Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen
Im Hinblick auf die Kostenübernahme möglicher Disease-Interception-Therapien durch die Krankenkassen ist eine Neuadjustierung der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich, da ja noch gesunde bzw. symptomfreie Menschen behandelt werden.
Veröffentlicht:Das Leistungsrecht ist so konstruiert, dass für die Behandlung und Linderung von Beschwerden erkrankter Patienten gezahlt wird. Wenn in Zukunft diagnostische Biomarker und zielgerichtete therapeutische Interventionen zur Verfügung stehen, um schwere Erkrankungen wie beispielsweise Krebs oder Alzheimer zu verhindern, stellt sich natürlich die Frage nach leistungsrechtlichen Konsequenzen. Das Sozialgesetzbuch (SGB) V kennt zwar keine ausdrückliche Regelung, die an den Begriff der Disease Interception anknüpft, aber der leistungsrechtliche und auch der vertragsrechtliche Teil sind relativ flexibel formuliert. „Vorsorge, Früherkennung oder Behandlung – diese Begrifflichkeiten sind nicht in Stein gemeißelt. Das System ist dort flexibel, wo es flexibel sein muss“, so Professor Herbert Rebscher, Geschäftsführer von IGV Research – Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung. Diese Auffassung teilte auch Franz Knieps, Vorstand BKK Dachverband e. V.: „Das Recht ist so flexibel, dass damit auch die Zukunft gestaltet werden kann.“ Sowohl der Begriff der Krankenbehandlung in § 27 SGB V als auch der Begriff der Krankheitsverhütung in § 23 SGB V und der Früherkennung in § 25 SGB V sind auslegungsfähig und erfordern somit zahlreiche Abwägungsentscheidungen. „Selbst wenn wir Disease Interception mit 100-prozentiger Wirksamkeit hätten, könnten wir die Maßnahme trotzdem nicht flächendeckend einsetzen, wenn sie die Finanzierbarkeit einer öffentlichen Versorgung vollständig sprengen würde“, gab Knieps zu bedenken. Allerdings zeige die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte, dass der anfänglich hohe Preis für eine neue Therapie sinkt, wenn sie in den Masseneinsatz komme.