Diabetes
Gefahr von Ketoazidosen wird oft unterschätzt
Diabetische Ketoazidosen (DKA) sind eine häufige Ursache für Krankenhausaufenthalte von Diabetikern. Oft sind sie die Folge von Fehlern der Patienten selbst und könnten vermieden werden. Wie, das erklärt Diabetes-Experte Professor Hellmut Mehnert in seiner Kolumne.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Diabetische Ketoazidosen (DKA) sind nach Studiendaten immer noch die Ursache von vier bis neun Prozent aller Krankenhausaufnahmen von Menschen mit Diabetes. Auch geht die Erstmanifestation eines Typ-1-Diabetes bei 25 bis 40 Prozent der Betroffenen mit einer ausgeprägten DKA einher - wenn auch nicht immer mit einem Koma.
Prof. Hellmut Mehnert
Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.
Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.
Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.
In der Regel werden DKA durch Therapiefehler des Patienten vor allem bei akuten Erkrankungen verursacht. Das ist besonders bei Infektionen der Fall (zu 30 bis 50 Prozent). Besonders gefürchtet sind gastrointestinale Erkrankungen mit Fieber und Durchfällen.
Warnen Sie ihre Patienten davor, in dieser Situation - womöglich noch ohne Nahrungszufuhr - das Insulin abzusetzen. Gerade bei Diabetikern mit Fieber ist vordringlich mit Insulin und Flüssigkeitszufuhr zu behandeln.
Unterschätzt wird auch die Rolle von Injektionsfehlern für die Entwicklung einer DKA (zu 20-40 Prozent). Und immer noch lassen sich Eltern von Kindern mit Diabetes von Scharlatanen beeinflussen und setzen Insulin als "schädliche Fremdsubstanz" zugunsten eines Alternativ-Säftchens ab.
Ursache Alkoholabusus
Stresssituationen wie nach Herzinfarkt, Pankreatitis oder Alkoholabusus können ebenfalls eine DKA auslösen. Das Risiko ist hier deutlich höher als bei spezifischen Medikamenten, die nur mäßig (wenn überhaupt) den Blutzucker erhöhen.
Dazu gehören Thiazide, Betablocker, Glukokortikoide und - am wenigsten bedeutsam - Statine. Die Vorteile der Lipidsenker überwiegen bei Dyslipoproteinämie bei weitem die Risiken!
Manche Patienten verringern die Insulindosis, weil sie Gewicht abnehmen wollen oder sich vor Hypoglykämien fürchten. Technische Fehler bei der Insulinpumpentherapie (Pumpenstopp oder Katheterprobleme) sind erfreulicherweise eher selten geworden.
Leider tritt eine DKA auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes auf, vor allem bei langer Diabetesdauer und Sistieren der endogenen Insulinsekretion.
Allerdings sieht man bei Typ-2-Diabetes eher ein sogenanntes hyperosmolares Koma mit besonders hohen Blutzuckerwerten und weitgehend ohne Ketoazidose.
Häufig sind Fehldiagnosen
Die auffälligsten Befunde bei DKA sind die Polyurie und Polydipsie als Folge der osmotischen Diurese. Natürlich kommt es durch den Glukose- und vor allem auch den Wasser- und Elektrolytverlust auch zu einer Gewichtsabnahme.
Diese wird aber bei dem oft fulminanten Beginn innerhalb weniger Tage oder gar Stunden von den Betroffenen nicht registriert.
Die durch die DKA induzierte Übelkeit und die typischen abdominellen gastrointestinalen Beschwerden (Pseudoperitonitis) führen nicht selten zu Fehldiagnosen und manchmal sogar zu Operationen (Appendektomie!).
Die Exsikkose geht oft mit Muskelkrämpfen einher, die ebenfalls mit den Wasser- und Elektolytverlusten zu erklären sind. Eine ausgeprägte Gastroparese wird als Folge der Hyperglykämie gedeutet, die warme Haut mit der Azidose.
Letztere führt auch zur Vasodilatation mit einer Hypotonie (auch durch die Natriumverluste) und zu einer Tachykardie.
Gut bekannt ist beim Vollbild eines Komas mit Hyperglykämie und Ketoazidose die vertiefte Kussmausl´sche Atmung, die auf der Azidose und der Hyperosmolarität beruht. Das Koma geht stets mit einer zunehmenden Somnolenz einher.
Bei ausgeprägter DKA kommt stets eine stationäre Therapie in Betracht. Eine sofort von Haus- oder Notarzt eingeleitete Flüssigkeitszufuhr kann allerdings lebensrettend sein.
Dazu sollen 1000 bis 1500 ml isotoner Kochsalzlösung pro Stunde (anfänglich je nach kardiovaskulärer Situation sogar schneller) unverzüglich infundiert werden, später auch als Vollelektrolytlösung.