Baden-Württemberg

So geht Fernbehandlung bei "Doc Direkt"

Ab März wird die ambulante Versorgung in Baden-Württemberg um eine Facette reicher. In zwei Regionen startet ein Projekt zur Fernbehandlung. Bei "Doc Direkt" bekommen GKV-Patienten binnen 30 Minuten qualifizierten ärztlichen Rat.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Von Tuttlingen kann 2018 ein Signal ausgehen: Fernbehandlung lässt sich in die GKV-Versorgung integrieren.

Von Tuttlingen kann 2018 ein Signal ausgehen: Fernbehandlung lässt sich in die GKV-Versorgung integrieren.

© contrastwerkstatt / Fotolia

Von Tuttlingen kann 2018 ein Signal ausgehen: Fernbehandlung lässt sich in die GKV-Versorgung integrieren. Der Landkreis im Schwäbischen wird zusammen mit Stuttgart die Modellregion bilden, in der Vertragsärzte bundesweit erstmals – ohne vorherigen Kontakt – telemedizinisch beraten und behandeln. Das Projekt der KV Baden-Württemberg soll im März starten. Die Landesärztekammer, die das Modellprojekt genehmigen muss, hat am 21. Dezember grünes Licht gegeben. "Wir freuen uns sehr, dass unsere Schwesterkörperschaft, die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, nun mit einem sehr erfolgversprechenden Konzept die innovative Regelung unserer Berufsordnung in der täglichen Routine anwendet", betonte Kammerpräsident Dr. Ulrich Clever. Die ärztliche Versorgung der Bevölkerung werde damit zukunftsorientiert ergänzt.

TeleClinic als Dienstleister an Bord

Ziel des "Doc Direkt" genannten Projekts ist letztlich die Patientensteuerung. Die KV will im kleinen Maßstab in Erfahrung bringen, ob ein ärztlich besetztes Callcenter Versicherte davon abhalten kann, das Krankenhaus aufzusuchen. Hintergrund ist das viel diskutierte Phänomen, dass Patienten teilweise auch mit Befindlichkeitsstörungen die Notaufnahme aufsuchen. Die KVBW kooperiert dazu mit der Münchener TeleClinic GmbH. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als "kompetente Alternative zu Google" und hat jüngst von der Kammer das Go für ein Projekt zur Fernbehandlung zusammen mit zwei PKV-Unternehmen erhalten.

Im KV-Projekt können GKV-Versicherte in den beiden Modellregionen ab März bei Gesundheitsbeschwerden ein Callcenter anrufen, und zwar werktags zwischen 9 und 19 Uhr. Dort erfolgt durch eine speziell geschulte MFA eine Ersteinschätzung: Im Falle eines Notfalls wird der Anrufer sofort an die Rettungsleitstelle weitergeleitet. Anderenfalls wird der Versicherte binnen 30 Minuten von einem Arzt zurückgerufen. 89 Vertragsärzte haben sich bisher beworben, als Telearzt zu arbeiten. Ergibt sich aus dem Gespräch, dass die Beschwerden nicht abschließend geklärt werden können, wird dem Patient am gleichen Tag ein Termin in einer Vertragsarztpraxis in der Nähe vermittelt.

Diese teilnehmenden PEP-Praxen (Patientennah erreichbare Portalpraxen) sind über eine webbasierte telemedizinische Plattform mit dem Callcenter verbunden. Sie müssen also keine zusätzliche Software auf den Praxisrechnern installieren. 72 Praxen haben bisher ihr Interesse bekundet, als PEP-Praxis zu agieren. Davon stammen 51 aus Stuttgart und sieben aus dem Landkreis Tuttlingen. 14 weitere Praxen sind in ganz Baden-Württemberg verteilt.

Kein Telearzt ohne Schwäbisch

Bei den 89 Aspiranten für den Job des Telearztes beginnen für die KV die Herausforderungen. Denn sie muss alle Mitglieder gleich behandeln – unabhängig von den sprachlichen Voraussetzungen und kommunikativen Fähigkeiten der Ärzte. Ausschließen kann die KV einen Arzt vom Modellprojekt nur, heißt es sibyllinisch in der Anfang Dezember von der VV verabschiedeten Richtlinie, "wenn Gründe vorliegen, die den Arzt für die Teilnahme (...) ungeeignet erscheinen lassen". Man könnte ergänzen: wenn er nicht genug schwäbisch kann.

Der Ausschluss eines Arztes soll insbesondere bei "wiederholter Nichterreichbarkeit" während der abgestimmten Ansprechzeiten sowie bei "begründeten Patientenbeschwerden" möglich sein. Wichtig zudem: Die Berufshaftpflicht der teilnehmenden Ärzte muss auch die spezifischen Risiken telemedizinischer Beratung und Behandlung abdecken und eine Deckungssumme von mindestens drei Millionen Euro aufweisen.

Vorgesehen ist, dass die PEP-Praxis für jeden über "Doc Direkt" vermittelten Patienten einen extrabudgetären Fallwertzuschlag in Höhe von 20 Euro erhält. Ihre Leistungen kann die Praxis zudem außerhalb des RLV abrechnen. Die Fälle müssen durch Verwendung einer Pseudo-GOP gekennzeichnet werden. Der Telearzt, der das Erstgespräch führt, soll jeden Anruf mit 25 Euro extrabudgetär honoriert bekommen.

KV-Verantwortliche aus ganz Deutschland dürften mit Argusaugen in den Südwesten blicken: Das auf zwei Jahre angelegte Projekt enthält eine Verlängerungsoption – doch dürfte sich relativ rasch abzeichnen, welche Bedeutung die Fernbehandlung in der vertragsärztlichen Versorgung spielen kann. Ausdrücklich heißt es, die Einbindung weiterer Regionen in das Projekt "ist vorgesehen".

KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner hat die Erfolgslatte vorab niedrig gehängt. Er hoffe, dass zehn bis 15 Prozent der Anrufer abschließend beraten oder in die ambulante Versorgung gelenkt werden können – und nicht in die Notaufnahmen.

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