Neue Analyse

Fordert dreckige Luft mehr Tote als Rauchen?

Wie viele vorzeitige Todesfälle gehen auf Luftverschmutzung zurück? Mainzer Forscher legen dazu eine neue Analyse vor. Demnach kosten Luftschadstoffe Europäer im Mittel rund zwei Jahre Lebenszeit.

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Etwa 120 Menschen pro 100.000 Einwohner sterben einer neuen Berechnung zufolge weltweit jährlich vorzeitig an den Folgen verschmutzter Luft, in Europa etwa 133.

Etwa 120 Menschen pro 100.000 Einwohner sterben einer neuen Berechnung zufolge weltweit jährlich vorzeitig an den Folgen verschmutzter Luft, in Europa etwa 133.

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MAINZ. Luftschadstoffe führen zu mehr vorzeitigen Todesfällen als das Rauchen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie Mainzer Wissenschaftler. Weltweit verursache vor allem mit Feinstaub belastete Luft 8,8 Millionen Sterbefälle pro Jahr, berichtet das Team um den Atmosphärenforscher Professor Jos Lelieveld und den Kardiologen Professor Thomas Münzel (Eur Heart J 2019; online 12. März).

Etwa 120 Menschen pro 100.000 Einwohner sterben demnach weltweit jährlich vorzeitig an den Folgen verschmutzter Luft, in Europa etwa 133. In Deutschland sind es den vorgestellten Daten zufolge sogar 154 je 100.000 Einwohner jährlich – mehr als etwa in Polen, Italien oder Frankreich.

Im Vergleich dazu werde die Zahl der auf das Rauchen zurückgehenden Todesfälle – inklusive des Passivrauchens – von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf global 7,2 Millionen jährlich geschätzt, erläutern die Forscher. Ein Mensch könne sich allerdings entscheiden, nicht zu rauchen – der Luftverschmutzung aber könne er nicht ausweichen.

Allein in Europa kommen den Berechnungen zufolge jährlich knapp 790.000 Menschen wegen der Folgen von Luftverschmutzung vorzeitig ums Leben – deutlich mehr als früheren Untersuchungen zufolge. Die Todesfälle gehen demnach vor allem auf Herzkreislauf- sowie Atemwegserkrankungen zurück (siehe nachfolgende Grafik).

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Wie valide sind die neuen Zahlen?

Die Forscher geben allerdings selbst zu bedenken, dass ihre Hochrechnung mit statistischen Unsicherheiten verbunden ist, der tatsächliche Effekt der Luftverschmutzung könne daher sowohl unter als auch über den errechneten Werten liegen.

Berechnungen wie die nun vorgestellte wurden vor allem in der Debatte um Stickoxide und Fahrverbote in Städten zuletzt immer wieder kritisiert. Letztlich handele es sich bei solchen epidemiologischen Studien um eine statistische Abschätzung, hatte das Umweltbundesamt klargestellt.

„Die so ermittelten Zahlen sind als Indikatoren für den Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung zu sehen“, hieß es. Es handele sich dabei nicht um klinisch identifizierbare Todesfälle, die auf einen bestimmten Luftschadstoff zurückgeführt werden können.

Als exakter als die Zahl der vorzeitigen Todesfälle gilt in der Forschung die Zahl der verlorenen Lebensjahre durch einen Risikofaktor.

Schlechte Luft gehört jedenfalls zu den bedeutendsten Gesundheitsrisiken neben Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht und Rauchen, wie das Team um Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, und Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz, erläutert. Durch die Luftverschmutzung werde die durchschnittliche Lebenserwartung von Europäern um rund zwei Jahre verringert.

Debatte um Grenzwert-Höhe hält an

Als Hauptursache für Atemwegs- und Herzkreislauf-Erkrankungen machen die Forscher kleinste Feinstaubteilchen mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) aus. In Deutschland trage die Landwirtschaft zu bis zu 45 Prozent zum Ausstoß solcher Partikel bei, so Lelieveld.

