Weniger Schmerzen

Das Gesicht des Arztes entscheidet über Therapieerfolg

Ist der Arzt überzeugt von einer Behandlung oder zweifelt er selbst am Erfolg? An der Mimik des Mediziners lesen Patienten das ab – und das beeinflusst die Therapiewirkung immens, so eine Studie. Also einfach lächeln, Ärzte?

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Am Zweifeln: Glaubt ein Arzt nicht an den Behandlungserfolg, tut es der Patient oft auch nicht.

Am Zweifeln: Glaubt ein Arzt nicht an den Behandlungserfolg, tut es der Patient oft auch nicht.

© Aaron Amat / stock.adobe.com

Hannover. Der Glaube kann Berge versetzen - auch bei Therapien, wie eine aktuelle Studie bestätigt (Nature Human Behaviour 2019, online: 21.10.2019). Patienten haben demnach weniger Schmerzen, wenn ihre Ärzte selbst an die Wirksamkeit der Behandlung glauben. Deren Überzeugung spiegele sich im Gesichtsausdruck wider, berichten Wissenschaftler. Die Ergebnisse könnten hilfreich für eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation sein, hoffen die Forscher.

Das Team um den Mediziner Luke Chang vom Darmouth College in den USA hatte eine Testreihe mit 194 Freiwilligen durchgeführt. In drei Versuchsreihen wurde den Teilnehmenden eine Rolle als „Arzt“ oder „Patient“ zugewiesen. Die „Ärzte“ wurden informiert, dass es in dem Experiment um die Wirkung einer Schmerzsalbe gehe, die auch gleich demonstriert wurde: Elektroden wurden an den Unterarmen der falschen Mediziner platziert, auf 47 Grad erhitzt und lösten so einen Schmerzreiz aus. Anschließend trugen die Versuchsleiter eine Creme namens „Thermedol“ auf, von der gesagt wurde, dass sie stark schmerzlindernd wirke. In Wahrheit wurde lediglich die Temperatur der Elektroden heruntergeregelt, die Creme selbst war ein Placebo, ein wirkungsloses Scheinmedikament. Im nächsten Schritt sollten die falschen Ärzte „Thermedol“ und eine Kontrollcreme in einem ähnlichen Setting an Patienten testen. Beide Cremes waren Placebos – dennoch empfanden die Patienten bei gleichem Schmerzreiz „Thermedol“ als hilfreicher. Dies zeigte sich nicht nur in ihren Aussagen, sondern auch in der Analyse ihres Gesichtsausdrucks sowie ihrer Hautreaktion. Zudem bewerteten sie die „Ärzte“ als einfühlsamer, wenn diese „Thermedol“ auftrugen.

Schlüssel liegt in Mimik

Glaubten die falschen Mediziner also selbst an die Wirksamkeit der schmerzlindernden Creme, empfanden ihre Patienten wirklich weniger Schmerzen. Kameras auf den Köpfen der Patienten gaben Hinweise auf die Ursache des Effekts: Die Aufnahmen ließen kleinste Veränderungen im Gesichtsausdruck der behandelnden „Ärzte“ erkennen. Sie zeigten mehr Schmerz, nachdem die sogenannte Kontrollcreme aufgetragen wurde als bei der vermeintlich effektiven „Thermedol“-Creme.

Ärzte sendeten womöglich nonverbale Informationen, die ihre Überzeugung ausdrückten, welche Behandlung sie für sinnvoll erachten, erläutern die Forscher. Möglicherweise behandle ein Arzt den Patienten auch aufmerksamer und einfühlsamer, wenn er von einer wirksamen Therapie ausgehe.

In einem unabhängigen Kommentar nennt der klinische Psychologe Harald Walach, Professor an der polnischen Medizinischen Universität Poznan und Gastprofessor an der Universität Witten-Herdecke, die Studie elegant und stark. Insbesondere der Einsatz der Kopfkameras sei aufschlussreich: Er zeige, dass oft vermutete, bislang aber nicht belegte subtile Veränderungen der Mimik von Patienten wahrgenommen würden.

