3D-Bioprinting

Lebendes Gewebe aus dem Drucker

Biologisch abbaubare Knochenimplantate könnten demnächst aus dem 3D-Drucker kommen. Der nächste Schritt ist Druck von lebendem Gewebe: Bioprinting.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Per 3D-Druck hergestelltes individuelles Kahnbein aus Kalziumphosphat-Zement. Es wurde aus einem CT-Datensatz der Hand gefiltert und gedruckt.

Per 3D-Druck hergestelltes individuelles Kahnbein aus Kalziumphosphat-Zement. Es wurde aus einem CT-Datensatz der Hand gefiltert und gedruckt.

© TU Dresden

DRESDEN. 3D-Druck gibt es in der Industrie schon lange: Geometrisch anspruchsvolle Objekte, die früher unter hohem Materialverbrauch mithilfe formgebender Werkzeuge hergestellt werden mussten, lassen sich heute computergestützt designen und computergestützt herstellen (Computer Aided Manufacturing – CAM).

In der Medizin werden mancherorts diese landläufig "3D-Drucker" genannten Maschinen genutzt, um komplexe Operationen zu planen oder patientenindividuelle Implantate herzustellen, etwa für orthopädische Eingriffe. Diese Implantate bestehen dann allerdings aus nicht abbaubaren, etwa metallischen Materialien.

Intensiv erforscht würden derzeit individuelle, resorbierbare Implantate, die per additiver Fertigung (3D-Druck) erzeugt werden, sagte Professor Michael Gelinsky von der TU Dresden beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Dresden. Ihr Vorteil: Sie ermöglichen die Geweberegeneration.

"Günstig wäre das zum Beispiel bei Defekten des noch wachsenden Knochens bei Kindern", so Gelinsky. Das Implantat würde allmählich durch körpereigenen Knochen ersetzt, so dass dieser normal weiterwachsen kann.

Filigrane Knochennadeln

Der Chemiker und Leiter des Zentrums für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung entwickelt mit einem Team von Wissenschaftlern derzeit die Möglichkeit, mit Hilfe eines 3D-Datensatzes aus der Computertomografie Implantate zur Füllung knöcherne Defekte virtuell zu modellieren.

Diese Daten werden dann in die vom 3D-Drucker verständliche Sprache übersetzt, und dieser stellt aus Kalziumphosphat-Knochenzement das Implantat her. Ein dafür geeigneter pastöser Knochenzement ist bereits zugelassen und wird in der Orthopädie für klassische Defektfüllungen am Knochen verwendet.

"Wir kamen vor einigen Jahren auf den Gedanken, dass dieses Material aufgrund seiner Viskositätseigenschaften 3D-druckbar sein sollte", erklärte Gelinsky. "Das hat sich bewahrheitet." Die Wissenschaftler sind heute in der Lage, filigrane Knochennadeln mit Innendurchmessern von 200 µm ebenso zu drucken wie voluminöse Strukturen.

Zum Beispiel ein passgenaues Implantat für die Füllung einer Oberkieferspalte. Klinisch angewendet worden ist das Verfahren noch nicht. Die Dresdner hoffen jedoch auf eine baldige Zulassung, etwa zur Versorgung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten.

Was wir als erstes sehen werden, sind relativ einfache Gewebe wie Knochen-/Gelenk- knorpel-Implantate oder einfache Hautstrukturen.

Professor Michael Gelinksy, TU Dresden

Bei ausgeprägten Defekten kann ein solches Implantat per Tissue Engineering mit körpereigenen, angezüchteten Zellen besiedelt werden, etwa um eine Schleimhaut zu generieren. Allerdings lässt sich dieser Besiedlungsprozess nur ungenügend steuern.

Wenn es darauf ankommt, die räumliche Anordnung lebender Zellen in einem Implantat genau zu definieren, wäre es wichtig, die lebenden Zellen gleich mit zu drucken, anstatt erst später das Scaffold zu besiedeln.

Wichtig ist das bei ausgedehnten Defekten, wo Implantate rasch einwachsen sollen. Das Problem: Die lebenden Zellen müssen den additiven Fertigungsprozess überstehen.

Gewebe am Leben erhalten

Wasserreiches Hydrogel wird neben Kalziumphosphat-Strängen gedruckt, um einwandernde Zellen mit Wachstumsfaktoren und Proteinen zu versorgen.

Wasserreiches Hydrogel wird neben Kalziumphosphat-Strängen gedruckt, um einwandernde Zellen mit Wachstumsfaktoren und Proteinen zu versorgen.

© TU Dresden

Doch auch das ist das experimentell bereits gelungen. Genutzt wird ein wasserreiches Hydrogel, in das sich Zellen, Wachstumsfaktoren oder Proteine einbetten lassen. Der gemeinsame Druck des Hydrogels mit dem Scaffold hat eine sehr homogene Verteilung der lebenden Zellen zur Folge, was mit konventioneller Besiedlung nicht erreicht werden kann.

Denkbar, so Gelinsky, ist die Auskleidung schlauchförmiger Strukturen mit Endothelzellen. "Integrieren wir solche Gefäße in 3D-gedruckte Gewebe, könnten wir künftig auch große Gewebekonstrukte nach der Implantation im Körper am Leben erhalten." Denn damit wäre sofort die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung gesichert.

Ein bislang ungelöstes Problem ist es nämlich, dass im 3D-Drucker hergestellte große Gewebe zwar in Nährlösungen im Labor lebensfähig sind, es in vivo dann aber rasch zu zentralen Nekrosen kommt, da das Einwachsen von Gefäßen zu lange dauert.

Erfolgt heute zum Beispiel der Verschluss einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte in mehreren Operationen, könnten künftig in einem ersten Eingriff Gefäßzellen, Knochenzellen, Stammzellen gewonnen, getrennt kultiviert und kryokonserviert werden, um später per Bioprinting individuell geformte und bereits lebende Implantate herstellen zu können.

Noch ist 3D-Bioprinting nicht in der Klinik angekommen. Aber die Entwicklung schreite weltweit rasant voran, erklärte Gelinsky in Dresden. "Was wir als erstes sehen werden, sind relativ einfache Gewebe wie Knochen-/Gelenkknorpel-Implantate oder einfache Hautstrukturen."

Das Erzeugen von komplexem Gewebeersatz, ja ganzen Organen, wäre der übernächste Schritt. "Manche tun so, als könnte man schon bald ganze Organe drucken. Aber so weit sind wir definitiv noch nicht", dämpfte Gelinsky überzogene Erwartungen. Was dagegen längst etabliert ist, sind diverse Methoden der additiven Fertigung und sie sind vielfach für medizinische Anwendungen nutzbar.

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