Erhöhtes Sterberisiko bei Schlafmittel-Gebrauch

LONDON (dpa). Die Einnahme von Schlaftabletten ist mit einem deutlich erhöhten Sterberisiko sowie mit Krebserkrankungen assoziiert, berichten US-Forscher.

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Sie haben die Risiken bei mehr als 10.500 Menschen, die im Mittel über zweieinhalb Jahre Schlafmittel verordnet bekamen, untersucht (BMJ open 2012; online 27. Februar).

Ergebnis: Bei Patienten, die bis zu 18 Dosen im Jahr nahmen, war das Risiko zu sterben 3,5-fach höher als in einer Kontrollgruppe ohne Schlafmittel. Bei 18 bis 132 Dosen im Jahr war im Vergleich zu der Kontrollgruppe das Sterberisiko vierfach, bei mehr als 132 Dosen sogar fünffach erhöht.

"Diese Zusammenhänge betrafen alle Altersgruppen, am stärksten waren sie aber bei denjenigen zwischen 18 und 55 Jahren", schreiben die Forscher.

Sie betonen zudem, dass die Studie nicht zwingend Ursache und Wirkung aufzeigt - aber die Ergebnisse bestätigten ältere Studien, dass Schlaftabletten das Sterberisiko erhöhten.

Auch die Gefahr an Krebs zu erkranken steigt der Studie zufolge mit der Einnahme von Schlafmitteln an: Bei denjenigen, die besonders häufig Pillen schluckten, erhöhte sich das Risiko einer Krebsdiagnose demnach um 35 Prozent.

"Obwohl die Autoren nicht beweisen konnten, dass Schlafmittel einen vorzeitigen Tod verursachen, haben ihre Analysen viele andere mögliche Gründe ausgeschlossen", kommentierte Trish Groves, der Chefredakteur des "British Medical Journal", die Studie.

Groves: "Deshalb werfen diese Ergebnisse wichtige Bedenken und Fragen über die Sicherheit von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten auf"

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 29.02.201217:57 Uhr

Koinzidenz ist nicht Kausalität!

Da bedaure ich schon, dass ich den umfassenden Bericht der Autorin Dr. Dagmar Kraus unter ''springermedizin.de'' über eine Publikation im "British Medical Journal" (Kripke D.F. et al. Hypnotics´ association with mortality or cancer: a matched cohort study) zunächst nicht so gut bewertet und kommentiert habe. Denn der hier gekürzt abgedruckte Agenturbericht der dpa ist noch wesentlich ungenauer, tendenziöser und irreführender. Auch konnten keineswegs "viele andere mögliche Gründe ausgeschlossen" werden, wie die Redaktion des "British Medical Journal" behaupten will.

In ihren Schlussfolgerungen fordern die drei Autoren eine (prospektive) randomisierte klinische Studie mit ausreichender Dauer und Größenordnung („A randomised clinical trial of sufficient duration and size”). Denn nur diese könnte definitive Evidenz f ü r oder g e g e n die beunruhigenden Mortalitätsrisiken ergeben, welche in ihrer Studie postuliert wurden („could provide definitive evidence for or against the disturbing mortality hazards suggested by our study”). Und so lange ethische Bedenken g e g e n randomisierte Studien zur Letalität von Hypnotika vergleichbar mit prospektiven Studien zur Mortalität bei Rauchern/Nichtrauchern oder Fallschirmspringen mit und ohne Fallschirm vernünftigerweise bestehen würden, sei man auf retrospektive Daten aus reinen Beobachtungen angewiesen („No such trial has ever been mounted, perhaps for reasons similar to the absence of randomised trials of cigarettes and of skydiving without parachutes.” …”we must be guided by observational data …”). Bestätigt wird noch einmal die Assoziation zwischen erhöhter Mortalität und Hypnotika-Gebrauch („Excess mortality is associated with hypnotic use“). Aber gleichzeitig wird auch zu bedenken gegeben, dass Hypnotikaanwendungen mit höherer und vermehrter Krankheitsprävalenz einher gehen als bei Nicht-Anwendern b e v o r sie Schlafmittel einfordern (“Hypnotic users had more prevalent disease of many sorts than non-users before hypnotics were ordered.”).

Die möglicherweise fehlende Kausalität hat mit der suspekten Koinzidenz zu tun, welche die Untersucher selbst publizieren. Die Gruppe der Patienten m i t Hypnotika war nämlich mit relativem Risiko wesentlich häufiger chronisch krank und multimorbider als die Vergleichsgruppe o h n e zusätzliche Schlafmittel („Table 2 Comorbid diagnoses of non-users and users of hypnotics [percentages of total group]” Kripke DF, Langer RD, Kline LE. BMJ Open 2012;2:e000850.).
• Asthma war 71,2 Prozent häufiger (6,6% versus 11,3%)
• cerebrovaskuläre Krankheiten 63,2 Prozent häufiger (3,8% versus 6,2%)
• Koronare Herzkrankheit 54,3 Prozent häufiger (9,4% versus 14,5%)
• chronische Nierenerkrankungen 88,9 Prozent häufiger (0,9% versus 1,7%)
• COPD 65,5 Prozent häufiger (5,5% versus 9,1%)
• kardiovaskuläre Krankheiten allgemein 51,8 Prozent häufiger (14,1% versus 21,4%)
• Diabetes mellitus 22,6 Prozent häufiger (14,6 versus 17,9)
• Herzfehler 106 Prozent häufiger (3,2% versus 6,6%)
• Hypertonie 14,1 Prozent häufiger (37,5% versus 42,8)
• Übergewicht 56,7 Prozent häufiger (6,7% versus 10,5%)
• Reflux/peptische Erkrankungen 86 Prozent häufiger (15,0 versus 27,9%)
• PAVK 85 Prozent häufiger (2,1% versus 3,9%)

Eine Demenz war mit 0,6 Prozent in beiden Gruppen gleich selten.

Und dass sich, wie am Ende der Schlussfolgerungen erwähnt, ein Konsens entwickeln könne, nach dem kognitive Verhaltenstherapie bei chronischen Schlafstörungen erfolgreicher als Hypnotika sei („A consensus is developing that cognitive-behavioural therapy of chronic insomnia may be more successful than hypnotics”), ist weder durch große retrospektive Beobachtungen noch durch prospektive randomisierte Studien belegbar.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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