Unbekannte Hintergründe

„Ob dies nur das Selbstvertrauen der Patienten stärkt, Informationen darüber vermittelt, was sie zu erwarten haben, die Ärzte einfühlsamer gegenüber der vermeintlich realen Behandlung macht oder eine andere Auswirkung hat, wissen wir nicht“, führt Walach aus. „Aber wir wissen jetzt, dass subtile Hinweise von Ärzten übermittelt und von Patienten gelesen werden.“

Bei allen Stärken der Studie handele es sich aber um ein experimentelles Setting, so Walach. „Es wäre interessant, jetzt das klinische Feld zu untersuchen: Wie kommunizieren effektive Ärzte, vielleicht im Vergleich zu weniger effektiven?“ Auch wäre zu untersuchen, ob wirklich nur der Gesichtsausdruck der Ärzte entscheidend sei oder doch die Kombination mit verbalen Informationen.

Die Studienautoren vermuten, dass die beobachteten Effekte im Klinikalltag noch stärker sein könnten: „In einem realen klinischen Kontext können kontextabhängigere Hinweise wie verbale Vorschläge und Umweltsignale sowie die früheren Erfahrungen von Ärzten und Patienten den Übertragungseffekt verstärken.“

Insgesamt sei es jedenfalls sinnvoll, nicht nur in die Entwicklung neuer Therapien Ressourcen zu stecken, sondern auch in Untersuchungen der Mechanismen, „die einer der ältesten und wirksamsten medizinischen Behandlungen zugrunde liegen: den Heilern selbst.“ (dpa)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.10.201912:51 Uhr

Forscher und dpa völlig neben der Spur!

Es handelt sich hier um das Dartmouth College, 1769 in Hanover, New Hampshire/USA gegründet, die neuntälteste Univerusität der USA und die letzte Hochschulgründung der amerikanischen Kolonialzeit. Die dpa schreibt irrtümlich von "Darmouth College in den USA".

Doch auch inhaltlich ist die Publikation "Socially transmitted placebo effects" von Pin-Hao A. Chen et al.
https://www.nature.com/articles/s41562-019-0749-5
äußerst fragwürdig:

Es ging nämlich gar nicht um echte Patientinnen und Patienten bzw. Ärztinnen und Ärzte, sondern allein um Rollenspiele mit Surrogat-Ärzten und Surrogat-Patienten, die dann auch noch ihre jeweiligen Rollen tauschten.

Im Titel und im Abstract ist an keiner Stellen von Medizinern, Ärzten oder der ärztlichen Profession die Rede, sondern von Gesundheitsanbietern ["context of a social interaction between healthcare providers and patients"], die bei thermischen Reizungen lediglich eine Placebo-Creme mit wohlklingendem Namen auftragen sollten.

Deshalb auch die für echte Mediziner als Experten für Krankheitsentitäten geradezu lächerliche Versuchsanordnung mit der eine Placebo-Creme „Thermedol“ und eine Placebo-^Kontrollcreme in einem ähnlichen Setting an "Patienten" getestet wurden.

Die Aussagekraft dieser Studie tendiert gegen Null, weil

1. weder Ärzte noch Patienten Versuchspersonen waren,

2. nur Surrogat-Patienten und -Ärzte im Rollenspiel interagierten,

3. thermische Irritation und äußerliche Salben-Anwendung höchstens für die Dermatologie relevant sein könnten,

4. die Welt der Medizin und die bio-psycho-sozialen Arzt-Patienten Interaktionen werden mit Placebo-Creme (ob es nicht doch eine Salbe war, scheint selbst dem Autorenteam nicht klar zu sein) nicht annähernd abgebildet.

Selbstverständlich gebieten die professionellen Herangehensweisen an Anamnese, Untersuchung, Differentialdiagnostik, Beratung, (interventionelle) Therapie und/oder Palliation eine positive, empathische menschenfreundliche und nicht diskriminierende Grundhaltung.

Die hier vorliegende Studie ist derart abwegig aufgebaut, dass sie uns Ärztinnen und Ärzten gar nicht weiterhelfen kann.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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