Viele Läufer bekommen Stressfrakturen

BIELEFELD. In den vergangenen Jahren hat die Zahl von Sportveranstaltungen wie Marathonläufen sowie von Freizeitsportlern aller Altersgruppen zugenommen. Das hat vor allem bei Ausdauersport zu einem Anstieg von Überlastungsschäden an der unteren Extremität geführt. Eine besonders exponierte Stelle ist der Fuß, ohne den aktiver Sport kaum möglich ist. 70 Prozent aller Stressfrakturen kommen im Laufsport vor. Immer wieder sind auch prominente Sportler betroffen wie der Fußball-Nationalspieler Robert Huth.

Von Jens Brüntrup Veröffentlicht:

Bereits 1855 wurden bei jungen Rekruten Marschfrakturen beobachtet. 1958 folgte dann die Erstbeschreibung bei Sportlern. Trotz der relativen Häufigkeit der Verletzung wird die Diagnose meist spät gestellt. Die Schwierigkeit liegt darin, dass sich die Krankheit häufig schlecht von anderen Überlastungsschäden abgrenzen lässt. Der Übergang zwischen Sehnenreizung und einfacher Stressreaktion ist häufig fließend, weil die klassischen Zeichen eines Knochenbruches fehlen.

Verletzungen werden häufig als Überbelastung gewertet

Wegen der unspezifischen Beschwerden werden diese Verletzungen oft als Überlastungen gewertet, eine genaue Erhebung der Krankengeschichte kann jedoch den Weg zur richtigen Diagnose ebnen. Meistens berichten betroffene Sportler, dass sie Trainingsumfänge, Trainingsintensität oder Gesamtbelastung gesteigert haben. Der Schmerz kann sich schleichend entwickeln oder plötzlich einsetzen.

Das Ergebnis der klinischen Untersuchung korreliert anfangs oft nur gering mit den angegebenen Belastungsschmerzen. Meist ist das Röntgenbild in der ersten Phase unauffällig. Erst in einer späteren Phase kommt es zu lokalisiertem Druckschmerz oder seltener zu einer Schwellung. Zeitgleich gibt es dann erste Zeichen im Röntgenbild. Bis dahin ist jedoch die Diagnose fast ausschließlich mit einer Kontrastmitteluntersuchung oder besser mit einer Magnetresonanz-Tomografie (MRT) möglich. In den vergangenen Jahren hat sich die MRT als die effektivste und genaueste Methode herauskristallisiert. Mit ihr kann früh die korrekte Diagnose gestellt werden. Eine frühe Diagnose ist für die Betroffenen wichtig, da daraus die richtige Risikoeinschätzung und Behandlung abgeleitet werden muss.

Bei Stressfrakturen werden Low-Risk- und High-Risk-Verletzungen unterschieden. Bei High-Risk-Verletzung besteht ein hohes Risiko für eine weitere Ausdehnung des Frakturspaltes sowie für eine inkomplette oder verlängerte Heilung. Als High-Risk-Verletzungen gelten Frakturen des medialen Malleolus, des Talus und des proximalen fünften Mittelfußknochens. Frakturen des lateralen Malleolus, des Calcaneus und des zweiten bis vierten Mittelfußknochens sind Low-Risk-Frakturen.

Die Einteilung ist wegweisend für die Therapie: Bei Low-Risk-Verletzungen wird fast ausschließlich mit der REST-Therapie behandelt (Removal of abnormal Stress, Exercise, Safe return to previous level, Time for bone maturity). Das heißt erhöhte Belastungen zu vermeiden, zu einem niedrigeren Belastungsniveau zurückzukehren und dem Knochen Zeit für die Heilung zu lassen. Sportler müssen also ihr spezifisches Training sofort für vier bis sechs Wochen stoppen. Weiter trainiert werden kann in einer weniger schädigenden Disziplin wie Aquajogging oder Radtraining. In der nächsten Stufe soll Sportlern eine Rückkehr zu seiner vorherigen Leistungsfähigkeit ermöglicht werden. Vor allem muss die Knochenheilung in der letzten Heilungsphase ermöglicht und so ein sofortiges Rezidiv verhindert werden.

Bei High-Risk-Frakturen wird häufig operiert

High-Risk-Frakturen werden tendenziell eher operiert. Eine frühe Intervention kann bei einigen Patienten die Rehabilitation deutlich verkürzen und zu einem funktionell besseren Ergebnis führen. Trainer und Physiotherapeuten sollten in die Therapie einbezogen werden.

Dr. Jens Brüntrup ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Chirotherapie und physikalische Therapie. Er ist Oberarzt für Orthopädie am Klinikum Bielefeld.



STICHWORT

Verletzungen bei Läufern

Die Zahl der aktiven Läufer in Deutschland wird auf etwa zehn Millionen geschätzt. Davon bekommen zwischen 24 bis 77 Prozent eine Sportverletzung, die zum Arztbesuch führt. 50 Prozent der Langstreckenläufer haben chronische Beschwerden, 60 Prozent beziehen sich auf Unterschenkel und Fuß. Ein Großteil dieser Verletzungen sind Überlastungsschäden. Von diesen nehmen die Stressfrakturen einen Anteil von etwa 25 Prozent ein. (Jens Brüntrup)

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