Angesichts der Studienergebnisse sei der europäische PM-2,5-Grenzwert für Feinstaub mit einem Jahresdurchschnitt von 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft viel zu hoch, betonte Münzel.

Feinstaub entsteht durch den Verkehr, die Landwirtschaft, durch Kraftwerke, Fabriken und Heizungen. Bei Feinstaub aus dem Verkehr spielen neben dem Verbrennungsprozess in Motoren auch der Reifenabrieb und aufgewirbelter Staub eine Rolle.

So gingen die Forscher bei der Berechnung vor

Die Mainzer Wissenschaftler hatten frühere eigene Berechnungen sowie die der weltweiten Gesundheitsstudie „Global Burden of Disease“ von 2015 neu analysiert. Dank des Projekts „Global Exposure Mortality Model“ (GEMM) habe eine umfangreichere Datengrundlage aus 16 Ländern, darunter China, vorgelegen, hieß es.

Die Forscher ermittelten zunächst die regionale Belastung mit Schadstoffen wie Feinstaub und Ozon mit Hilfe eines Atmosphärenchemiemodells. Diese Werte verknüpften sie mit krankheitsspezifischen Gefährdungsraten sowie der Bevölkerungsdichte und den Todesursachen in einzelnen Ländern.

Umweltschützer fordern schon lange schärfere EU-Grenzwerte für Feinstaub der Größe PM 2,5. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel, in der EU gelten 25. Die EU-Umweltbehörde EEA kommt für 2014 auf 66.000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaub, das Umweltbundesamt für 2015 auf 41.000. (dpa)

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Kommentare
Dr. Andreas Schnitzler 22.03.201909:40 Uhr

Frische Luft: DAS NEUE RAUCHEN !!!

GENAU DAS ist die Botschaft, die uns das MPIC hier vermitteln will.

IST DAS MÖGLICH?

Zunächst einmal sind ALLE RAUCHER in der Analayse ENTHALTEN (Datenbasis = 124.000/0,00154=80,5 Mio Bundesbürger; s.a. Anhang Tabelle S1).

Dass aber „Feinstaub“ und „Tabakrauch“ praktisch EIN UND DASSELBE sind, folgt nicht nur aus der VERNUNFT („Verbrennungsprodukte pflanzlichen Ursprungs“, zB Erdöl bzw. Diesel, Holz, Tabak), sondern wurde auch bereits mehrfach KONKRET GEMESSEN („Garagenversuch“ u.ä.).

Nach der Toxikologie („Die DOSIS macht das Gift“) ist es somit VÖLLIG UNMÖGLICH, dass eine TAUSENDFACH HÖHERE Exposition (Rauchen: „Cotinin-Spiegel“!) EXAKT DIESELBEN Folgen haben kann wie „frische Luft“.

ES GEHT NICHT.

»Rauchen ist jedoch individuell vermeidbar, Luftverschmutzung hingegen nicht.« (MPIC 2019)

NACHGERECHNET: 80 Jahre „frische Luft“ (= Nichtrauchen = "allgemeine" Luftverschmutzung) = 29.000 „Tagesdosen Feinstaub“. 40 „Päckchenjahre“ = 40 Jahre x 365 Tage x 1.000 = 14 MILLIONEN „Tagesdosen“.

Ich bin FASSUNGSLOS.

Siegfried Hauswirth 14.03.201908:24 Uhr

Ja ! Verke(h)rte Welt

Herr Isensee, bei der Frage der Dieselfahrverbote geht es um Stickstoffdioxid in Innenstädten, wo durch Straßenschluchten der Luftaustausch stark eingeschränkt ist und durch die mangelnde Durchlüftung der Grenzwert überschritten wird. Was auch oft vergessen wird, dass Stickstoffdioxid nicht der einzige Schadstoff ist, sondern, dass Stickstoffdioxid eine Vorläufersubstanz für Feinstaub und bodennahes Ozon darstellt und dass erhöhte Stickstoffdioxidemissionen mit höheren Belastungen durch Ruß, krebserregende Kohlenwasserstoffe u.a. einhergehen. Insofern ist der Grenzwert gerechtfertigt, evtl. sogar unter Vorsorgegesichtspunkten zu hoch:
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2018-11/stickoxid-grenzwerte-umweltmedizin-barbara-hoffmann-eu-grenzwerte-feinstaub-verkehrsabgase

Siegfried Hauswirth 13.03.201912:05 Uhr

Die Autohersteller sind in der Verantwortung.. Jeder hat Anspruch auf gesunde Luft !

