Schwangerschaft
Wie Entzündungen auf Babys Gehirn wirken
Erhöhte Entzündungswerte während der Schwangerschaft können Veränderungen im Gehirn des Ungeborenen entstehen lassen. Dies könnte auch das Risiko für spätere psychiatrische Erkrankungen erhöhen.
Veröffentlicht:BERLIN. Biologische Veränderungen der Entzündungsparameter während einer Schwangerschaft können mit einer Infektion in Zusammenhang stehen, aber auch in anderen Situationen auftreten, beispielsweise bei Übergewicht oder psychischem Stress. Eine Erhöhung der Entzündungswerte kann dabei nach neuesten Erkenntnissen Veränderungen im Gehirn des sich entwickelnden Kindes bewirken, wie die Charité Berlin mitteilt.
Wissenschaftler um Prof. Claudia Buß von der Charité haben danach festgestellt, dass diese Neugeborenen eine vergrößerte Amygdalaregion im Gehirn aufweisen, eine Region, die bei emotionalen Bewertungen und dem Wiedererkennen von Situationen bedeutsam ist. Eine veränderte Vernetzung der Amygdala mit anderen Hirnregionen wurde ebenfalls beobachtet. Die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie sind im Fachmagazin Biological Psychiatry veröffentlicht doi: 10.1016/j.biopsych.2017.05.027.
In Kooperation mit der University of California Irvine konnte das Forscherteam um Prof. Buß knapp 90 Frauen im ersten Trimenon ihrer Schwangerschaft für die Studie gewinnen. In jedem folgenden Trimenon, also insgesamt dreimal während der gesamten Schwangerschaft, sind die werdenden Mütter und das Ungeborene untersucht worden. Neben Ultraschalldiagnostik und der Auswertung biologischer Proben sind eventuelle medizinische Komplikationen erfasst worden, ebenso das psychische Wohlbefinden der werdenden Mütter.
Innerhalb des ersten Monats nach der Geburt seien zudem die Gehirne der Kinder während des natürlichen Schlafes mittels Magnetresonanztomographie untersucht worden, so die Charité. Im Alter von 24 Monaten wurde dann anhand spielerischer Übungen die Impulskontrolle der Kinder ermittelt.
Viel IL-6 verändert die Amygdala
"Wir haben festgestellt, dass bei erhöhten Interleukin-6-Konzentrationen nicht nur neonatale Veränderungen der Amygdala auftraten. Im weiteren Verlauf hat sich gezeigt, dass diese Veränderungen mit einer geringeren Fähigkeit zur Impulskontrolle der jeweiligen Kinder im Alter von zwei Jahren verbunden waren", so Prof. Buß in der Pressemitteilung. "Wir schließen daraus auf einen Zusammenhang zwischen erhöhten mütterlichen Entzündungswerten und einem erhöhten Risiko für psychiatrische Erkrankungen, die von einer mangelnden Impulskontrolle begleitet werden."
Aus dem Tiermodell sei bereits bekannt, dass Infektionen und Entzündungen bei trächtigen Tieren zu Veränderungen der Gehirnentwicklung ihrer Nachkommen sowie zu Verhaltensänderungen führen. Auch epidemiologische Studien untermauerten die aktuellen Studienergebnisse. Sie lieferten zum Beispiel Hinweise darauf, dass mütterliche Infektionen und andere klinische Phänotypen, die mit erhöhten Interleukin-6-Konzentrationen einhergehen, wie Übergewicht, während der Schwangerschaft das Risiko für psychiatrische Krankheiten – etwa Schizophrenie und Autismus – erhöhen können. (run)