Umstrittene Heilmethoden
Homöopathie – Internisten im postfaktischen Zeitalter
Umstrittene Heilmethoden waren Thema eines Symposiums beim diesjährigen Internistenkongress. Scharf kritisiert wurde der Umgang mit homöopathischen Methoden in Deutschland.
Veröffentlicht:Wiesbaden. Ein Denken und Handeln, bei dem Fakten nicht im Mittelpunkt stehen, wird mit satirischem Unterton als „postfaktisch“ bezeichnet. Beim 127. Internistenkongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) war dem „Internisten im postfaktischen Zeitalter“ ein ganzes Symposium gewidmet, das nicht allerorten Freude ausgelöst hat.
Denn dort setzte sich unter anderen der Sprecher des Informationsnetzwerks Homöopathie, Dr. Christian Lübbers aus Weilheim, kritisch mit der auf den Theorien Samuel Hahnemanns (1755-1843) beruhenden Heilmethode auseinander und ließ keine Zweifel daran, dass er die Homöopathie für eine Parawissenschaft hält. Dies hatte bereits im Vorfeld den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte zu einem offenen Protestbrief an den DGIM-Vorstand veranlasst.
„Einhundert Prozent Saccharose“
Lübbers verwies unter anderem darauf, dass zwar mehr als die Hälfte der Deutschen bereits Homöopathika eingenommen hat, der Umsatzanteil am Gesamtmarkt rezeptfreier Arzneimittel liegt nach seinen Angaben bei 9,4 Prozent. Jedoch wüssten nur 17 Prozent der Bevölkerung, was unter Homöopathie tatsächlich zu verstehen sei.
Die Werbung rücke Homöopathie in die Nähe von Naturheilkunde. Tatsächlich aber können Ausgangsstoffe homöopathischer Arzneimittel außer Pflanzen auch tierische Materialien oder anorganische Stoffe wie Quecksilber, „Berliner Mauer“ oder Licht sein. Diese werden in Lösung gebracht, um eine Urtinktur herzustellen. Das bei der Herstellung vollzogene Verschütteln zum Erdmittelpunkt zwischen den Verdünnungsschritten bezeichnete Lübbers als „rituelle Handlung“. Am Ende enthielten alle Globuli in Hochpotenz „zu hundert Prozent Saccharose und null Prozent des Ausgangsstoffes.“
Kritik an rechtlichem Sonderstatus
Wirkungen homöopathischer Arzneimittel ließen sich durchweg auf unspezifische Effekte, Wahrnehmungstäuschungen und Trugschlüsse zurückführen. „Seit 1991 sind insgesamt elf größere Indikations-übergreifende systematische Übersichtsarbeiten zur Homöopathie erschienen“, erklärte der HNO-Arzt. Demnach gebe es keine belastbare Evidenz für die Heilmethode.
Eines der Reviews war vom australischen Gesundheitsministerium initiiert worden. Auch homöopathische Fachverbände konnten sich beteiligen. Ein Fazit lautete, dass Menschen, die sich für Homöopathie entscheiden, ihre Gesundheit riskieren, wenn sie dafür andere Behandlungen ablehnen oder verzögern. Als prominentes Beispiel nannte Lübbers Apple-Gründer Steve Jobs, der vor zehn Jahren an einer Krebserkrankung gestorben war.
Lübbers kritisierte den rechtlichen Sonderstatus der Homöopathie als „besondere Therapieform“ gemäß SGB V in Deutschland. Es werde gegenüber evidenzbasierten medizinischen Methoden mit zweierlei Maß gemessen.
Elf von 17 Landesärztekammern haben inzwischen entschieden, die Homöopathie aus der ärztlichen Weiterbildungsordnung zu streichen. Bei drei Kammern steht die Entscheidung noch aus, drei halten daran fest.