„Digitale-Versorgung-Gesetz“
Was die elektronische Patientenakte zum Start können soll
Mit einem Gesetz alleine ist die elektronische Patientenakte nicht eingeführt. Der politische Streit um Akte und Apps ist in vollem Gange – und die ePA soll sich in weiteren Ausbaustufen verändern.
Veröffentlicht:Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betont derzeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass die elektronische Patientenakte im Januar 2021 „nicht perfekt“ an den Start gehen werde. Tatsächlich sind erste Ausbauschritte bereits vorgesehen. Mit einer Fortschreibung des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) solle die Akte ab 2022 auch „feingranulare Zugriffe“ ermöglichen, sagte Gesundheitsstaatssekretär Thomas Steffen bei einer Veranstaltung des GKV-Spitzenverbandes am Dienstagabend in Berlin.
DVG auch in Version 3.0 und 4.0?
Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Patientenakte werden die darin enthaltenen Daten für alle Ärzte und weitere Nutzer einsehbar sein. Erst in der Ausbaustufe sollen die Besitzer der Akten im vollen Umfang die darin enthaltenen Daten selbst verwalten und von ihnen festgelegten Nutzern zugänglich machen können. „Ich glaube, die ePA wird sich durchsetzen, weil die Menschen die Vorteile einsehen werden“, sagte Steffen.Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge kündigte in diesem Zusammenhang an, dass es voraussichtlich auch zu Digitalen-Versorgungs-Gesetzen 3 und 4 und mehr kommen werde. „Wir müssen davon wegkommen, alles auf einmal regeln zu wollen“, sagte Sorge. Er wisse nicht, welche Anwendungen für die Akte in fünf oder sieben Jahren auf dem Markt sein könnten.
Die rein deutsche Perspektive auf Datenschutz und -sicherheit könnte bis dahin ohnehin überholt sein. Steffen wies darauf hin, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen Thema der Deutschen Ratspräsidentschaft sein werde. Dabei solle über alle Aspekte eines europäischen Datenraums gesprochen werden.
Einen erfolgreichen Start der Patientenakte vermochte sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink, nicht vorstellen, da das „Kernprojekt der Digitalisierung“ mit massiven Einschränkungen starte.
Mit unsicherer Akte starten?
Auch SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut äußerte Zweifel. Es sei kein guter Weg, die Akte ohne funktionierende Rechteverwaltung für die Besitzer auf den Weg zu bringen. „Mit einer unsicheren Version zu beginnen, um ein Jahr später die sichere Version draufzusetzen, halte ich für hochproblematisch“, sagte Heidenblut mit Blick auf mögliche Akzeptanzprobleme.
Das DVG soll am 7. oder 8. November im Bundestag verabschiedet werden. Spahn hat am Montag bei der Gründungsveranstaltung des „Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung“ angekündigt, dass die dazugehörige Verordnung weitere drei Monate brauche. Ab dem zweiten Quartal 2020 sollen dann erste medizinisch-therapeutische Apps von Ärzten verschrieben werden können. Fertige Evidenz werde man von den Apps nicht erwarten können, sagte Tino Sorge bei der GKV-Veranstaltung. Die Einführung der Apps in die Versorgung sei ein „iterativer Prozess“.
„Ich bin für die schnelle Einführung von Apps auf der Fast Lane“, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Cristine Aschenberg-Dugnus. Das sei aber keine „Stunde null“. Die Akteure seien viel weiter. In der Diabetes-Versorgung seien Apps bereits Standard. Zweifel äußerte Aschenberg-Dugnus an der schnellen Erstbegutachtung der Apps beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Der Gemeinsame Bundesausschuss könne dies mit einer „klaren Zeitvorgabe“ besser leisten.
GKV-Spitzenverbands-Chefin Dr. Doris Pfeiffer wiederum sah „nicht zwingend“ den GBA gefordert, die Apps für die Versorgung zuzulassen. Dies werde erst dann nötig, wenn eine App tatsächlich als Ersatz für die Behandlung durch Arzt oder Psychotherapeuten vorgesehen sei.
Der „ungerichtete Suchprozess“, den das DVG auslöse, werde eine „Goldgräberstimmung“ befeuern, warnte Harald Weinberg von der Linken. Ob so auf Kassenkosten tatsächlich Verbesserungen finanziert würden, sei zweifelhaft. Da echte Preisverhandlungen zwischen App-Hersteller und der Kassenseite erst nach einem Jahr der Evidenzgewinnung in der Versorgung vorgesehen seien, fürchte er, dass viel Geld für Scheininnovationen verbrannt werden könnte.