Die Berechnungen kann man nicht einfach vom Tisch wischen. „Die so ermittelten Zahlen sind als Indikatoren für den Gesundheitszustand der Gesamtbevölkerung zu sehen“ - leider kann man das der Bevölkerung schwer vermitteln, wie man es angesichts der aktuellen Diskussion sieht. Epidemiologie und Statistik sind schwer zu verstehen. Ich meine, Politik und Autoindustrie haben es vergeigt: Die Grenzwerte wurden bereits vor rund 20 Jahren festgelegt und niemand hatte sich beschwert. Ich war an der Aufstellung von Luftreinhalteplänen zweier Städte beteiligt und weiß daher, dass man u.a. auf die laufende Erneuerung der Fahrzeugflotte und damit auf eine Verringerung der Emissionen und Immissionen spekuliert hatte. Was man nicht vorhersah, war die zunehmende Zahl der LKW`s und vor allem der stark zunehmende Anteil großmotoriger, dieselbetriebener SUV`s. Die Autohersteller haben die Abgasreinigung zwar verbessert, es hat aber nicht gereicht. In den USA werden bessere Abgasreinigungssysteme eingebaut, warum nicht hier ? Was nun geschieht ist, wo es Dieselfahrer zu spüren bekommen, die ein "sauberes" Auto geglaubt gekauft zu haben, dass man Grenzwerte in Frage stellt. Das ist der falsche Ansatz! Menschen, die in den Innenstädten leben, auch Alte, Kranke, Schwangere, Kleinkinder haben ein Recht auf eine gute Luftqualität, die die Gesundheit nicht beeinträchtigt. Die Berechnungen der Epidemiologen zeigen, dass dies aber der Fall ist. Dieselfahrverbote bringen m.E. nicht viel. Die Autoindustrie ist gefragt !

Dipl.med. Thomas Isensee 13.03.201908:26 Uhr

Verke(h)rte Welt

"Feinstaub entsteht durch den Verkehr, die Landwirtschaft, durch Kraftwerke, Fabriken und Heizungen. Bei Feinstaub aus dem Verkehr spielen neben dem Verbrennungsprozess in Motoren auch der Reifenabrieb und aufgewirbelter Staub eine Rolle"
Wenn all die o.g. Ursachen vorhanden sind und die Landwirtschaft sogar mit 45% beiträgt, warum konzentriert sich der ganze Aktionismus allein auf das Dieselfahrzeug. Auch Fahrräder haben Reifenabrieb und wirbeln Staub auf (manche sogar sehr viel).
Hier auch noch den Rauchern ein Argument zu geben, dass Rauchen ja weniger schädlich wäre, als nur zu atmen sehen ich dann schon als menschenverachtend an.
Ganz zu schweigen davon, dass die hier verwendeten statistischen Methoden in diesem Zusammenhang auch sehr kritisch hinterfragt werden, wie auch die Protagonisten selbst anmerken.
Ich frage mich, warum die Menschen vor 200 Jahren so früh sterben mussten, obwohl da wohl kaum Feinstaub gab.

Dr. Hermann Wagner 13.03.201907:25 Uhr

viele offene Fragen

Weshalb sterben laut der Studie Westeuropäer an Herzkreislauferkrankungen und Deutsche an pulmonalen Problemen? Weshalb ist die Lebenserwartung im höchstbelasteten Deutschland höher als in anderen Ländern?
Rechemodelle!

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