Unklare Studienlage
Frühstück oder kein Frühstück, das ist hier die Frage
Es gibt inzwischen haufenweise Studien, die untersucht haben, wie gesund das tägliche Frühstück wirklich ist. Ein einheitliches Bild ergibt sich dabei nicht.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Selbst randomisierte kontrollierte und epidemiologische Studien zum Einfluss des Frühstücks auf die Gesundheit kommen zu unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen.
Außerdem müssten viele Studien wegen zahlreicher methodischer Mängel kritisch betrachtet werden, meint die Ernährungswissenschaftlerin Nicole Erickson, TU München (Aktuel Ernährungsmed 2014; 39:355).
Frühstück: Schutz vor Übergewicht?
Wie stark allein die Frage "Frühstück oder kein Frühstück?" vom soziodemografischen Hintergrund abhängt, hat eine Untersuchung in acht europäischen Ländern gezeigt (Public Health Nutrition 2015; 18 (5):774-783): Bei der Befragung von 5444 Kindern und deren Eltern ergab sich nicht nur für einige Länder ein signifikanter Zusammenhang zwischen "Wochentags-Nichtfrühstückern" und Übergewicht, sondern auch zwischen Frühstückskultur und Herkunft sowie Bildungsgrad der Eltern.
Kinder, die in ihrer biologischen Herkunftsfamilie lebten, wo mindestens ein Elternteil einen höheren Bildungsgrad hatte und beide Eltern berufstätig waren, erhielten häufiger ein tägliches Frühstück und waren im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren vergleichsweise selten übergewichtig.
Anders als oft empfohlen, scheint das tägliche Frühstück eine Gewichtsreduktion aber nicht zu erleichtern (Am J Clin Nutr 2014; 100:503-513). Eine britische Studie ergab zudem, dass schlanke frühstückende Erwachsene insgesamt sogar mehr Kalorien aufnahmen im Vergleich zur Erwachsenen, die morgens nicht aßen, aber durch körperliche Aktivität bis mittags auch signifikant mehr verbrauchten (Am J Clin Nutr 2014; 100: 539- 547).
"Frühstücker" aßen weder am Abend weniger, noch zeigten sich wesentliche Unterschiede bei metabolischen Parametern oder kardiovaskulären Risikofaktoren im Vergleich zu "Nichtfrühstückern".
Allerdings waren bei Ersteren die Blutzuckerwerte am Nachmittag und Abend stabiler. Auch litten einer schwedischen Kohortenstudie zufolge Jugendliche, die im Alter von 16 Jahren gar nicht oder nur sehr dürftig frühstückten, unabhängig von sonstigen Mahlzeiten oder ihrem Lebensstil in der Jugend, mit 43 Jahren signifikant häufiger an einem metabolischen Syndrom (Public Health Nutr 2015; online 4. Mai).
Geringeres Diabetes-Risiko bei Frühstückern
Regelmäßige Morgenmahlzeiten senken den mittleren Nüchterninsulinspiegel, so das Fazit einer britischen Studie mit 4000 Neun- und Zehnjährigen (PLoS Med 2014; 11(9): e1001703). Kinder, die täglich frühstückten, hatten im Vergleich zu Nichtfrühstückern ein geringeres Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln.
Besonders deutlich wurde dieser Zusammenhang bei ballaststoffreicher Kost. Wenn alle englischen Kinder, die nicht frühstücken, dazu gebracht würden, jeden Morgen eine ballaststoffreiche Mahlzeit einzunehmen, könnte der Insulinspiegel populationsweit um 11-12 Prozent sinken, so die Hochrechnung.
Wie das möglicherweise zu schaffen ist, zeigt eine Studie in mehreren europäischen Ländern (Eur J Nutr 2015; online 19. April). Denn mit genussfertigen Getreidezubereitungen konnten Jugendliche wesentlich leichter zum täglichen Frühstück bewegt werden als mit üblichen Morgenmahlzeiten.
Ganz nebenbei nahmen sie auch mehr Milchprodukte und frische Früchte zu sich. Das erhöhte Diabetesrisiko bei Frühstücksverzicht bestätigte sich zudem kürzlich in einer Metaanalyse mit Erwachsenen (Public Health Nutrition 2015; online 17. Februar).
Erickson hält vor allem den Zusammenhang zwischen "regelmäßigem Frühstück" und "vermehrter körperlicher Aktivität" für interessant, der sich bei Kindern und Erwachsenen in zwei Untersuchungen gezeigt hat.
In einer griechischen Studie (Eur J Clin Nutr 2014; 68(7):829-834) wurden zwar bei Jungen ohne regelmäßiges Frühstück ein vergleichsweise höheres Gewicht, ein vermindertes HDL-Cholesterin sowie höhere Triglyzeridwerte festgestellt, woraus die Autoren auf eine Beeinflussung des kardiovaskulären Risikoprofils durch das Frühstück schlossen.
Erickson sieht dies allerdings "weniger als Argument für regelmäßiges Frühstück, sondern eher als gute Basis, um den positiven inversen Effekt von körperlicher Aktivität auf kardiovaskuläre Risiken zu belegen".
Eine Frage der Interpretation ...
Ebenso könne vermehrte Bewegung die stabile Blutzucker-Homöostase in einer weiteren Studie erklären (Am J Clin Nutr 2014;100:539-547).
Es sei eine Frage der Interpretation, so Erickson, ob sich die Studienprobanden aufgrund eines Energiedefizits infolge des leeren Magens am Morgen weniger bewegten oder ob sie allgemein einen ungesünderen Lebensstil führten.
In einer dritten Studie (Am J Clin Nutr 2014; 100: 503- 513) bestätige sich zudem, dass Probanden, die regelmäßig frühstücken, insgesamt bessere Essgewohnheiten und einen gesünderen Lebensstil hatten.
Für Empfehlungen zum regelmäßigen Frühstück im Hinblick auf die kardiovaskuläre Gesundheit sieht die Ernährungswissenschaftlerin jedenfalls noch keinen Anlass.