Homöopathie-Diskussion

Der Globuli-GAU

Frankreichs Krankenversicherung kippt ab 2021 die Homöopathie aus dem Leistungskatalog. KBV-Chef Gassen fordert diesen Schritt auch für Deutschland.

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Ein Spiegel der Debatte in Deutschland: Der Rückzug aus der Erstattung für Homöopathie hat in Frankreich kontroverse Reaktionen ausgelöst.

Ein Spiegel der Debatte in Deutschland: Der Rückzug aus der Erstattung für Homöopathie hat in Frankreich kontroverse Reaktionen ausgelöst.

© totalpics / iStock

BERLIN/PARIS. Die Entscheidung des französischen Gesundheitsministeriums, Homöopathika schrittweise aus der Erstattung der Kassen zu nehmen, hat in Deutschland ein kontroverses Echo ausgelöst.

Aus Sicht des KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Gassen sollten die Krankenkassen Patienten keine homöopathischen Leistungen finanzieren. „Es gibt keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren“, sagte Gassen der „Rheinischen Post“ . Wer diese Mittel haben möchte, könne diese bekommen, „aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft.“

In Deutschland ist Homöopathie kein Bestandteil des Leistungskatalogs der Kassen. Allerdings zahlen viele Kassen ihren Versicherten die Behandlungskosten bis zu einem gedeckelten Betrag als Satzungsleistung.

Rechtslage nicht vergleichbar

Vor diesem Hintergrund haben Pharmaverbände darauf hingewiesen, die Rechtssituation in Frankreich sei nicht mit der in Deutschland vergleichbar.

Hierzulande würden bereits seit 2004 grundsätzlich alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, einschließlich der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, von der GKV nicht mehr erstattet, erinnern der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH).

2012 habe der deutsche Gesetzgeber bewusst den Wettbewerb zwischen den Kassen gestärkt und „Patienten die Möglichkeit gegeben, eine differenzierte Auswahl ihrer Krankenkasse vorzunehmen.“ Nach Angaben des Beratungsunternehmens IQVIA belief sich im vergangenen Jahr der Umsatz mit homöopathischen Arzneimitteln in Deutschland auf etwa 670 Millionen Euro. Davon seien 570 Millionen Euro auf die Selbstmedikation entfallen.

In der großen Koalition fordert SPD-Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach sei langem, Kassen die Bezahlung von Homöopathika als freiwillige Leistung zu verbieten. Das wäre „im Sinne der Vernunft und der Aufklärung sowie des Patientenschutzes“. Mit gleichem Tenor hatte sich in der Vergangenheit auch der GBA-Vorsitzende Professor Josef Hecken geäußert.

Die Unionsfraktion positioniert sich uneinheitlich. Zuletzt verlautbarte die gesundheitspolitische Sprecherin Karin Maag (CDU), man führe „keinen Kreuzzug“ gegen Naturheilverfahren“.

In Frankreich hat die Entscheidung von Gesundheitsministerin Dr. Agnès Buzyn, ab 2021 Homöopathie aus der Erstattungsliste der Krankenversicherung völlig zu streichen, heftige Debatten ausgelöst. V

or allem jungere Ärzte zeigen sich in Ärzteforen erfreut. Andere Ärztegruppen wollen noch weiter gehen und Homöopathie aus dem Lehrplan der Universitäten verbannen lassen.

Ministerin: Es geht nicht um Geld!

Erzürnt zeigt sich vor allem der Verband der homöopathischen Ärzte (Syndicat national des médecins homéopathes français) und spricht von einem Angriff auf einen Therapieansatz, der sich „bei Millionen Patienten bewährt hat“. Die WHO plädiere für eine Vielfalt von Therapien, Frankreich entwickele sich in die andere Richtung, heißt es.

Geplant ist, dass die Krankenkassen ab 2020 nur noch 15 Prozent statt bisher 30 Prozent der Kosten von Homöopathika übernehmen. Bislang kann der Rest von Privatversicherungen übernommen werden. Ab 2021 soll dann auch damit Schluss sein, weil diese Versicherungen nicht berechtigt sind, Zahlungen von Gesundheitsleistungen zu ergänzen, wenn diese gar nicht erstattungsfähig sind.

Die Krankenversicherung gibt derzeit im Schnitt 18 Euro für Homöopathika pro Patient und Jahr aus. Doch für Arzneimittel, die nicht mehr von den Kassen erstattet werden, gelten freie Preisbildung und eine höhere Mehrwertsteuer – es wird also teurer für die Patienten. Gesundheitsministerin Buzyn rechtfertigte ihre Entscheidung damit, es gehe um wissenschaftliche, nicht um wirtschaftliche Fragen. Es sei nicht Aufgabe der öffentlichen Krankenversicherung (Sécurité Sociale), Therapien zu finanzieren, deren Wirkung nicht bewiesen wurde. (DDB mit dpa-Material)

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 11.07.2019 um 17:50 Uhr.

