Pflegemangel
Wenige Heime rufen Stellenprogramm ab
Mit einem Sofortprogramm will die Koalition 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege schaffen. Nach gut einem halben Jahr verzeichnet das Angebot erste, wenn auch kleine Erfolge.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Umsetzung des Pflegepersonalstärkungsgesetzes läuft schleppend an. Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2019. Es beinhaltet auch ein Sofortprogramm über 13.000 zusätzliche Stellen. Diese sollen für die medizinische Behandlungspflege in Altenheimen geschaffen werden.
Im Gegensatz zu jüngeren Medienberichten verzeichnet das Programm tatsächlich erste kleine Erfolge.
„Nach den uns vorliegenden Informationen wurden bereits Vergütungszuschläge seitens der Pflegekassen an vollstationäre Pflegeeinrichtungen ausgezahlt“, teilte der GKV-Spitzenverband der „Ärzte Zeitung“ auf Anfrage mit. Somit müsse es bereits besetzte Stellen in den Einrichtungen geben.
Der Verband der Ersatzkassen meldet für Juni und Juli 47 genehmigte Anträge der Heimbetreiber. Bis Ende Mai seien 1600 Anträge eingegangen, die fortlaufend abgearbeitet würden, teilte der Verband auf Anfrage mit.
Die Ersatzkassen seien bundesweit für 5900 der 14.500 stationären Pflegeeinrichtungen zuständig. Bei den genehmigten Anträgen könne es sich sowohl um Vollzeit- als auch um aufgestockte Teilzeitstellen handeln.
Experten: 100 neue Stellen bislang
Fachleute gehen hochgerechnet von rund 100 Stellen aus, die bislang geschaffen worden seien. Dafür seien rund eine Million Euro ausgegeben worden. Für das Programm sind jährlich 640 Millionen Euro veranschlagt.
„Zusätzliches Geld schafft bisher keine neuen Pflegekräfte“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz Eugen Brysch der „Deutschen Presseagentur“.
Kernproblem sei, dass es zu wenige Pflegefachkräfte gebe. Viele Heime könnten die Mindestquote von 50 Prozent Fachkräften nicht erfüllen. Sie ist Voraussetzung, dass Stellen über das Programm abgerufen werden können. Brysch betonte, an der Mindestquote dürfe dennoch nicht gerüttelt werden. Sie garantiere ein Mindestmaß an Qualität in den Pflegeeinrichtungen. Bei den Kassen werden dagegen längst niedrigere Fachkraftquoten gefordert.
Pflegeanbieter verweisen auf den grassierenden Fachkräftemangel. „Bei flächendeckenden Versorgungsengpässen durch Personalmangel ist es keine große Überraschung, dass zahlreiche Pflegeheime gar keine Anträge stellen können“, sagte Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der „Ärzte Zeitung“.
Zudem dauere die Bearbeitung der Anträge bei den Pflegekassen zu lange. Das führe dazu, dass bislang kaum Zuschüsse ausbezahlt worden seien.
Dem Programm mehr Zeit geben
„Dass das nicht über Nacht gehen kann, war allen klar“, kommentierte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, den Start des Sofortprogramms gegenüber der „Ärzte Zeitung“.
In der Konzertierten Aktion Pflege hätten die Träger der Altenpflege zugesagt, dass möglichst jedes Heim bis Ende des Jahres solche Stellen beantragt haben werde. „Das muss nun zügig geschehen. Darauf werde ich achten.“
Die Heime müssten zunächst nachweisen, dass sie das in der Pflegesatzvereinbarung versprochene Personal auch tatsächlich vorhalten. Erst dann bekämen sie zusätzliche Stellen vollständig bezahlt.
„Ich halte diese Bedingung für absolut richtig“, sagte Westerfellhaus. Die Regierung wolle schließlich die Personalsituation in den Heimen verbessern und nicht finanzielle Löcher stopfen. „Die neuen Stellen sollen zusätzliche Köpfe in die Heime bringen, damit Pflegekräfte mehr Zeit für die Pflege haben.“
Westerfellhaus betonte, die Heime könnten auch Pflegehelfer zu Fachkräften weiterqualifizieren lassen. Auch dann werde deren Gehalt von den Kassen refinanziert.
Bis 31. Dezember muss der GKV-Spitzenverband das Bundesgesundheitsministerium erstmals über die Zahl der aus den Programmmitteln finanzierten Pflegekräfte, den Stellenzuwachs und die Ausgabenentwicklung informieren. (Mitarbeit: hom)