Ernährungsambulanz am Uniklinikum Kiel

Das Kieler Ernährungsteam hat der Mangelernährung den Kampf angesagt. Die Mitarbeiterinnen wollen den Blick dafür im Klinikalltag schärfen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Softdrinks, Schokoriegel und andere süße Verführer - der Automat am Eingang der ersten Medizinischen Klinik auf dem Campus Kiel des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein enthält alles, wovor Ernährungsmediziner warnen.

Das Team der Kieler Ernährungsambulanz hat dem Automaten bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt. Denn ihre Patienten kämpfen in aller Regel nicht mit zu vielen, sondern mit zu wenigen Pfunden. Mindestens jeden vierten Klinikpatienten schätzen sie als unter- oder mangelernährt ein.

Gastroenterologin Dr. Diana Rubin, Weiterbildungsassistentin Dr. Ulrike Johanns und Krankenschwester Gundula Schura sehen täglich solche Patienten in den verschiedenen Kliniken auf dem Kieler Campus. Neben ihrer normalen Stationstätigkeit versuchen die Ärztinnen des Ernährungsteams, diesen oft älteren oder schwer kranken Patienten zu helfen. Vorrangiges Ziel ist es, den Gewichtsverlust zu stoppen.

Im Klinikalltag fehlt oft der Blick für Mangelernährte

Das klingt einfach, doch die drei Angestellten der Ambulanz für enterale und parenterale Ernährung arbeiten unter schwierigeren Bedingungen als etwa niedergelassene Ernährungsmediziner. Denn das Team hat oft nur ein schmales Zeitfenster.

"Die DRG´s belohnen unsere Tätigkeit nicht." Dr. Diana Rubin, Ärztin in der Ernährungsambulanz

Die deutlich kürzeren Liegezeiten als in der Vergangenheit lassen bei vielen Patienten nur noch ein oder zwei Kontakte zu, bevor sie aus dem Krankenhaus entlassen werden. Damit die Ernährungsmediziner überhaupt von den Patienten erfahren, müssen ihre Kollegen auf den Stationen den Bedarf erkennen und die Ambulanz einschalten. Das passiert derzeit rund 400 Mal im Jahr.

Das Team ist aber sicher, dass der Bedarf größer ist. Oftmals fehlt im angespannten Klinikalltag der Blick für dieses Problem. "Es geht nicht nur um 40-Kilo- Patienten. Viele mangelernährte Patienten sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen", sagt Ulrike Johanns. Gundula Schura als Dienstälteste im Team kennt dieses Problem schon seit 1993. Sie würde gerne auf jeder Station feste Ansprechpartner schulen, die bei jedem neuen Patienten prüfen, ob eine Ernährungsberatung angezeigt ist.

Nach dem Erstkontakt mit einem Patienten erhebt ein Mitglied des Teams den Ernährungsstatus, indem sie sechs Parameter überprüft. Dazu zählt der BMI, aber auch der Oberarmumfang, die Muskelmasse am Arm und die subkutane Fettmasse in der Oberarmfalte. Bei ihren Erhebungen haben sie festgestellt, dass eine frühere Untersuchung an der Kieler Universität mit einem Anteil von rund 25 Prozent an unter- oder mangelernährten Patienten eher nach oben korrigiert werden muss.

Mindestens 90 Prozent der Patienten, zu denen das Team gerufen wird, sind mangelernährt. Die Mitglieder des Teams kümmern sich um den Kostaufbau nach einer Operation, erstellen ein Therapiekonzept, kontaktieren den Hausarzt und den Pflegedienst für die Nachbetreuung.