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Kommentare
Dr. Heinrich Hümmer 22.07.201916:16 Uhr

vielleicht sind´s ja auch nur irrationale Ängste

Antidepressiva: Sie wirken laut einer Studie kaum besser als Placebos, dennoch werden sie massenweise verschrieben
https://www.nzz.ch/wissenschaft/antidepressiva-sie-wirken-laut-einer-studie-kaum-besser-als-placebos-dennoch-werden-sie-massenweise-verschrieben-ld.1495251

an alle Skeptiker einschließlich @Dr. Schätzler Skeptiker:
gemäß Ihrer Forderung, keine ausreichende Evidenz=keine Erstattung durch Krankenkassen, sehe ich hier ein
PHANTASTISCHES KOSTENEINSPRARPOTENTIAL
(weit über die lächerlichen 0,03% der homöopathischen Mittel hinaus), da die Evidenz der Antidepressiva offensichtlich unterirdisch ist im Vergleich zur Homöopathie...

Hey, ihr Skeptiker, wenn ihr es wirklich ernst meint mit eurer Evidenz, müsst ihr das sofort Herrn Dr. Lauterbach melden, denn er behauptet ja, dass es ihm einzig und allein um die Evidenz geht!
Auf Euch Skeptiker hört er ja!

Und dann sehe ich noch die PHANTASTISCHE Möglichkeit, die SPREU VOM WEIZEN zu TRENNEN:
Wem geht es wirklich nur um Evidenz-Kostenerstattung
ODER
wem ist die unheimliche und (bislang noch) irrationale Homöopathie willkommene Gelegenheit, alle seine irrationalen Ängste auf sie zu projizieren (wie auf die Hebammen des Mittelalters mit ihrem intuitiven Wissen), und diese Ängste dann zusammen mit der Homöopathie auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu hoffen?

Dr. Thomas Georg Schätzler 19.07.201909:46 Uhr

Bitte keine einstudierte Demagogie

Kollegen Heinrich Hümmer und Karsten Karad, wie kommen Sie bloß auf die abwegige Fragestellung:
"Woher nur dieser blinde Hass gegen die Homöopathie?"

Es fördert weder kritisches Selbst-Bewusstsein noch kritische Selbst-Reflexion, Selbsterfahrung, Selbstbestimmung, Eigen- und Selbstständigkeit bzw. Selbstbewusstsein, wenn man ausgerechnet Evidenz-basiert denkenden Kolleginnen und Kollegen Verblendung und Hass unterstellen oder aufoktroyieren will.

Offensichtlich gehen Ihnen die Argumente aus: Denn ein über ärztliche Kompetenz, Anamnese-Erhebung, Untersuchung, Beratung, Labor, Technik,
(Differenzial-)Diagnose, Zuwendung, Gespräch, Empathie und differenzierte Therapie hinausgehender, spezifischer Effekt der Homöopathie ist seit den Hahnemann''schen Glaubensbekenntnissen ab 1796 bis heute nicht zweifelsfrei verifizierbar.

"Die Homöopathie [?homøopa''ti?] (von altgriechisch ?µ???? homóios ‚gleich, gleichartig, ähnlich‘ sowie p???? páthos ‚Leid, Schmerz, Affekt, Gefühl‘; wörtlich also „ähnliches Leiden“)[1] ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode, die auf den ab 1796 veröffentlichten Vorstellungen des deutschen Arztes Samuel Hahnemann beruht. Die medizinische Wirkung geht nicht über den Placebo-Effekt hinaus.[2]"
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hom%C3%B6opathie

Nur wer naiv in der vorwissenschaftlichen Vergangenheit lebt, kann ein Zitat von Lord William Thompson Kelvin, Mathematiker und Erfinder, Präsident der Royal Society von 1895, verwenden wollen: Zumal damit dieselbe Rückwärts-Gewandtheit belegt wird, welche auch von Heilpraktikern mancher Couleur sekundiert wird.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Riga/LV)

Dr. Heinrich Hümmer 16.07.201921:37 Uhr

Woher nur dieser blinde Hass gegen die Homöopathie?

Sehr geehrter Kollege Karad,
selbige Frage stellte sich mir immer häufiger, da ich mich und meinen Werdegang exakt wie Sie es beschreiben erlebe.
Bei
- 0,03% Kosten für die Homöopathie im Vergleich zu konventioneller Medizin
- freier Wahl,ob man eine Kasse mit oder ohne Homöopathie-Erstattung wählt
- keinen nenneswerten Nebenwirkungen
- bei gewissenhafter Anwnendung kein Versäumnis erford. konvent. Therapien

stellt sich die drängende Frage, was nun wirklich das so Bedrohliche an der Homöopathie ist?
Meine persönlicher Erklärungsversuch:
Werden hier etwa die von den Rationalisten/Technokraten verdrängten Änste, die natürlich in Kontext von Krankheit und unmenschlichem Medizin-Apparat wieder aufflammen müssen, allesamt auf eine (biher noch) irrationale Therapieform übertragen?
Lieber Herr Karad,
wir haben unseren Erfolge, die uns ja bisweilen selbst ungläubig staunen lassen, vielleicht sollten wir uns einfach nicht zu sehr von dem polemisch-demagogischen aufgeheizten Mob (twitter etc.) verunsichern lassen. Wir werden ja hoffentlich nicht wie die Hebammen im Mittelalter ob unseres Wissens verbrannt werden.
Wir hatten übrigens vor einiger Zeit einen genauestens auch onkologischerseits dokumentierten eindrücklichen Fall, den wir publizieren konnten mit der Hoffnung, damit etwas für unsere Homöopathie tun zu können:
https://www.karger.com/Article/FullText/500122

