Diabetes
Digitalplattform hilft beim Erreichen der Therapieziele
Damit Typ-2-Diabetiker versorgt werden können, müssen deren medizinische Daten korrekt ausgewertet werden. In einem Pilotprojekt konnte eine digitale Plattform Ärzten und Patienten dabei helfen, den Therapieerfolg zu erhöhen.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Zahl der Typ-2-Diabetiker wächst, die der Behandler sinkt – und in Arztpraxen laufen Unmengen von Daten auf. Wie ein Pilotprojekt zeigt, hilft bei der korrekten Interpretation dieser Daten die interoperable digitale Plattform PDM one, indem sie Informationen bündelt und auswertet, auf Schwachstellen hinweist und so den Therapieerfolg steigern kann.
Trotz zunehmender Erkenntnisse und Medikationsoptionen im Bereich Diabetes verbessern sich die Therapieergebnisse seit der Jahrtausendwende nur wenig. Eine Querschnittuntersuchung bei Typ-2-Diabetikern in neun europäischen Ländern etwa ergab, dass 37,4 Prozent nicht ihren Ziel-HbA1c (< 7,0 Prozent) erreichten; in Deutschland waren dies 36,4 Prozent.
Alle metabolischen Zielparameter erreichten sogar nur 7,5 Prozent der Patienten in Europa, zu denen leitliniengemäß ein Blutdruck 130 / 80 mmHg (< 65 LJ) und ein LDL-Cholesterin < 100 mg / dl gehören (Clin Endocrinol 2014; 80(1):47-56).
Valide Entscheidungsgrundlage
„Eine notwendige Intensivierung der Therapie erfolgt meist zu spät“, sagt Professor Bernhard Kulzer von der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim. Ein integrierter personalisierter Diabetes-Management-Prozess (iPDM), der den Ist-Zustand beim Patienten immer wieder prüft und nötige Veränderungen sichtbar macht, könne die Therapiequalität effektiv steigern. Die digitale Unterstützung sei dabei nicht mehr wegzudenken – hier kommt auch PDM one ins Spiel.
Die Software-Plattform für qualitätsgesicherte Behandlungsschritte in der Diabetologie wurde gemeinsam mit Diabetologen entwickelt und arbeitet interoperabel. So ist PDM one mit vielen unterschiedlichen Systemen kompatibel und führt Informationen aus Diabetesmanagement-Systemen wie Accu-Chek Smart Pix mit den Labordaten, Arztbriefen, Überweisungen aus einem Arztinformations-System zusammen.
Die Daten sind manuell ergänzbar und werden auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft, sodass eine valide Datenbasis entsteht. Anhand von konfigurierbaren Regeln wird automatisch geprüft, ob wichtige Behandlungsschritte leitliniengerecht eingehalten werden. Wenn nicht, wird der Arzt auf notwendige Entscheidungen und Informationslücken aufmerksam gemacht, etwa auf fällige Blut- oder Fußuntersuchungen sowie Termine bei Augenarzt, Nephrologen oder Kardiologen.
Pilotprojekt in Schwerpunktpraxen
„Die Plattform hilft dabei, die Therapie besser zu gestalten und nötige Anpassungen noch schneller umzusetzen. So erreichen Ärzte und Patienten gemeinsam ihre Therapieziele“, betont Kulzer. In einem Pilotprojekt zur Qualitätssicherung in Baden-Württemberg wurde die PDM one mit 123 Patienten aus 9 Diabetesschwerpunktpraxen über einen Zeitraum von 9 bis 12 Monaten erstmalig erprobt. Die in drei Postern beim Diabetes Kongress 2019 in Berlin vorgestellten Ergebnisse zeigen:
- Mehr als 50 Prozent der Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko erhielten kein leitlinienadhärentes (ADA, EASD, ESC, ESH) Blutdruckmanagement.
- Im Pilotprojekt konnte im Schnitt eine höhere glykämische Leitlinientreue entsprechend der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes (83 Prozent) als außerhalb (niederländische Studie: 73 Prozent; Plos One 2011; (6)9, e24278) nachgewiesen werden.
- Bei den Typ-2-Patienten des Pilotprojekts sank der HbA1c-Wert um durchschnittlich 1,7 Prozentpunkte.
Mit PDM one soll auch eine Grundlage für Versorgungsverträge geschaffen werden. Noch 2019 ist der Start eines weiteren Pilotprojekts geplant. Für den am ersten Projekt beteiligten Arzt Dr. Stefan Gölz, niedergelassen in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis in Esslingen, ist die Plattform ein denkbares Tool, um Schnittstellen zu optimieren, elektronische Checklisten zu ermöglichen und so große Datenmengen zu filtern. „Eine echte Praxishilfe“, lautet sein Fazit.