Forsa-Umfrage / GKV-Spitzenverband

Krankenkassen für mehr Sprechstunden abends und am Samstag

Wie können Patienten schneller und einfacher an Arzttermine kommen? Die Kassen sehen noch einigen Spielraum bei den Öffnungszeiten. Die KBV reagiert verärgert.

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Streitpunkt Sprechstundenzeiten: Wie viel Zeit muss ein Arzt seinen Patienten anbieten? Im TSVG ist für Vertagsärzte eine Ausweitung der Mindestsprechstunden auf 25 Stunden vorgesehen. Den Krankenkassen geht das nicht weit genug.

Streitpunkt Sprechstundenzeiten: Wie viel Zeit muss ein Arzt seinen Patienten anbieten? Im TSVG ist für Vertagsärzte eine Ausweitung der Mindestsprechstunden auf 25 Stunden vorgesehen. Den Krankenkassen geht das nicht weit genug.

© kamasigns / stock.adobe.com

BERLIN. Kurz vor Weihnachten holt der GKV-Spitzenverband noch einmal gegen die niedergelassenen Ärzte aus. Deutlich mehr Arztpraxen sollten aus dessen Sicht auch am frühen Abend und samstags für die Patienten da sein. „Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte“, äußerte sich der Vize-Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Und er setzt nach: Die viele Arbeit außerhalb der traditionellen Kernzeiten dürfe nicht an wenigen Ärzten hängen bleiben, die etwa schon samstags da seien. Auch Mittwoch und Freitag habe am Nachmittag der Großteil der Praxen geschlossen, abends und am Wochenende sowieso. „Kein Wunder, dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen“, so die provokante These des GKV-Vizevorsitzenden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssten daher für patientenfreundlichere Sprechzeiten sorgen.

Forsa-Umfrage zu Sprechstundenzeiten

Stackelberg bezieht sich mit seinen Aussagen auf eine Umfrage im Auftrag des Kassen-Verbands. Befragt wurden darin 1400 niedergelassene Hausärzte, Kinderärzte sowie Augenärzte, Orthopäden, Gynäkologen und HNO-Ärzte vom Institut Forsa im Spätsommer 2018.

Danach haben zum Beispiel mittwochs zwischen 14.00 und 17.00 Uhr 20 Prozent der Praxen Sprechstunden, freitags unter 20 Prozent. Sprechstunden nach 18.00 Uhr bieten demnach montags, dienstags und donnerstags mehr als die Hälfte der Praxen an. Nach 19.00 Uhr sind es dann weniger (Montag 9 Prozent, Dienstag 10 Prozent, Donnerstag 12 Prozent). Samstags bieten laut der Umfrage ein bis zwei Prozent der Praxen zwischen 8.00 und 13.00 Sprechstunden an.

Dem Vorbild der rund zehn Prozent an Praxen, die zumindest von 19.00 bis 20.00 Uhr Sprechstunden anböten, sollten viele Ärzte folgen, fordert von Stackelberg.

Keine Privatpatienten in offizieller Sprechstunde?

Die Kassen mahnen zudem, wenn Ärzte nur die Mindestzahl von derzeit 20 Sprechstunden pro Woche anbieten, dürften sie in dieser Zeit keine Privatpatienten behandeln und keine Privatleistungen verkaufen. „Für private Zusatzgeschäfte müssen zusätzliche Termine und Sprechstunden angeboten werden“, so von Stackelberg.

Erst vor kurzen hatte er geäußert, die Mindestsprechstundenzahl von 20 auf 25 Wochenstunden zu erhöhen, sei „absolut richtig und notwendig“. Allerdings biete jeder vierte Vertragsarzt laut Forsa-Umfrage weniger als 25 Stunden Sprechzeit pro Woche an. Unter anderen diese Ausweitung sieht bekanntlich das Gesetzespaket des TSVG vor.

Die KBV hatte die Zahlen zu den Sprechstundenzeiten bereits direkt nach Bekanntwerden als „Fake news“ zurückgewiesen. Sprechstundenzeiten dürften nicht mit Behandlungszeiten für Patienten gleichgesetzt werden. Das Zi weise hier andere Zahlen auf.

Stärkere Sprechstunden-Regulierung gefordert – KBV sauer

Stackelbergs Forderungen gehen nun noch weiter. Damit es wirklich genug Sprechstunden gebe, müsse zudem stärker vorgegeben werden, was in diesem Rahmen möglich ist und was nicht. Er kritisiert: Manchmal gebe es nur auf dem Papier genug Ärzte – etwa wenn Augenärzte operieren und so für einfache Erkrankungen oder Routineuntersuchungen keine Zeit haben.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung reagiert prompt – und wenig begeistert. „Der GKV-Spitzenverband hat vor einigen Tagen eine sogenannte Studie veröffentlicht, die wir bereits als fake news bezeichnet haben. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass diese nunmehr wiederholt wird“, so der KBV-VorstandsvorsitzendeDr.Andreas Gassen auf Anfrage der "Ärzte Zeitung". Die Aussagen des GKV-Spitzenverbands seien ein Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und zeugten von der Ferne von Krankenkassenfunktionären zur Versorgung von Patienten.

Gassen verweist darauf, dass die Niedergelassenen 52 Wochenstunden im Schnitt arbeiteten und häufig viel mehr Sprechstunden leisteten als sie müssten. Vereinbart seien mit dem GKV-Spitzenverband mindestens 20 Wochenstunden. Zu den Zeiten, an denen die Praxen geschlossen sind, gebe es den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116117.

„Es ist also Unsinn, zu behaupten, zu wenige Samstagssprechstunden seien der Grund dafür, dass Menschen in die Notaufnahmen gingen“, so Gassen und feuert seinerseits auf die Krankenkassen und ihre Verweigerung einer adäquate Finanzierung. „Sie geben ein unendliches Leistungsversprechen ab und vergüten aber im Schnitt fast 15 Prozent der Leistungen nicht. Das darf nicht so weitergehen. Wir müssen endlich den Weg der Entbudgetierung beschreiten und dabei mit den Grundleistungen anfangen. Bei der ständigen Zechprellerei jetzt noch eine Serviceangebotserweiterung zu fordern, ist einfach nur dreist und frech.“

Auch BÄK kritisiert Realitätsferne

Ähnliche reagiert Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery zu den GKV-Äußerungen: „Die Kassenfunktionäre sollten sich dringend aus ihren Verwaltungsgebäuden heraus bemühen und einen Blick in die Praxen der niedergelassenen Ärzte werfen. Die Kollegen arbeiten am Limit und oftmals darüber hinaus. Das wissen unsere Patienten und das sollte auch ein Herr von Stackelberg wissen, wenn er sich denn wirklich für konstruktive Lösungen für die ambulante Versorgung interessieren würde.“ Statt Polemik seien vielmehr praxistaugliche Reformen erforderlich.

Montgomery fordert: „Wer Versorgungsengpässe vermeiden will, sollte sich für mehr ärztlichen Nachwuchs und attraktive Arbeitsbedingungen einsetzen. Dazu gehört auch das Ende der Budgetierung von Gesundheitsleistungen.“  (run/af/dpa)

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