Fehlerkultur
Depressive Ärzte machen doppelt so viele Fehler
Depressionen von Ärzten und medizinische Fehler hängen eng zusammen. Allerdings ist die Beziehung nicht ein-, sondern wechselseitig.
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Gerade jüngere Ärzte sind stärker von Depressionen betroffen.
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Ann Arbor. Depressionen sind unter Ärzten verbreitet, in manchen Umfragen gibt fast jeder vierte entsprechende Symptome an. Bekannt ist zudem, dass Depressionen von Medizinern mit Fehlern in der Behandlung von Patienten einhergehen. Offen bleibt dabei, wie stark diese Assoziation ausgeprägt ist und in welche Richtung sie geht.
60% höher war das Risiko, dass depressive Ärzte in der Folge ihrer Depression Fehler begingen. Umgekehrt stieg das Risiko, nach einem Fehler depressiv zu werden, um 70 Prozent.
Karina Pereira-Lima, Psychiaterin an der University of Michigan Medical School, ist diesen Fragen nachgegangen. Zusammen mit Kollegen hat sie im Zuge einer Metaanalyse elf Studien mit 21.517 Ärzten untersucht, sieben davon Längsschnitt- und vier Querschnittstudien (JAMA Netw Open 2019; 2(11):e1916097). Insgesamt war das relative Risiko für medizinische Fehler unter Ärzten, die positiv auf Depressionen getestet worden waren, doppelt so hoch wie bei nicht depressiven Kollegen (RR 1,95).
Beziehung ist beidseitig
Das sagt jedoch noch nichts über die Richtung aus; einerseits könnte die Arbeit depressiver Ärzte fehleranfälliger sein, andererseits die Depression Folge eines medizinischen Missgriffs sein. Auch das untersuchten Pereira-Lima und Mitarbeiter. Wie sich ergab, ist die Beziehung eine beidseitige.
So war das Risiko, dass depressive Ärzte in der Folge ihrer Depression Fehler begingen, um rund 60 Prozent erhöht. Umgekehrt stieg das Risiko, nach einem Fehler depressiv zu werden, um 70 Prozent.
Die Assoziationen waren ausgeprägter, wenn die Mediziner in chirurgisch tätigen Fachdisziplinen arbeiteten. Auch zeichneten sich die Zusammenhänge unter US-amerikanischen Ärzten deutlicher ab.
Die Angaben zu den Fehlern beruhten auf Selbstauskünften der Ärzte. Die Fehlerkategorien waren zudem schwankend, sodass der Schweregrad der Missgeschicke unklar blieb. Es gab jedoch eine Studie, in der ärztliches Fehlverhalten unabhängiger Beobachtung unterlag. Und hier kamen die Beobachter zu dem Schluss, dass mehr als 60 Prozent der Fehler potenziell schädlich für die Patienten waren.
Zu berücksichtigen ist, dass sich ein großer Teil der Ärzte in den analysierten Studien noch in der Ausbildung befand. Eine Übertragung der Resultate auf erfahrene Mediziner ist somit mit Vorsicht zu betrachten. Wie aus einschlägigen Umfragen hervorgeht, sind jüngere Ärzte stärker von Depressionen betroffen als ältere – ein Unterschied, der sich auch auf die hier untersuchten Zusammenhänge auswirken könnte.
Einige Fragen offen
Die Studie von Pereira-Lima und Kollegen lässt am Ende manches ungeklärt. Beispielsweise wäre es wichtig zu wissen, ob die Therapie von Depressionen unter Medizinern das Fehlerrisiko vermindern und die Patientenversorgung verbessern würde. Das herauszufinden bleibt künftigen Studien vorbehalten.