Ärztekammern erhalten Zugang zu Routinedaten
Auch die Ärzte dürfen an die Daten der Kassen ran. Das hat das Gesundheitsministerium klar gestellt. Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung kritisierte unterdessen die Wege, die die Versichertendaten nehmen sollen.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Ärztekammern fühlten sich übergangen, als das Gesundheitsministerium den Kreis der Nutzungsberechtigten der Routinedaten der Kassen erweiterte. Jetzt hat das Ministerium gegenüber der "Ärzte Zeitung" klargestellt: Bundes- und Landesärztekammern sind dabei.
Namentlich genannt sind sie im Entwurf des Versorgungsstrukturgesetzes allerdings nicht. Deshalb hatten die Kammern zuvor in mehreren Stellungnahmen auf den Zugang zu den Daten gedrängt. Sie seien für die Steuerung der ärztlichen Weiterbildung wichtig, lautete ihr Argument.
Datensammlung soll Versorgungsanalysen ermöglichen
Der Entwurf sieht vor, dass die Morbi-RSA-Daten, die die Kassen an das Bundesversicherungsamt übermitteln, mehr Akteuren im Gesundheitswesen als bisher zu klar definierten Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden sollen.
Nach den Vorstellungen des Gesundheitsministeriums soll eine Datensammlung entstehen, die über längere Zeiträume Versorgungsanalysen ermöglicht.
Die Bundesärztekammer (BÄK) hält die in Frage kommenden Daten allerdings für nicht ausreichend, um Unter-, Über- oder Fehlversorgung zu ermitteln. Dies geht aus einer Stellungnahme der BÄK vom 29. Juni hervor.
Es fehlten beispielsweise Informationen zu im Krankenhaus vorgenommenen stationären und ambulanten Prozeduren, abgerechneten EBM-Ziffern in der kassenärztlichen Versorgung sowie ein Regionalkennzeichen, das kleinräumige Analysen ermögliche.
Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich bezieht 80 Krankheiten ein. Eine breitere Aufstellung wäre aussagekräftiger, sagte KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller am Dienstag der "Ärzte Zeitung".
Schaar regt Änderungen des Versorgungsstrukturgesetzes an
Unterdessen regt der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, Änderungen im Entwurf des Versorgungsstrukturgesetzes an. Die Erleichterungen bei der Versorgungsforschung könnten "datenschutzfreundlicher" gestaltet werden, teilte Schaar der "Ärzte Zeitung" auf Anfrage mit.
Schaar kritisiert vor allem die Wege, die die Versichertendaten bis zur Übergabe an mögliche Nutzer nehmen sollen.
Das Gesundheitsministerium will dabei ausschließen, dass die Daten bis zu den Versicherten zurückverfolgt werden können. Hier hakt der Datenschutzbeauftragte ein: "Allerdings sind die Einzelheiten hinsichtlich des erforderlichen Datenumfangs und des Verfahrens in den Vorschriften aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht hinreichend bestimmt geregelt", übermittelte Schaar der "Ärzte Zeitung".
Leistungsdaten und Pseudonymen
Die Bestimmungen legten nahe, dass eine "Vertrauensstelle" die gesamten Daten aus dem Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) erhalte, die dem Bundesversicherungsamt vorliegen. Diese Datensätze bestehen aus den Leistungsdaten der Versicherten und aus ihren Pseudonymen.
Dies sei aus datenschutzrechtlicher Sicht nur zulässig, wenn gewährleistet sei, dass die Vertrauensstelle Leistungsdaten und die Pseudonyme der Versicherten voneinander trenne. Von einer Pseudonymisierung spricht das Bundesdatenschutzgesetz, wenn Namen oder andere Identifizierungsmerkmale durch ein Kennzeichen ersetzt werden, um die Reidentifizierung auszuschließen oder wesentlich zu erschweren.
Getrennte Übermittlung wäre datenschutzfreundlicher
Datenschutzfreundlicher wäre ein Verfahren, das eine getrennte Übermittlung der Leistungsdaten vom Bundesversicherungsamt an die Datenaufbereitungsstelle und der Pseudonyme an die Vertrauensstelle vorsehe, heißt es in der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Dieser Datenfluss müsse gesetzlich geregelt werden.
Noch hat das Ministerium nicht bestimmt, welche öffentlichen Ämter die Rolle der Vertrauensstelle beziehungsweise der Datenaufbereitungsstelle wahrnehmen könnten. In der Begründung zum Gesetz heißt es dazu nur vage, dass das Bundesversicherungsamt für beide in Betracht komme.
Gleichzeitig müsse aber eine räumliche, organisatorische und personelle Eigenständigkeit der Datenaufbereitungsstelle gewährleistet sein.
Bereits seit 2004 waren die Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu verpflichtet, eine Nutzung der Daten für die Versorgungsforschung zu organisieren. Dies habe die Selbstverwaltung nicht umgesetzt, moniert das Gesundheitsministerium.
Deshalb solle das Gesundheitsministerium nun per Rechtsverordnung dazu ermächtigt werden, das Verfahren in die Hand zu nehmen.