Versorgung alter Menschen

Versorgung alter Menschen kann nur gemeinsam gelingen

Ob in Ballungsräumen oder auf dem platten Land: Alle Akteure der Versorgungskette müssen bei der Betreuung alter Menschen kooperieren. Das zeigen Erfahrungen aus allen Landesteilen.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Teile müssen zueinander passen: Bei der Versorgung alter Menschen sind Netze hilfreich.

Teile müssen zueinander passen: Bei der Versorgung alter Menschen sind Netze hilfreich.

© Y. Aleksandrovich / fotolia.com

BERLIN. Die Versorgung alter Menschen kann nur gemeinsam gelingen. Darauf setzen verschiedene Initiativen, die beim Deutschen Ärzteforum am Mittwoch vorgestellt wurden.

Egal ob im einzelnen Krankenhaus, einem Stadtteil von Berlin, in Bielefeld oder auf dem platten Land in Sachsen-Anhalt: Vernetzung ist das Grundprinzip bei innovativen Konzepten zur Gesundheitsversorgung alter Menschen.

So setzt etwa das geriatrische Netzwerk im Ärztenetz Bielefeld auf eine kontinuierliche Betreuung alter Menschen mit vielfachen Erkrankungen, Gebrechlichkeit oder kognitiven Einschränkungen. Das Netz ist im Januar dieses Jahres gestartet.

Eingeschlossen werden Patienten mit bestimmten Merkmalen, wie etwa drei oder mehr Diagnosen, mindestens fünf Dauerverordnungen, Pflegebedarf, Immobilität oder sozialen Defiziten, wenn sie kurz vor einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus oder im Pflegeheim stehen oder wenn ihre Angehörigen überlastet sind. Derzeit sind 72 Patienten in das geriatrische Netzwerk eingeschrieben.

Versorgt werden die Netzwerk-Patienten von einem Case Manager, 22 Hausärzten, drei ambulanten Fachgeriatern, Geriatern des Klinikums Bielefeld und Gerontopsychiatern des Evangelischen Krankenhauses Bethel.

"Es geht darum, die Patienten über alle Sektoren hinweg zu betreuen und zu beraten", sagte Dr. Hans-Ulrich Weller vom Ärztenetz Bielefeld.

Neun Case Manager

Insgesamt neun Case Manager sind beim Ärztenetz Bielefeld angestellt. Sie arbeiten gemeinsam in einem Büro. Zugleich gibt es im Netz eine gemeinsame EDV auf Basis des Informationssystems Palliative Care (ISPC), das alle Vorbefunde der Patienten erfasst und die Verlaufsdokumentation einschließt.

Auf diese Weise ist das geriatrische Netz mit anderen Versorgungsnetzen innerhalb des Ärztenetzes verbunden. Denn zur Versorgung alter Menschen gibt es in dem Ärztenetz bereits seit 2012 ein Palliativnetz mit Hausärzten, Pflegediensten und Palliativmedizinern und zusätzlich einen Pflegeheimvertrag.

Das Palliativnetz betreut Weller zufolge in diesem Jahr fast 1000 Patienten. Die Kapazitäten des Ärztenetzes beim Pflegeheimvertrag sind nach seinen Angaben mit rund 1070 Patienten seit vergangenem Jahr ausgeschöpft.

Dort wirken 33 Heime, 44 Hausärzte mit Rufbereitschaft und 23 Fachärzte mit. Zu den Leistungen zählt ein quartalsweiser Medikamentencheck. Weller bezeichnete es als "skandalös", dass Pflegeheimpatienten durchschnittlich zwölf Medikamente erhalten würden.

"Es gibt Fälle, wo es nicht anders geht, aber wir sind dabei, diese Zahl in Bielefeld drastisch zu reduzieren", sagte er.

Im Bethel Krankenhaus Bielefeld, das an dem geriatrischen Netz mitwirkt, ist es indes gelungen, dass das inzidente Delir deutlich abgenommen hat. Das zeigte der leitende Oberarzt Dr. Stefan Kreisel, der das Projekt Demenzsensibilisierung an dem Krankenhaus betreut.

Das Krankenhaus hat Mitarbeiter aller Bereiche darauf geschult, Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu erkennen und entsprechend aufmerksam zu behandeln. Kreisel zufolge leiden etwa die Hälfte der Patienten des Bethel Krankenhauses über 70 Jahre an kognitiven Einschränkungen.

Diese Nebendiagnose führe dazu, dass häufiger ein Katheter gesetzt werde, häufiger Harnwegsinfekte auftreten würden, Patienten unruhig würden, und schließlich zu Sedierung und Fixierung. "Es ist unsere Aufgabe, einzugreifen. Denn diese Patientengruppe ist besonders vulnerabel", so Kreisel.

Es gibt keinen Königsweg

Einen Königsweg gibt es aus seiner Sicht jedoch nicht. Nötig sei vielmehr ein ganzes Bouquet an Maßnahmen, die jedoch eher Low-Tech und zugewandt seien, wie etwa Mobilisierung und Reorientierung. Dazu sei ausreichendes Personal extrem wichtig, so Kreisel.

"Es muss einen Kümmerer geben", forderte Christoph Radbruch, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes und der Pfeifferschen Stiftungen, die in der Region Altmark in Sachsen-Anhalt ein Versorgungsnetz für alte Menschen managt.

Nicht das Krankenhaus oder das Pflegeheim dürfe der Bezugspunkt für die Versorgung alter Menschen sein, sondern die Region mit allen Akteuren, wie Krankenhaus, Ärzten, Apotheken, Physiotherapeuten, Pflegediensten und Sozialdiensten. Nur so könne Versorgung auch in der Fläche garantiert werden.

Eine regionale Versorgungslücke in Berlin wollen die Arona Kliniken im Bezirk Marzahn laut Planung ab Jahresende mit einer geriatrischen Fachklinik schließen.

Ziel sei der Aufbau eines geriatrischen Versorgungsverbundes in Berlin-Marzahn unter anderem mit Hausärzten, Fachärzten und Pflegeheimen, kündigte Magdalena Eilers an. "Vernetzung ist unsere Zukunftsvision", sagte sie.

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