"Es geht nicht nur um 40-Kilo-Patienten." Dr. Ulrike Johanns, Ärztin in der Ernährungsambulanz

Vielen Patienten fällt es schwer, eingeschliffene Verhaltensweisen und Vorurteile zu korrigieren. Die Ernährungsmediziner haben beobachtet, dass sich viele Menschen mit fettarmer Kost quälen und sich zu viele Verbote auferlegen. Damit schränken sie ihr Lebensmittelrepertoire ein und ernähren sich zu einseitig. "Es gibt Patienten, die Kartoffeln für schädlich halten", berichtet Gundula Schura. Andere halten sich zu strikt an pauschale Empfehlungen, ohne Rücksicht auf ihre individuellen Spielräume. Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen etwa glauben häufig, dass Tomaten und Bananen für sie grundsätzlich tabu seien.

Besonders chronisch kranke Patienten sind nach ihren Erfahrungen sehr wissbegierig. Das kann den Nachteil haben, dass sie schon mit einem angelesenen, aber auf die persönliche Situation nicht richtig eingeordnetem Wissen in die Klinik kommen. "Manche Informationen müssen wir ins rechte Licht rücken", sagt Diana Rubin. Sie hat aber auch die Erfahrung gemacht, dass die Patienten die Ratschläge dankbar aufnehmen und umsetzen: "Viele sagen, dass ihnen diese Beratung gefehlt hat." Sie ist sicher, dass auch ambulant ein höherer Beratungsbedarf besteht als die derzeit noch geringe Nachfrage in ihrer Sprechstunde vermuten lässt.

Kommunikation zwischen Ambulanz und Praxen fördern

Rubin überlegt derzeit, ob sie eine Ermächtigung bei der KV beantragt, damit mangel- und fehlernährte Patienten das ambulante Angebot besser wahrnehmen können als bislang. Die Beratung für zu dicke Patienten sieht sie in den Praxen dagegen gut abgedeckt.

"Es gibt Patienten, die Kartoffeln für schädlich halten." Gundula Schura, Krankenschwester in der Ernährungsambulanz

Die Kommunikation zwischen der Ambulanz und den Praxen könnte nach ihrer Ansicht intensiviert werden. So wünschen sich die drei Frauen etwa mehr Rückmeldungen aus den Praxen über Patienten, die sie aus der Klinik mit entsprechenden Empfehlungen für die Nachsorge entlassen konnten.

Die Ermächtigung ist nicht der einzige Wunsch des Teams. Um die Beratung verbessern zu können, müsste diese in den Fallpauschalen der Kliniken stärker berücksichtigt werden. "Die DRG´s belohnen unsere Tätigkeit nicht", sagt Diana Rubin.

Mit einer angemessenen Bezahlung wären nach ihrer Einschätzung mehr Kliniken bereit, Ernährungsteams aufzubauen oder zu verstärken. Auch regelmäßige Fortbildungen für das Krankenhauspersonal wären wünschenswert, damit das Thema Ernährung stärker im Bewusstsein der Kollegen verankert wird.

AUF EINEN BLICK

Ambulanz für enterale und parenterale Ernährung

Das Team besteht aus zwei Ärztinnen, die neben der Ernährungsberatung Stationsdienst in der Inneren Medizin leisten, und einer Krankenschwester. Seit zwei Jahren werden sie durch Studenten der Ökotrophologie unterstützt.

Das Team ist dem Chef der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Professor Ulrich Fölsch, direkt unterstellt und wird rund 400 Mal im Jahr zu Klinikpatienten gerufen, bei denen das Stationspersonal eine Ernährungsberatung für notwendig erachtet.

Die ambulante Sprechstunde wird bislang eher selten in Anspruch genommen. Den tatsächlichen Bedarf schätzt das Ernährungsteam selbst als höher ein.

Die Mitglieder ermitteln den Ernährungszustand, erstellen Ernährungspläne, machen Visiten, betreuen Patienten mit enteraler und parenteraler Ernährung (Erstverbandswechsel nach PEG, Beratung über Sonderkostformen, Schulung der Pfleger, Patienten und Angehörigen) und organisieren das häusliche Umfeld. (di)

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