Hintergrund
Kinderärzte: Vitamin D für alle!
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hat ihre Empfehlungen zur Vitamin-D-Versorgung deutlich ausgeweitet - als Reaktion darauf, dass die Kinder immer fauler werden. In Zukunft sollen nicht nur Säuglinge, sondern alle Kinder und Jugendlichen zusätzliches Vitamin D erhalten.
Veröffentlicht:"In Deutschland liegt die tägliche Zufuhr an Vitamin D mit der Nahrung zum Teil erheblich unter den empfohlenen Werten", sagt Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit.
"Besonders niedrige Vitamin-D-Spiegel werden bei 11- bis 13-jährigen Mädchen und bei 14- bis 17-jährigen Jungen gemessen, also ausgerechnet in einer für Wachstum und Aufbau der Knochen besonders wichtigen Entwicklungsphase", berichtet der Pädiater in einer Mitteilung der Stiftung.
Es ist schwierig, sich mit der Nahrung ausreichend zu versorgen: Nennenswerte Mengen des Vitamins finden sich nämlich nur in fettem Seefisch (etwa Lachs, Hering, Makrele, Lebertran) sowie in Eiern oder Milch. Um den empfohlenen Bedarf von täglich zwischen 400 und 800 IE Vitamin D zu decken, müsste man mindestens drei bis vier Fischmahlzeiten pro Woche zu sich nehmen oder täglich mindestens zehn Eier essen.
Tägliches Sonnenbad wäre das beste Rezept
Das empfiehlt die DGKJ zu Vitamin D
Ab der ersten Lebenswoche bis zum zweiten erlebten Frühsommer, also je nach Geburtszeitpunkt für die Dauer von einem bis anderthalb Jahren sollten Babys zusätzlich zu Muttermilch oder Säuglingsnahrung Tabletten oder Tropfen mit täglich 400 bis 500 Einheiten Vitamin D3 erhalten, am besten kombiniert mit der Fluoridprophylaxe gegen Karies.
Ärzte sollten Eltern darauf hinweisen, wie sinnvoll der Aufenthalt ihrer Kinder unter freien Himmel ist, und zwar in Bewegung mindestens eine halbe Stunde am Tag, am besten mit unbedeckten Kopf und mit freien Armen und Beinen.
Vom zweiten Jahr an sollten alle Kinder, die nicht genug in die Sonne kommen, eine Vitamin-D-Ergänzung von 400 Einheiten täglich bekommen.
Zurzeit werden die Kosten für die zusätzlichen Vitamin-D-Gaben allerdings nur in den ersten 12 bis 18 Monaten von den Kassen übernommen, so die Stiftung Kindergesundheit.
"Vitamin D besitzt eine wichtige Schlüsselfunktion für unsere Gesundheit", betont Koletzko. Ein Mangel erhöht das Risiko für viele Erkrankungen wie Rachitis, Osteoporose, Diabetes, Multiple Sklerose, Hypertonie, Muskelschwäche und diverse Krebsformen.
Das Vitamin braucht der Körper zudem zum Aufbau der Knochen sowie zur Versorgung der Herzmuskel und des Nervensystems mit Kalzium.
Zwar können ultraviolette Sonnenstrahlen die Vorstufe von Vitamin D in der Haut aktivieren und in Vitamin D umsetzen. Das beste Rezept gegen einen Mangel des Vitamins wäre daher ein tägliches Sonnenbad. Das ist in unseren Breiten aber leider schwierig.
Nach Angaben der Stiftung ist zudem von November bis Februar die UV-B-Strahlung in Nord- und Mitteleuropa im Allgemeinen zu schwach, um eine ausreichende Produktion von Vitamin D im Körper wie gewünscht anzustoßen. Hinzu kommen bedenkliche Veränderungen der Lebensgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen:
Schon Grundschüler verbringen etwa neun Stunden am Tag im Sitzen und nur eine Stunde in Bewegung.
Mindestens eine Stunde Bewegung täglich an fünf Tagen in der Woche (von der WHO empfohlen!) wird in Deutschland nur noch von einem Drittel der elf- bis 15-jährigen Jungen und einem Viertel der gleichaltrigen Mädchen erreicht.
Der Anteil von Kindern, die täglich vier und mehr Stunden vor einem Bildschirm sitzen, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Schon Viertklässler schauen heute an einem Wochentag im Mittel 71 Minuten fern und spielen 30 Minuten mit dem Computer.
Schon Babys von Mangel betroffen
Ein Mangel an Vitamin D droht schon Babys: Muttermilch enthält nämlich nur geringe Mengen an Vitamin D, die für die Versorgung eines gestillten Säuglings nicht ausreichen.
Das gilt auch für die Flaschennahrung. Um das Rachitisrisiko weiterhin in Schach zu halten, bekommen heute deshalb fast alle Babys vorsorglich Vitamin-D-Präparate.
Besonders gefährdet sind zudem Kinder mit Übergewicht sowie vegan oder makrobiotisch ernährte Kinder ohne ausreichende Kalzium-, Vitamin-D- und Fettzusätze.
Auch Jugendliche aus Migrantenfamilien mit dunkler Hautfarbe droht in unseren Breiten ein Vitamin-D-Mangel. Das dunkle Pigment vermindert nämlich die Vitamin-D-Produktion in der Haut.
Als Risikogruppe gelten auch junge Mädchen mit Migrationshintergrund, wenn sie sich aus religiösen oder kulturellen Gründen verhüllt kleiden oder den Aufenthalt im Freien meiden.