Krankenhausstatistik

Benchmark Niederlande? Bitte nicht, warnen die Kliniken

Die Niederlande kommen mit 132 Kliniken aus – warum braucht NRW dann rund 400? Diese Frage nervt die Krankenhausgesellschaft. Sie warnt davor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Man müsse die Qualität der Versorgung im Blick behalten.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Vergleich mit Haken: Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Zahl der Kliniken in NRW bei ungefähr gleich großer Fläche und Bevölkerung fast viermal so hoch ist wie in den Niederlanden.

Vergleich mit Haken: Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Zahl der Kliniken in NRW bei ungefähr gleich großer Fläche und Bevölkerung fast viermal so hoch ist wie in den Niederlanden.

© Grafik Ärzte Zeitung

DÜSSELDORF. Es gibt einen Vergleich, den Matthias Blum nicht mehr hören kann: die Krankenhausdichte in den Niederlanden und in Nordrhein-Westfalen, insbesondere im Ruhrgebiet. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Zahl der Kliniken in NRW bei ungefähr gleich großer Fläche und Bevölkerung fast viermal so hoch ist wie in den Niederlanden. "Dieser Vergleich ist Quatsch", sagte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) auf dem Kongress "Health 4.0" in Düsseldorf.

Die Zahlen allein sagen seiner Meinung nach nichts über die Qualität der Versorgung aus. "In den Grenzregionen haben wir laufend Patienten aus den Niederlanden, die zu uns kommen, weil sie dort keinen Termin bekommen", berichtete Blum.

Armut, Arbeitslosigkeit und Alter

NRW sei mit rund 500 Einwohnern pro Quadratkilometer deutlich stärker besiedelt als der Durchschnitt aller Bundesländer mit 250. Im Ruhrgebiet sei die Einwohnerdichte nochmals um ein Vielfaches größer. Das hat Folgen für die Krankenhausversorgung. "Auf 13 Prozent der Fläche steht ein Drittel der Krankenhäuser", sagte er. Diese Kliniken hätten alle gut zu tun. Das Ruhrgebiet sei überdurchschnittlich stark geprägt durch drei Faktoren, die krank machen: Armut, Arbeitslosigkeit und Alter. "Wir sollten stolz sein auf unsere Krankenhäuser und das, was unsere Mitarbeiter dort täglich leisten", forderte Blum.

Er begrüßte, dass die schwarz-gelbe Landesregierung und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bis zum Jahr 2020 für die Klinik-Investitionsfinanzierung insgesamt 850 Millionen Euro zusätzlich einplanen. "Es stimmt, dass kein Minister in den letzten Jahren so viel Geld zur Verfügung gestellt hat." Das "tolle Signal" reiche aber nicht, da den Häusern in Nordrhein-Westfalen pro Jahr eine Milliarde Euro fehle.

"Digitalisierungsgrad 0,8"

Die Diskrepanz zwischen dem Investitionsbedarf und den zur Verfügung stehenden Mitteln, die nicht auf NRW beschränkt ist, wirke sich auch auf den Digitalisierungsgrad der Kliniken aus, betonte der KGNW-Geschäftsführer. Die Häuser hätten noch lange nicht das Stadium 4.0 erreicht, sondern lägen gerade einmal bei 0.8 bis 1.2. "Wenn wir die Chancen der Digitalisierung nicht völlig verschlafen wollen, brauchen wir dringend eine milliardenschwere Anschubfinanzierung." In NRW könne sie eventuell über die landeseigene NRW-Bank erfolgen, sagte er.

Die für 2017 vom Land zusätzlich bereitgestellten 250 Millionen Euro für die NRW-Krankenhäuser seien mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein, aber immer noch nicht ausreichend, bestätigte Professor Boris Augurzky, Leiter des Bereichs Gesundheit beim Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. Er hatte die Studie geleitet, die den jährlichen Investitionsbedarf von einer Milliarde Euro ermittelt hatte. "Der relevante Punkt ist die dauerhafte Finanzierung."

Augurzky, der mit Kollegen regelmäßig das bundesweite Krankenhausbarometer erarbeitet, sieht aber auch Handlungsbedarf bei den Kliniken selbst. Die Analysen hätten deutlich gezeigt, dass Krankenhäuser, die sich spezialisieren, in der Regel wirtschaftlich besser dastehen. Das gelte auch für das Ruhrgebiet. "Ich glaube, dass bei 100 Standorten im Ruhrgebiet die Versorgung durch die Spezialisierung nicht gefährdet wird." Auf dem Land sehe das anders aus.

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