Pflegepersonalstärkungsgesetz
Vorerst nur ein Regelwerk der ersten Schritte
Das Pflegepersonalstärkungsgesetz ist beschlossen. Die Herausnahme der Pflegekosten aus den Fallpauschalen birgt Risiken für andere Berufsgruppen in den Kliniken. Kostendeckung auch bei den Kosten für Klinikärzte könnte Spielräume für die Versorgung und die Weiterbildung eröffnen.
Veröffentlicht:BERLIN. Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) hat die Koalition ein großes Gesetz geschaffen. Als größten Schritt in der Pflege seit 20 Jahren feiern Union und SPD das neueste Pflege-Regelwerk der GroKo.
In welche Richtung dieser Schritt letztendlich führen wird, ist aber längst noch nicht klar. Allein die ab 2020 geplante Rückkehr zur Kostendeckung bei der Pflege in den Krankenhäusern ist geeignet, gewaltige tektonische Beben im Gesundheitswesen auszulösen.
Deren Ausschläge kommen ganz bestimmt auch bei den Ärzten und damit auch bei den Ärzten in Weiterbildung an.
Die Reaktionen auf die Verabschiedung des Gesetzes am Freitag zeigen deutlich auf, dass das PpSG vorerst nur ein großes Provisorium ist, ein Regelwerk des Einstiegs und der ersten Schritte.
Das Versprechen von Gesundheitsminister Jens Spahn an alle Pflegekräfte in Deutschland, ab Januar 2019 ihren Berufsalltag konkret zu verbessern, ist eines, das sich zwangsläufig erst im Zeitverlauf erfüllen kann.
Festzuhalten ist, dass auch am Montag nach der Beschlussfassung keine einzige Pflegekraft mehr als bisher auf den Stationen der Krankenhäuser, in den Altenheimen oder in der häuslichen Pflege zur Arbeit erschienen ist.
Das wird auch nach der Silvesternacht nicht anders sein, wenn das Gesetz vollständig in Kraft getreten sein wird. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Gut ausgebildete Kranken- und Altenpflegekräfte sind knapp.
Einstieg in die „Entökonomisierung“
Den nun beschlossenen Systemwechsel in der stationären Pflege dürfen die Sozialdemokraten für sich reklamieren.
Die Herausnahme der Pflegekosten aus den Fallpauschalen ab 2020 und die Übernahme aller zusätzlichen Stellen ab 2019 und der Tarifsteigerungen durch die Krankenkassen schon ab dem laufenden Jahr 2018 beschreibt der Verhandlungsführer der SPD für das Gesundheitskapitel des Koalitionsvertrags, Professor Karl Lauterbach, begeistert als Einstieg in die Entökonomisierung des Gesundheitswesens. Die Pflege werde sozusagen vom Markt genommen.
Pflegekräfte kosten Geld, ohne dass sie den Krankenhäusern zusätzliche Umsätze bescheren. Die kommen aus Investitionen in Geräte und Fallzahlsteigerungen sowie aus möglichst kurzen Liegezeiten.
Diese Umsätze brauchen die einzelnen Krankenhäuser, um sich in einem von Überkapazitäten geprägten Marktumfeld behaupten zu können.
Der Wettbewerb, der mit der Einführung der DRG ab 2003 unter den Krankenhäusern hätte entfesselt werden sollen, wurde zum Rohrkrepierer. Die damit angestrebte Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft ist weitgehend im Politikversagen der Länder versandet.
Gewinne steigern auf dem Rücken der Ärzte?
Der Bund muss mit Gesetzen und Aufträgen an den Gemeinsamen Bundesausschuss permanent dabei nachhelfen, stationäre Kapazitäten abzubauen (Krankenhausstrukturfonds), die ausfasernden Versorgungsangebote sinnvoll zu strukturieren (Zentrenbildung) oder die Zuständigkeiten im stationären Sektor zu regeln (Notfallstufenkonzept).
Nach der Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen hat sich diese Ausgangssituation nicht verändert. Die Investitionskostenfinanzierung der Länder wird auch in absehbarer Zukunft hinter dem Bedarf zurückbleiben.
Nach der Pflege könnten also andere Berufsgruppen, mithin auch die Ärzte, in den Fokus der Betriebsleiter der Krankenhäuser rücken, um auf ihrem Rücken die Gewinne zu steigern.
Lauterbach hat bereits angekündigt, dass die Koalition prüfen werde, ob die „Entökonomisierung“ der Gesundheitsarbeitswelt daher nicht auch auf andere Berufsgruppen ausgedehnt werden sollte.
Nicht die reine Lehre der Wettbewerbspolitik
Diese Prüfung sollte möglichst nicht so lange auf sich warten lassen. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Rudolf Henke (CDU), hat bereits am Samstag gefordert, auch die Kosten des ärztlichen Dienstes aus den Fallpauschalen zu nehmen und Tarifsteigerungen in der Ärzteentlohnung auf die Beitrags- und Steuerzahler zu verlagern.
Lohnsubventionen sind nicht die reine Lehre der Wettbewerbspolitik. An dieser Stelle ließen sie sich aber durchaus auch als Investition in eine perspektivisch bessere Patientenversorgung interpretieren.
Seit Jahren beklagen die Ärzte, dass die „schneidenden Fächer“ die Versorgung der chronischen Erkrankungen an die Wand drückten. Zunehmend verzichten Krankenhäuser daher trotz wachsenden Bedarfs zum Beispiel auf das Unterhalten von diabetologischen oder rheumatologischen Fachabteilungen.
Würden die Kosten des ärztlichen Dienstes in einem, „Ärztebudget“ gebündelt, das unter keinem Tarifvorbehalt stünde, eröffneten sich für die Krankenhäuser somit neue Spielräume, die Versorgung der chronischen Volkskrankheiten wieder stärker in den Vordergrund zu stellen.