Keimbelastung und Panscherei
Gefahr durch Muttermilch aus dem Web
Wer sein Baby nicht selbst stillen kann, bestellt Muttermilch heutzutage ganz einfach im Internet - das kann aber gravierende Folgen haben.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Was wird der Muttermilch nicht alles nachgesagt: Sie stärkt das Immunsystem des Neugeborenen, schützt vor Allergien, fördert die Entwicklung des Gehirns und beeinflusst sogar das Leukämierisiko günstig. Kein Wunder, dass viele Mütter alles daran setzten, adäquaten Ersatz zu finden, wenn die körpereigene Quelle versagt.
Und wo Nachfrage ist, entstehen über kurz oder lang Angebote. Die Idee klingt zunächst bestechend: Mütter, die zu viel Milch produzieren, geben den Überschuss an Frauen ab, die ihr Kind nicht oder unzureichend stillen können. Frauenmilch ist schließlich die beste Nahrung für Säuglinge - da sind sich die Experten einig.
Die Vorteile der Muttermilch hat man früh erkannt. Nach dem Rückzug der Ammen gab es bereits im Jahr 1959 in Ostdeutschland 62 und im Westen 24 Milchbanken. Derzeit existieren hierzulande 13 an Kliniken angeschlossene Frauenmilchbanken der European Milk Bank Association (emba).
Die einzige westliche befindet sich im Perinatalzentrum München-Großhadern. Hier wird gespendete Milch von untersuchten Müttern, die im Zentrum entbunden haben, in gesicherter Qualität an Neu- und Frühgeborene weitergegeben, deren Mütter in den ersten Wochen nicht genügend Milch haben.
"Gehaltvolle" Muttermilch per Online-Bestellung
Doch nicht alle Frauen sehen sich als selbstlose Spenderinnen. Einige geschäftstüchtige Mütter haben zunächst in den USA eine lukrative Nische entdeckt. Und wo könnten Anbieter und Kunden schneller zusammenkommen als im Internet. In Deutschland ist die erste private MuttermilchOnline-Börse im Januar 2014 entstanden.
Für einen Durchschnittspreis von drei Euro kann man hier 100 ml Muttermilch erwerben, nur sehr wenige Frauen verschenken ihre Milch. Wer auf Sicherheit setzt, schaltet dem Verfüttern eine Untersuchung im Labor vor.
Ein Link auf dem Online-Portal führt zu dem kooperierenden "Institut für Milchuntersuchung", das beispielsweise Tests auf Kuhmilchzusätze, Antibiotikarückstände oder Keimbelastungen anbietet. Ob die entstehenden Zusatzkosten investiert werden oder nicht, liegt in der Eigenverantwortung der Nutzer.
Seit einiger Zeit rufen allerdings Meldungen über Verunreinigungen und Panschereien bei Online-Angeboten von Muttermilch die Experten auf den Plan. Eine US-Studie hat ergeben, dass jeder zehnten Probe Kuhmilch beigemischt war (Pediatrics 2015; online 6. April). Zudem weisen Experten auf die große Gefahr bakterieller oder viraler Verunreinigungen hin.
Hierzulande warnte bereits im Februar letzten Jahres der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte davor, Muttermilch über das Internet zu beziehen. "Spenderinnen können Medikamente oder Drogen nehmen, ansteckende Krankheiten wie Aids oder Hepatitis haben", so Präsident Dr. Wolfram Hartmann.
Auch der Transport könne die Qualität der Muttermilch beeinträchtigen. Zudem passe sich die eigene Muttermilch in ihrer Zusammensetzung stets aufs Neue den Bedürfnissen des Säuglings an. So enthalte die Milch einer Frau, die bereits ein älteres Kind hat, nicht die richtige Nährstoffzusammensetzung für ein Neugeborenes. Frauen, die nicht stillen können, raten die Kinderärzte deshalb zu industriell hergestellter Säuglingsmilch.
Hygienevorschriften wie beim Blutspenden
Auch die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) lehnt "aus hygienischen Gründen die Abgabe von Muttermilch über private Muttermilchbörsen oder andere vergleichbare Vermittlungsstellen ab" . Für Kinder, die nicht gestillt werden können, wird entweder die abgepumpte Milch der eigenen Mutter oder Milch aus einer der Kinderklinik angeschlossenen Frauenmilchbank empfohlen.
Diese Spenderinnen seien medizinisch untersucht und die Milch bakteriologisch kontrolliert und pasteurisiert. Laut BfR sollten Muttermilchspenden den gleichen strengen Hygienevorschriften unterliegen wie Blutspenden.
Neben dem Berufsverband der Frauenärzte raten mittlerweile auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie die Verbraucherzentrale vom Muttermilchbezug über das Netz ab.
Natürlich gibt es eine Reihe medizinischer Gründe, die verhindern, dass ein Säugling gestillt werden kann. Jenseits dieser Probleme sollten aber auch die Mütter nicht vergessen werden, die nur deshalb nach Alternativen suchen, weil sie in der ständigen Furcht leben, zu wenig Milch für ihr gesundes Kind zu produzieren.
Vielen von ihnen wäre schon mit einer guten Beratung geholfen. Schließlich ist der innige Kontakt zwischen Mutter und Kind während des Stillens durch nichts zu ersetzen.