Ärzte wollen an Routinedaten der Kassen ran

Zwei Ärztekammern fordern den Zugang zu den aus den Patientenabrechnungen gewonnenen Routinedaten der Kassen. Im Versorgungsgesetz ist der nicht vorgesehen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Einen Datenaustausch für Versorgungsforschung in großem Stil könnte das Versorgungsstrukturgesetz in Gang setzen.

Einen Datenaustausch für Versorgungsforschung in großem Stil könnte das Versorgungsstrukturgesetz in Gang setzen.

© sth

BERLIN. Ein Paragraf ganz weit hinten im Entwurf des Versorgungsstrukturgesetzes sorgt für Unmut bei der Ärzteschaft.

Die Ärztekammern fühlen sich ausgeschlossen aus der Nutzung der verschlüsselten Routinedaten von Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, die bei der Abrechnung medizinischer Leistungen gewonnen werden.

Der Paragraf 303e SGB V erweitert den Kreis der Nutzungsberechtigten erheblich. Neu hinzu könnten der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, das Aqua-Institut und das DRG-Institut (InEK) kommen.

Deutscher Apothekerverband darf Daten nutzen

Das Gesetz erlaubt auch den "für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene" die Nutzung der Daten.

Dazu gehört zum Beispiel der Deutsche Apothekerverband (DAV). Hochschulen und wissenschaftliche Institutionen werden aus den Daten Erkenntnis saugen dürfen, wenn denn der Entwurf Gesetz wird.

Das Gesetz fordert von allen Zugangsberechtigten auszuschließen, dass Patienten anhand der Daten identifiziert werden können.

Daten geben Auskunft über realen Versorgungsbedarf

Erklärtes Ziel der Regierung ist es, die Datengrundlage für die Versorgungsforschung deutlich zu verbessern und so die Entscheidungsprozesse zur Weiterentwicklung des GKV-Systems zu unterstützen.

Ziel verfehlt, meint der Präsident der Ärztekammer Berlin Dr. Günther Jonitz. Grund: Der neue Paragraf billigt den Ärztekammern keine Einsichtsrechte zu.

"Wer Ärztekammern von diesen Informationsquellen abschneidet, meint es mit der Verbesserung der Versorgungsqualität nicht ernst und trägt damit zum Ärztemangel aktiv bei", schreibt Jonitz in der Zeitschrift "Berliner Ärzte".

Die Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen seien von zentraler Bedeutung für eine realistische patienten- und problemorientierte Fort- und Weiterbildung.

Nur, wenn auch die Ärztekammern über Daten verfügen, welche Krankheiten und Eingriffe an welchen Orten mit welcher Häufigkeit aufträten, könnten gezielte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen entwickelt werden, so Jonitz.

Windhorst unterstützt Forderung

Unterstützt wird Jonitz in dieser Forderung von Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe.

"Die Routinedaten bilden die Morbidität ab und ermöglichen uns damit einen Blick auf den Versorgungsbedarf der Bevölkerung. Diese Daten können dann Berücksichtigung bei der Steuerung der ärztlichen Weiterbildung finden", sagte Windhorst.

Der neue Paragraf lässt noch vieles im Unklaren. So hat der Bundesbeauftragte für Datenschutz zu den neuen Regelungen noch keine Stellung bezogen. Die "Ärzte Zeitung" rechnet am Montag mit Antworten.

Auch die Selbsthilfegruppen forschen zur Versorgung

Neu ist, dass die Selbsthilfegruppen Zugang zu den Routinedaten erhalten sollen, um Versorgungsforschung zu betreiben.

Manche Gruppen erhalten Zuwendungen aus der Pharma- und Hilfsmittelindustrie. Der Gesetzentwurf geht nicht darauf ein, wie die Daten vor dem Zugriff von Partnern der eigentlich Nutzungsberechtigten geschützt werden können.

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