten Stimmband ließ sich komplett entfernen, ohne dass die Stimme dadurch dauerhaft beeinträchtigt wurde, auch war dies die einzig betroffene Stelle im Körper.

Ansonsten ist jedoch ziemlich viel schief gelaufen, denn als wahrscheinlichste Ursache für das Karzinom sehen Ärzte um Dr. Michel-André Hotz eine HPV-Infektion über ausgetauschte Klarinettenmundstücke. HPV sollte daher nicht nur als sexuell übertragbare Krankheit betrachtet werden, so die HNO-Ärzte von der Uniklinik in Bern (Head Neck 2018; online 27. Dezember).

Die Frau stellte sich den Ärzten im Alter von 18 Jahren mit einer persistierenden Dysphonie vor, die sich zunehmend verschlimmerte. Die Laryngoskopie zeigte eine weißlich muköse Läsion am rechten Stimmband, die sich als hochdysplastisches mikroinvasives Plattenepithelkarzinom erwies und entfernt wurde, wobei die Ärzte versuchten, die darunter liegende Muskulatur zu erhalten.

Die weitere Tumoranalyse führte zu einem HPV-Nachweis, die Ärzte konnten schließlich eine Infektion mit HPV-45 als wahrscheinliche Tumorursache identifizieren.

Rätselhafter Infektionsweg

Die Patientin gab an, mit 18 Jahren zum ersten Mal Sex gehabt zu haben. Es zeigte sich zudem, dass sie vier Jahre zuvor mit einem quadrivalenten HPV-Impfstoff (Gardasil®) gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 geimpft worden war. Offenbar biete dieser Impfstoff weniger Schutz gegen verwandte HPV-Typen als bislang angenommen, geben die Ärzte um Hotz zu bedenken.

Rätselhaft blieb auch der Infektionsweg. Die gynäkologischen Untersuchungen der Patientin und ihrer Mutter waren unauffällig, sodass die Ärzte eine Übertragung bei der Geburt weitgehend ausschließen konnten. Ein sexueller Missbrauch war nicht bekannt. Als einziger Risikofaktor erwies sich das Klarinettenspielen.

Tatort Orchester

Die Frau gab an, dass sie seit ihrer Kindheit in unterschiedlichen Orchestern gespielt hatte, wobei gelegentlich Mundstücke ausgetauscht wurden. Da diese mit Speichel in Kontakt kommen, ließe sich damit eine Infektion erklären.

Beim Klarinettenspielen bilden sich durch den hohen Atemdruck kleine Speicheltröpfchen, die beim Spielen bis in die Stimmbänder gedrückt werden könnten. Möglicherweise sei auf diese Weise der Larynx infiziert worden.

Intensive Untersuchungen förderten keine weiteren Tumoren zutage, und vier Jahre nach der Exzision war kein Tumorrezidiv aufgetreten.

Die HNO-Experten ziehen aus der Kasuistik zwei Schlüsse:

» Benigne aussehende Läsionen in Mund und Rachen können selbst bei HPV-Geimpften ein HPV-assoziiertes Karzinom darstellen.

» HPV kann auch von Mund zu Mund übertragen werden.

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