Diskussion beim Medica Econ Forum
KVWL befürwortet regional gestuften Roll-out für die ePa
Akteure aus Selbstverwaltung und Industrie ziehen beim Medica Econ Forum Bilanz. Für sie bremsen insbesondere Überregulierung und ständig wechselnde Spielregeln die Digitalisierung.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Um die elektronische Patientenakte (ePA) endlich ans Laufen zu bringen, ist ein gestufter Roll-out in einzelnen Regionen notwendig, findet Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KV Westfalen-Lippe (KVWL). „Die KVWL hat sich dafür angeboten“, berichtete er beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse (TK) anlässlich der Medizinmesse Medica.
Die KVWL sei die einzige KV gewesen, die die Einführung des elektronischen Rezepts massiv vorangetrieben habe und habe sich deshalb auch für die Beteiligung an der Erprobung entschieden. Das habe dazu geführt, dass die Reaktionen auf das E-Rezept im Wesentlichen positiv seien, sagte er. Zudem habe sich die KVWL damit als ernstzunehmender Gesprächspartner etabliert.
Die Ärzte seien keinesfalls die Bremser bei der digitalen Weiterentwicklung, betonte Spelmeyer. „Wir wollen die Einführung der elektronischen Patientenakte, des elektronischen Rezepts, der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Es macht wenig Sinn, sich dem entgegenzustellen.“ Aber notwendig sei eben ein geprüfter Roll-out. Geregelt werden müsse zudem die Finanzierung.
„Hoffnungslos überreguliertes System“
Um Akzeptanz für die Anwendungen bei den Ärztinnen und Ärzten zu schaffen, müssten ausgereifte und leicht handhabbare Produkte in die Praxen kommen, sagte er.
Das sei auch ganz im Sinne der Industrie, stellte Bernhard Calmer, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Gesundheits-IT, klar. Aber dafür bräuchten die Hersteller vom Gesetzgeber durchdachte Vorgaben und ausreichend Zeit für die Umsetzung. Das sei in der Regel aber nicht der Fall.
Es habe viel zu lange gedauert, die elektronische Gesundheitskarte in die Fläche u bringen, Ähnliches gelte für die Telematik-Infrastruktur, sagte Calmer. Das müsse sich ändern. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir es schneller hinkriegen, dabei Bürokratie und Regulierung abbauen und trotzdem die richtigen Leitplanken setzen“, beschrieb er die Herausforderung.
Das Grundproblem: „Wir haben ein hoffnungslos überreguliertes System.“ Wenig hilfreich sei zudem, dass sich die Spielregeln immer wieder ändern. Die Industrie habe bis jetzt an Lösungen für die Verschlüsselung von Dokumenten für die ePA gearbeitet. Das sei mit dem geplanten Digitalisierungsgesetz hinfällig geworden. Wenn die Spielregeln eine gewisse Zeit gelten würden, könnte die Industrie auch ihre Kreativität entfalten, sagte Calmer.
Es mangelt nicht am Willen der Akteure
Die mangelnde Geschwindigkeit der Digitalisierung im Gesundheitswesen liege eher an der Regulatorik als am mangelnden Willen der Akteure, findet auch Daniel Cardinal, Geschäftsleiter Versorgungsinnovationen der TK. Er war der Veranstaltung zugeschaltet. Die TK habe ihre Applikation für das E-Rezept schon lange fertig, warte aber immer noch auf die gesetzliche Grundlage, um sie in die TK-App integrieren zu können, kritisierte er.
„Wir brauchen eine minimale Regulatorik, die sich darauf begrenzt, Schnittstellen und No-Gos zu definieren“, forderte Cardinal. Notwendig sei auch ein gemeinsames Vorgehen der beteiligten Akteure. Es müsse darum gehen, gemeinsam Anwendungen zu schaffen, Standards zu entwickeln und sie nach vorne zu bringen. Entscheidend sei zudem, den Nutzern den Mehrwert der Anwendungen deutlich zu machen.
Bürger sind weiter als die Politik
Für Dr. Alexander Schachinger, Gründer und Geschäftsführer des auf E-Health spezialisierten Marktforschungsunternehmens EPatient Analytics, ist die Gesundheitspolitik der eindeutige Bremser bei der Digitalisierung. „Der Samen des Scheiterns, der Ursprung der Hürden ist die Politik“, sagte er. Die Bürger seien längst schon viel weiter, was die Nutzung von Gesundheits-App und die Bereitschaft zum Teilen von Daten zeigten.
Ein Problem in Deutschland ist aus seiner Sicht, dass es hierzulande keine Kultur des Scheiterns gibt. Dabei sei es normal, aus Fehlern zu lernen. Das zeigten die internationalen Erfahrungen „Viele Länder haben schnell erkannt, dass sie scheitern, und sind vom toten Pferd abgestiegen“, sagte Schachinger.