Und wie sprach einst Lord William Thompson Kelvin, Mathematiker und Erfinder, Präsident der Royal Society 1895:
„Diese Strahlen des Herrn Röntgen werden sich als Betrug herausstellen.“

Dr. Elisabeth Arnold 15.07.201912:23 Uhr

Homöopathie ist kein Naturheilverfahren!

"Die Unionsfraktion positioniert sich uneinheitlich. Zuletzt verlautbarte die gesundheitspolitische Sprecherin Karin Maag (CDU), man führe „keinen Kreuzzug“ gegen Naturheilverfahren“.
Wieder einmal, wie so oft, wird unzulässigerweise Homöopathie mit Naturheilverfahren in einen Topf geworfen. Dass dies von der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU kommt, wirft kein gutes Bild auf ihre fachliche Kompetenz.
Auch im Kursbuch Naturheilverfahren der Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer ist Homöopathie kein Gegenstand der Weiterbildung, es wird lediglich eine Abgrenzung Phytotherapie-Homöopathie vorgenommen, siehe auch angehängter Link:
https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=5&ved=2ahUKEwiaivKO1LbjAhUS4KYKHSLCCisQFjAEegQIARAC&url=https%3A%2F%2Fwww.bundesaerztekammer.de%2Ffileadmin%2Fuser_upload%2Fdownloads%2FKursbuchNaturheilverfahren.pdf&usg=AOvVaw0bUcGRMGml1NUoQb5VcAjq

Dr. Thomas Georg Schätzler 12.07.201919:25 Uhr

DEESKALATION WÄRE DAS GEBOT DER STUNDE!

Wer Homöopathie-Kritiker mit "blindem Hass gegen die Homöopathie" tituliert, gießt m.E. demagogisch Öl aufs Feuer einer dringend notwendigen gesamtgesellschaftlichen Debatte um diese "besondere Therapierichtung".

Im Kern geht es darum, ob homöopathische Therapieverfahren einen über den Placeboeffekt hinausgehenden, statistisch nachweisbaren, leitlinienadäquaten, therapeutisch hilfreichen Effekt haben können.

Der zitierte Mathie schrieb 2014 in "Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis" von Robert T Mathie et al.
https://doi.org/10.1186/2046-4053-3-142
als Schlussfolgerungen von möglichen kleinen, spezifischen Behandlungseffekten. Die insgesamt geringe oder unklare Qualität der Evidenz lege eine vorsichtige Ergebnisinterpretation nahe. Die Autoren fordern neue RCT("randomized controlled trials")-Forschung von hoher Qualität, um maßgeblichere Interpretationen zu ermöglichen ["Conclusions -
Medicines prescribed in individualised homeopathy may have small, specific treatment effects. Findings are consistent with sub-group data available in a previous ‘global’ systematic review. The low or unclear overall quality of the evidence prompts caution in interpreting the findings. New high-quality RCT research is necessary to enable more decisive interpretation"].

In der Publikation Homeopathy 2018; 107(04): 229-243
DOI: 10.1055/s-0038-1667129
Review Article
The Faculty of Homeopathy
"Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled, Trials of Individualised Homeopathic Treatment" von
Robert T. Mathie et al. finden sich ähnliche, vage formulierte Schlussfolgerungen: "Conclusions - Due to the low quality, the small number and the heterogeneity of studies, the current data preclude a decisive conclusion about the comparative effectiveness of IHT. Generalisability of findings is limited by the variable external validity identified overall; the most pragmatic study attitude was associated with RCTs of adjunctive IHT. Future OTP-controlled trials in homeopathy should aim, as far as possible, to promote both internal validity and external validity."

Vage Schlussfolgerungen deshalb, weil das Fehlen von methodisch korrekten, kontrollierten Homöopathie-Studien gleichzeitig festgestellt, beklagt, eingefordert und als nicht vorhanden deklariert wird.

Wissenschaftlich gesicherte, Leitlinien-gerechte, Evidenz-basierte Therapieverfahren gehen dagegen, wie durch zahllose randomisierte, kontrollierte und auch doppelblinde Studien nachgewiesen publiziert, von hochsignifikant über den Placeboeffekt hinausgehenden Untersuchungs-, Heilungs- und Linderungsprozessen bei unseren Patientinnen und Patienten aus.

Wissenschaftliche Irrtümer, Revisionen, Fehl-Interpretationen und -Entwicklungen eingeschlossen, wie von mir in zahlreichen kritischen Kommentaren und Publikationen auch belegt.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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