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Politiker suchen Rezepte für einen Qualitäts-TÜV

Im Vorfeld der Bundestagswahl schärfen die Parteien ihre gesundheitspolitischen Profile nach. So auch bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Muss die Digitalisierung auch gesundheitspolitisch begleitet werden? Das diskutierten Politiker kürzlich in Frankfurt.

Muss die Digitalisierung auch gesundheitspolitisch begleitet werden? Das diskutierten Politiker kürzlich in Frankfurt.

© alexey_boldin / stock.adobe.com

FRANKFURT/MAIN. Eine Bürgerversicherung würde nicht dazu führen, dass Kassenpatienten schneller Termine beim Facharzt bekämen. Das sagte Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der KV Hessen, bei einer Podiumsdiskussion in Frankfurt zur Zukunft der ambulanten Versorgung. Vielmehr würden sich die Wartezeiten für Kassenpatienten nicht wesentlich verkürzen, für Privatversicherte jedoch signifikant verlängern. Dastych geht davon aus, dass PKV-Patienten statt zehn dann 46 Tage warten müssten, während die GKV-Versicherten vier Tage gewinnen würden. "Das heißt, an den Wartezeiten können wir die Diskussion nicht festmachen", so Dastych, dessen KV zu der Veranstaltung geladen hatte.

Im Vorfeld der Bundestagswahl diskutierte Dastych mit Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU), der Bundestagsabgeordneten Kordula Schulz-Asche (Grüne) und dem hessischen FDP-Landtagsabgeordneten René Rock. Der geladene SPD-Vertreter Dr. Edgar Franke hatte kurzfristig absagen müssen.

» Digitalisierung: FDP-Politiker Rock zeichnete eine eher düstere Zukunftsvision. So könne ein sprachgesteuerter Computer wie Apples "Siri" nahezu selbstständig auch bei Gesundheitsfragen agieren, die Schlafqualität überwachen, autark Medikamente gegen Husten bestellen oder, wenn der Husten anhält, ungefragt einen Arzttermin ausmachen. "Da wird keiner von uns gefragt, ob wir das gut finden", so Rock. "Irgendeiner wird eine solche App einfach entwickeln, und dann geht‘s los. Ob das ordentlich gemacht ist, wird zweitrangig sein – Leute werden das cool finden, also werden sie es benutzen." Dabei müsse bedacht werden, inwiefern diese Strömung der Digitalisierung gesundheitspolitisch begleitet werde.

Schulz-Asche verwahrte sich dagegen, die Digitalisierung so negativ zu sehen – es gehe darum, qualitätsgestützte Angebote zu machen. "Mit der Digitalisierung sind viele Chancen verbunden – gerade im ländlichen Raum!", betonte sie. Ausdrücklich meine sie jedoch nicht die elektronische Gesundheitskarte, die bereits ein überholtes Konzept sei. Vielmehr will sie eine elektronische Patientenakte, deren gespeicherte Informationen in der Verfügungsgewalt der Patienten liegen. Grüttner sagte, man müsse versuchen, Wildwuchs im E-Health-Sektor zu erkennen und zu verhindern: "Wir wollen eine Zertifizierung, die klar macht, welche Anwendungen vernünftig sind!"

» Bürgerversicherung: Viele Fronten, aber wenig Überraschungen, da alle Vertreter klar auf der Linie ihrer Bundesparteien blieben: Während Grüttner und Rock sich dagegen aussprachen und versuchten, eine Lanze für den Erhalt der PKV zu brechen, argumentierte Schulz-Asche allein auf dem Podium ohne die übliche Schützenhilfe der SPD leidenschaftlich dafür. Auf einem guten Weg sei Hamburg – dort will man den jungen Beamten künftig ermöglichen, sich gesetzlich zu versichern. Jedoch sei auch den Grünen klar, dass eine Neuausrichtung nicht von heute auf morgen machbar sei.

» Versorgung im ländlichen Raum: Schulz-Asche sagte, für die flächendeckende Versorgung der Zukunft werde eine bessere Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationären Sektor sowie zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen benötigt. Dafür sei auch nötig, dass die Gesundheitsberufe sehr viel stärker definierten, was ihre Aufgaben seien.

Rock sagte, die Politik dürfe die niedergelassenen Ärzte als "Rückgrat der Medizin" nicht weiter schwächen, sondern müsse sie stärken – so wolle die FDP zum Beispiel die Budgetierung abschaffen. Provokant fragte Moderator Christoph Barkewitz KV-Chef Dastych, ob man in Hessen eine "Willkommenskultur für niedergelassene Ärzte" brauche. Dastych: "Am Anfang, das wissen wir, gibt es oft eine hohe Bereitschaft, in die ambulante Versorgung zu gehen. Am Ende sieht das schon ganz anders aus." Ein Grund dafür sei, dass nur bei den Allgemeinärzten die Weiterbildung zum größten Teil in der Praxis stattfinde – die Fachärzte würden während der Klinikzeit dort hängenbleiben. Dort gelte es anzusetzen.

Nicht diskutiert wurde in diesem Zusammenhang, dass die KV Hessen als Konsequenz der gescheiterten Honorarverhandlungen im Land ihre Mittel zur Niederlassungsförderung zum Jahresende streichen will (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

» Teilzeit: Immer mehr Ärzte arbeiten nicht mehr in Vollzeit – Gründe dafür sieht Schulz-Asche im höheren Frauenanteil und dem generell gestiegenen Bedürfnis nach einer Work-Life-Balance. Es sei die Aufgabe der Politik, zu überlegen, welche Strukturen man schaffen muss, um diesem Bedürfnis nachzukommen – zum Beispiel, indem Synergieeffekte zwischen den Gesundheitsberufen geschaffen und bestehende Möglichkeiten genutzt werden. Rock: "Es ist doch ganz einfache Mathematik – wenn mehr Ärzte in Teilzeit arbeiten, brauche ich mehr Köpfe. Eigentlich weiß das jeder, doch es ist sehr schwierig, die notwendigen Kapazitäten dafür aufzubauen."

Grüttner hielt dagegen, diese Aussage sei zu einfach gedacht und zu plakativ formuliert. "Wenn ich mehr ausbilden will, brauche ich dazu auch mehr Kliniken, die als akademische Lehrkrankenhäuser zur Verfügung stehen", sagte der Sozialminister. "Daran arbeiten wir intensiv." Eine spannende Frage, die diskutiert werden müsse, sei, ob man zum Beispiel bei der Bedarfsplanung künftig nicht mehr von der Zahl der Arztsitze ausgehen solle, sondern von der Zahl der Arbeitsstunden.

Dastych sagte, das Problem sei viel eher darin zu suchen, dass Teilzeit bei einem Einzelsitz unmöglich sei: "Es sei denn, man erlaubt den KVen, eine solche Praxis auch in nicht-unterversorgten Regionen übergangsweise zu betreiben und den Arzt anzustellen."

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