Streik

Kassen fordern Honorarkürzungen, Ärzte drohen mit Streik

Aktionen, Praxisschließungen: Der Ton im Streit um Honorarkürzungen, wie sie die Krankenkassen fordern, ist schärfer geworden. Wichtige Berufsverbände kontern.

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Im Streit mit den Kassen um Honorarkürzungen drohen Ärzteverbände mit Streik.

Im Streit mit den Kassen um Honorarkürzungen drohen Ärzteverbände mit Streik.

© Carsten Rehder / dpa

BERLIN (ger). Der Ton in der Diskussion über die Arzthonorare im kommenden Jahr verschärft sich. Die Forderungen der Krankenkassen, den Orientierungswert auf 3,25 Cent je Punkt abzusenken, bewirken zugleich eine Solidarisierung der ärztlichen Berufsverbände. Am Wochenende haben zehn Verbände angekündigt, gemeinsam gegen die von Kassen geplanten Honorarkürzungen vorzugehen.

Unter den Unterzeichnern sind der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI), der Berufsverband der Frauenärzte (BvF), der Berufsverband Deutscher Neurologen, der Bundesverband niedergelassener Kardiologen (BNK) und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Für die Hausärzte ist der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz mit im Boot.

Honorarkürzungen werden nicht akzeptiert

Eine Honorarkürzung, heißt es in der Mitteilung der Verbände, werden die Verbände "auf keinen Fall akzeptieren". Vielmehr unterstütze man die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vorgeschlagene Honoraranpassung. Die KBV hatte eine Erhöhung des Orientierungswertes auf 3,85 Cent gefordert.

Für den Fall, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) tatsächlich die Vergütung für ärztliche Leistungen kürzt, planen die Ärzte "gemeinsame Aktionen", auch Praxisschließungen werden erwogen.

"Vorgehen der Krankenkassen nicht nur für skandalös, sondern auch rechtswidrig"

"Wir halten das Vorgehen der Krankenkassen nicht nur für skandalös, sondern auch für rechtswidrig. Bereits jetzt ist es so, dass viele Ärzte deutlich mehr Zeit in die Behandlung ihrer Patienten investieren, als dies im Budget vorgesehen ist", so BDI-Präsident Dr. Wolfgang Wesiack laut der Mitteilung der Berufsverbände.

Politik, Ärzte und auch Krankenkassen sollten eigentlich gemeinsam daran arbeiten, Lösungen zu finden, um auch zukünftig eine flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland sicherzustellen, so Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Stattdessen werde erneut öffentlich mit Honorarkürzungen gedroht.

"Das ist keine Motivation dafür, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen - im Gegenteil", sagte Albring weiter. Sollte sich ein solches Szenario realisieren, seien die Ärzte auch bereit sein, flächendeckend nur noch das Ausreichende, Zweckmäßige, Wirtschaftliche und das Maß des Notwendigen nicht Überschreitende nach SGB V zu erbringen. "Das wird zu langen Wartezeiten führen", so BVF-Präsident.

Den Verantwortlichen im Erweiterten Bewertungsausschuss müsse klar sein, dass die niedergelassenen Ärzte in Deutschland gemeinsam protestieren werden, sollten die Forderungen der Kassen Gehör finden, so Dr. Burkhard Zwerenz, Landesvorsitzender des Hauärzteverbandes in Rheinland-Pfalz. "Die beabsichtigte Honorarsenkung bringt mit sich, dass eine flächendeckende hausärztliche Versorgung nicht mehr möglich sein wird und konterkariert alle Anstrengungen, eine Niederlassung in unterversorgten Strukturgebieten attraktiv zu machen", betonte Zwerenz.

Wortlaut der Erklärung

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.08.201223:06 Uhr

Aufgescheuchter Hühnerhaufen?

Gemeinsam protestieren ist eine gute Forderung von BDI, BvF, BdN, BNK, BVKJ und HÄV Rheinland-Pfalz. Aber wenn die GKV-Kassenspitze eine (Orientierungs-)Punktwert a b s e n k u n g trotz gestiegener Kosten, vermehrter Multimorbidität, gesteigerter Anspruchshaltung (durch aggressives GKV-Kassenmarketing geschürt), veränderter demografischer, dokumentarischer, qualitativer und forensischer Aspekte durchsetzen will, muss man mehr "auf der Pfanne" haben.

Sich auf Zeitaufwand (Inanspruchnahme, Konsultationsfrequenz) trotz Mengenausweitung und Budgetzwängen zu berufen, reicht nicht aus. Zumal EBM-Zeitvorgaben und Budgets für Niedergelassene, Regelleistungsvolumina (RLV), Abstaffelungen und Regressandrohungen klassische KBV- und KV-Steuerungsinstrumentarien sind. Auch belegen frühere, von den GKV-Kassen finanzierte Gutachten (angeblich überlange Praxiswartezeiten; Streichungen von bis zu 12.000 Vertragsarztsitzen), dass der Spitzenverband sich niemals substanzielle Sorgen um die Motivation zu freiberuflicher Niederlassung und selbstständiger Vertragsarzttätigkeit machen will. Die vielbeschworene, gesetzlich verpflichtende Sozialpartnerschaft und "vertrauensvolle" Zusammenarbeit lt. Sozialgesetzbuch (SGB V) verkommt zu reiner Makulatur. "Niederlassung in unterversorgten Strukturgebieten attraktiv zu machen" wird übrigens nicht nur vom GKV-Spitzenverband konterkariert, sondern auch von kreditgebenden Banken. Diese vermuten selbst höhere Sicherheiten in München, Freiburg und Starnberg, wo es eine eklatante vertragsärztliche Überversorgung gibt.

Und da bin ich auch schon beim fehlenden "Plan B", wenn man von einer welken Androhung eines "Dienst nach Vorschrift" gemäß Wirtschaftlichkeitsgebot SGB V absieht. So lange die nicht nur fachärztlichen Probleme mit Hobby-, Freizeit- und Nebenerwerbspraxen nicht offensiv angegangen werden, in denen GKV-Patienten allenfalls schmückendes, wartendes Beiwerk neben IGeL- und Selbstzahler-Patienten sind, bleibt dies eine offene Flanke in der Argumentation der Ärzteverbände. So lange nicht die eigentlich unfassbar schlechte Performance des stellvertretenden Kassenvorstands Johann-Magnus von Stackelberg analysiert wird:
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2012_2/120809_prognos_gutachten/PK_2012-08-09_v_Stackelberg_Einfuehrung_Gutachten.pdf

So lange nicht das unsägliche PROGNOS-Gutachten des GKV-Spitzenverbands auf Herz und Nieren untersucht und sein betriebswirtschaftlicher ''Nonsens'' bloßgestellt wird:
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2012_2/120809_prognos_gutachten/PK_20120809_Gutachten_Orientierungswert_Prognos_AG.pdf

nützen reflexartig geäußerte Streik und "Null-Bock" auf GKV-Patientenversorgung herzlich wenig.

Ohne eingehende Inhaltsanalyse und argumentative Bewertung der GKV-Spitzenverbands-Positionen bleibt sonst unterm Strich: "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich der Punktwert oder er bleibt, wie er ist!"

Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM, z. Zt. am Gardasee/I

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