Strahlentherapie

Entscheidend für jede zweite Krebsheilung

Im Kampf gegen Krebs wird die Strahlentherapie immer wichtiger. Und sie nützt: In vielen Fällen trägt die Bestrahlung entscheidend dazu bei, den Krebs zu besiegen.

Von Roland Fath Veröffentlicht:
Schutzmaske für die Bestrahlung von Tumoren im HNO-Bereich.

Schutzmaske für die Bestrahlung von Tumoren im HNO-Bereich.

© Techt / dpa

HAMBURG. Bei etwa jeder zweiten Krebstherapie wird derzeit auch strahlentherapeutisch behandelt, Tendenz steigend.

"Bei jeder zweiten Heilung eines Krebspatienten ist die Strahlentherapie die einzige oder eine zentrale Therapiemethode", betonte Professor Michael Baumann aus Dresden, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), bei einer Pressekonferenz während der 21. Jahrestagung der Gesellschaft in Hamburg.

Jährlich gibt es in Deutschland rund 500.000 Krebsneuerkrankungen, etwa 50 Prozent der Betroffenen werden geheilt. Bei Brustkrebs, der häufigsten Krebsform bei Frauen, liegen die Heilungsraten derzeit sogar bereits über 90 Prozent.

Der Boom der Strahlentherapie wird vor allem mit technischen Fortschritten sowohl bei den Geräten als auch der Software erklärt. "Die Strahlentherapie hat in den letzten 20 Jahren eine Entwicklung genommen, die mit der Entwicklung des Computers gleichgesetzt werden kann", sagte Professor Dr. Jürgen Debus aus Heidelberg.

Vor jeder Behandlung wird heute eine Strahlentherapie anhand der Bilddaten (CT, PET) am Computer präzise simuliert. So können individuell Volumen, Bestrahlungstiefe und Dosis exakt geplant werden. Das erhöht die Wirksamkeit und verringert die Nebenwirkungsrate.

Bei vielen Tumorarten wie Bronchial- oder Kopf-Hals-Tumoren wird die Bestrahlung oft bereits primär eingesetzt, sagte Baumann. Auch bei Darmkrebs ist die Chirurgie nach hinten gerückt, sagte Professor Cordula Petersen aus Hamburg, insbesondere weil durch vorgeschaltete Radiochemotherapie die Chancen für eine organerhaltende Operation steigen.

Strahlentherapeuten und Chirurgen diskutieren

Das Selbstbewusstsein der Strahlentherapeuten brachte Professor Jürgen Dunst aus Kiel bei einem Symposium zu Kopf-Hals-Tumoren auf den Punkt: Eine Operation ohne Radiochemotherapie sei bei einem Oropharynx-Karzinom ein Kunstfehler, sagte er, eine Radiochemotherapie ohne Op nicht. Die Indikation zur Operation sei hier kritisch zu stellen.

Allerdings gibt es bei der interdisziplinären Diskussion um die primär beste Therapiemethode durchaus Kontroversen zwischen zum Beispiel Strahlentherapeuten und Chirurgen.

Idealerweise wird im Rahmen von interdisziplinären Tumorboards über die individuelle Therapiestrategie entschieden, sagte Professor Florian Würschmidt aus Hamburg. Auch die Patienten können bei Patt-Situationen in die Therapieentscheidung einbezogen werden.

Beim Prostatakarzinom zum Beispiel sind Operation und Strahlentherapie etwa gleich wirksam, so Baumann. Hier sollten die Patienten gut aufgeklärt werden, um an der Entscheidungsfindung mitwirken zu können. Auch das Einholen einer Zweitmeinung sei in unklaren Fällen den Patienten zu empfehlen.

Individualisierte Konzepte bei Brustkrebs

"Die Radiotherapie hat sich zu einer Risiko-adaptierten personalisierten Methode entwickelt", erklärte Professor Frederik Wenz aus Mannheim, Pressesprecher der DEGRO. Bei Brustkrebs-Patientinnen zum Beispiel sind individualisierte Bestrahlungskonzepte möglich geworden.

Während früher bei alle Patientinnen nach der Op eine Ganzbrustbestrahlung über fünf bis sechs Wochen Standard war, wird heute die Therapie auf die Aggressivität und Größe des Tumors abgestimmt. Insbesondere bei älteren Patientinnen (> 65 Jahre) mit in der Regel weniger aggressiven Tumoren erfolgen verkürzte Bestrahlungen über nur noch drei Wochen (so genannte Hypofraktionierung), berichtete Wenz.

Über 70-jährige Lymphknoten-negative Patientinnen mit kleinen Tumoren (< 2 cm) werden zum Teil auch nur einmalig während der Op bestrahlt oder erhalten nur noch eine akzelerierte Teilbrustbestrahlung über wenige Tage nach der Op. Andererseits werden bei jüngeren Patientinnen mit aggressiven Tumoren und Lymphknotenbefall große Volumina noch intensiver als früher bestrahlt.

Zu den Fortschritten zählt auch die gezielte Bestrahlung von limitierten Metastasen, zum Beispiel in der Lunge oder Leber, in wenigen Sitzungen mit höheren Dosierungen, sagte Peters.

Die Strahlentherapie wird hier nicht mehr nur palliativ zum Beispiel zur Schmerzlinderung eingesetzt, sondern es sei auch ein Ziel geworden, dadurch die Lebenszeit der Patienten zu verlängern.

Zu den neuen Bestrahlungskonzepten zählt die Radiotherapie mit Protonen und Schwerionen, die eine gezieltere Bestrahlung des Tumorgewebes als mit Röntgenstrahlen (Photonen) ermöglichen und deshalb schonender ist. Insbesondere bei krebskranken Kindern und Jugendlichen wird zunehmend auf diese Methode gesetzt, berichtete Debus.

Derzeit stehen entsprechende Geräte in fünf Zentren - Heidelberg, Berlin, München, Essen und Dresden - und demnächst auch in Marburg zur Verfügung.

Last not least: Auch biologische Faktoren gewinnen bei Strahlentherapie-Planung an Bedeutung. Humane Papillomaviren (HPV) in Kopf-Hals-Tumoren sprechen zum Beispiel für eine erhöhte Strahlenempfindlichkeit dieser Tumoren, berichtete Baumann, Sauerstoffarmut im Tumorgewebe ist hingegen ein Marker für ein verringertes Ansprechen. In Zukunft werde es möglich sein, je nach Patientengruppe mit unterschiedlichen Dosen zu bestrahlen.

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