Verhaltensauffälligkeiten
Cannabis beruhigt Demenzkranke kaum
Niedrige Dosierungen des Cannabis-Wirkstoffs THC eignen sich offenbar kaum, um Verhaltensauffälligkeiten von Demenzkranken zu lindern. Das hat eine niederländische Studie ergeben.
Veröffentlicht:NIJMEGEN. Die Gereiztheit und Umtriebigkeit vieler Demenzkranker stellt Pfleger und Angehörige vor große Probleme.
Zwar gibt es genügend nicht pharmakologische Ansätze, um neuropsychiatrische Symptome zu lindern, aber dafür fehlen oft die Zeit, das Personal oder schlicht die Kenntnis und der Wille.
Auf der anderen Seite sind nicht pharmakologische Verfahren bei schwerer Agitation und Unruhe oft nicht ausreichend. Neuroleptika sollten solchen Patienten zu Recht nicht dauerhaft verordnet werden, zugelassene medikamentöse Alternativen sucht man jedoch vergeblich.
Immerhin wurde das Problem mittlerweile erkannt - inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Studien mit verhaltensauffälligen Demenzpatienten, meist mit Präparaten, die bereits bei anderen Indikationen verwendet werden. So deuten erste Studien mit Analgetika auf einen gewissen Nutzen.
Patienten wurden ruhiger - auch unter Placebo
Dies brachte niederländische Geriater um Dr. Geke van den Elsen von der Universität in Nijmegen auf die Idee, auch einen Therapieversuch mit dem Cannabiswirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) zu starten. THC hat - zumindest in niedrigen Dosierungen - eine analgetische und auch sedierende Wirkung bei einem recht günstigen Risikoprofil.
Kleinere Studien bei Demenzpatienten schienen einen positiven Einfluss auf das Verhalten nahezulegen, schreiben die Ärzte um van den Elsen.
Für ihre Phase-II-Studie konnten sie 50 Demenzpatienten mit moderaten Verhaltensauffälligkeiten gewinnen (Neurology 2015; 84(23):2338-2346). Erforderlich waren ein Wert von mindestens 10 Punkten nach dem Neuropsychiatrischen Inventar (NPI) und Probleme wie Agitation, Aggression oder motorische Unruhe über mindestens einen Monat hinweg.
Die Patienten hatten im Schnitt eine moderate Demenz mit einem MMSE-Wert von 15 Punkten, bei zwei Drittel war Morbus Alzheimer diagnostiziert worden, bei den übrigen eine vaskuläre Demenz oder ein Mischtyp. 24 Patienten bekamen im Studienzeitraum dreimal täglich 1,5 mg THC in Tablettenform. Eine Rauschwirkung beginnt etwa bei 10 mg oral aufgenommenem THC. 26 Patienten erhielten Placebotabletten.
Nach drei Wochen war der NPI in der Gruppe mit THC tatsächlich signifikant zurückgegangen, und zwar von zu Beginn 37 auf 28 Punkte. Allerdings wurde ein ähnlicher Rückgang auch in der Placebogruppe beobachtet - von 36 auf 24 Punkte.
Der Blick auf Agitations- und Aggressions-Subskalen konnte an dem Bild ebenfalls nichts ändern: In beiden Gruppen gingen die Werte leicht zurück. An der Lebensqualität oder den Alltagsfertigkeiten ließen sich auf entsprechenden Skalen keine nennenswerten Veränderungen nachweisen. Einziger Pluspunkt: Nebenwirkungen wurden unter THC auch nicht häufiger beobachtet als mit Placebo.
Dosis zu niedrig
Die Ergebnisse führten die Studienautoren zu der Vermutung, dass die Dosis wohl doch etwas zu niedrig war. "Ein psychoaktives Medikament ist kaum wirksam ohne Nebenwirkungen", schreiben sie und sinnieren über neue Studien mit deutlich höheren Dosierungen.
Zusätzlich könnte der ausgeprägte Placeboeffekt das Ergebnis verwässert haben. Die erhöhte Aufmerksamkeit für die Patienten sowie die positive Erwartungshaltung der Pflegekräfte und Angehörigen mag zu einer deutlichen Reduktion der Verhaltensbeschwerden beigetragen haben, schreiben die niederländischen Ärzte.
Und dies belegt indirekt wieder einmal die gute Wirksamkeit nicht pharmakologischer Methoden.